Mülheim.
Seit nahezu 30 Jahren gibt es in Mülheim die „Gleichstellungsstelle - Frauenbüro“. Explizit wird im Abteilungsnamen die Frau hervorgehoben, denn die Gleichberechtigung sei lange noch nicht abgeschlossen, sagt Antje Buck (A. B.), die seit 2002 ihre Abteilung mit viel Herzblut leitet. Sabine Herrmann (S. H.) steht ihr mit einer halben Stelle zur Seite. Sie kümmert sich schwerpunktmäßig um die Umsetzung der Europäischen Charta zur Gleichstellung von Frauen und Männern, für die sich die Stadt Mülheim 2013 per Ratsbeschluss entschieden hat. Im Gespräch mit unserer Zeitung unterstreichen die Frauen, dass sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert habe, der Prozess aber noch lange nicht abgeschlossen sein werde.
Kommen Männer zu Ihnen, die sich ungerecht behandelt fühlen?
Antje Buck: Ja! Aber sie kommen aus anderen Gründen. Ein Witwer konnte beispielsweise seine beruflichen Aufgaben nicht mit der privaten Situation vereinbaren und suchte unsere Unterstützung. Ein Unternehmen ließ sich von uns beraten, wie es einen alleinerziehenden Mitarbeiter fördern könne. Ansonsten kommen primär Frauen, teils mit handfesten Problematiken wie häuslicher Gewalt, bei denen wir sie unterstützen und beraten. In letzter Zeit sind Anrufe, auch von Kollegen, bei uns eingegangen, die sich gegen Bordell-Werbung im Stadtgebiet wenden. Das ist leider nicht illegal. Wir versuchen, da den Jugendschutz zu bemühen.
Unterstützen Sie gezielt Männer?
Buck: Beim Boy’s -und Girl’s Day ermöglichen wir Einblicke in Berufe, die noch vorwiegend vom anderen Geschlecht gewählt werden. Wo ich Gelegenheit bekomme, bewerbe ich die Elternzeit bei den Männern – die Zahlen sind steigend – und betone gegenüber den Frauen, ihre Auszeit vom Beruf zeitlich zu begrenzen, da sich lange Ausstiegszeiten schlecht auf die Rentenentwicklung auswirken.
Wie sieht es im Umgang unter den Geschlechtern heute aus?
Buck: Im täglichen Miteinander, im zivilen Gespräch kann ich mich in den letzten zehn Jahren nicht an Grobheiten erinnern. Aber im anonymen Raum, vor allem in Netz, wird scharf geschossen.
Was sind Ihre Hauptaufgaben?
Buck: 40 Prozent unserer Zeit wenden wir für die Begleitung von Vorstellungsgesprächen auf. Wir nehmen teil an allen Gesprächen der Tätigkeitsfelder , in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Wir achten darauf, dass bei Einstellungen zur Ausbildung im Beamtenbereich 50 Prozent der Stellen weiblich besetzt werden. Die Frauenquote bei Abteilungsleitungen liegt erst bei 24 Prozent.
Frauenpolitische Exkursion führt nach Köln
„Frauenspuren in Köln“ ist Exkursionsthema am Freitag, 17. April, für Mülheimer und Oberhausener Frauen – ein Kooperationsprojekt der Gleichstellungsstellen und der katholischen Familienbildungsstätten. Info und Anmeldung bis zum 27. März bei Stefanie Hecke unter 85996-57/-40.
Regelmäßige Aktionen organisiert und veranstaltet die Gleichstellungsstelle zum Int. Frauentag (8.3.), zum „Equal Pay Day“ (20.3.), zum Girl’s und Boy’s Day (23.4) oder zum Int. Tag „Nein zu Gewalt an Frauen“, (25.11.).
Kontakt zur Gleichstellungsstelle - Frauenbüro unter
455 15 40.
Wie setzt die Stadt die Europäische Charta zur Gleichstellung um?
Sabine Herrmann: Es geht um Chancengleichheit nach innen, also innerhalb der Stadtverwaltung, sowie nach außen, für die Bürger. Wir haben mit einer Bestandsaufnahme in den verschiedensten Ressorts der Stadt begonnen, im Kultur-, Sport-, Freizeit-, Stadtplanungs- oder Umweltbereich. Erstes Ergebnis ist eine Broschüre mit Leitlinien für eine gendergerechte Sprache als Hilfestellung für die praktische Arbeit. Wir planen zudem einen Workshop zu: „Gender-Mainstreaming in der Stadtleitplanung“.
Buck: Damit möchten wir erreichen, dass Planer gendermäßig über ihre Arbeit schauen. Ein Bebauungsplan wurde bereits geändert, ein gewundener Weg begradigt, um Angsträume zu vermeiden. Auch Schulungen zu sexueller Gewalt am Arbeitsplatz sind Thema. Die Gleichstellungsstellen Mülheim und Oberhausen haben eine Vernetzung ihrer weiblichen Führungskräfte in den Städten initiiert.
Wie sieht es aus mit der Umsetzung der Frauenquote ab 2016?
Buck: Wir müssen taugliche Mittel finden, Frauen den Weg nach oben schmackhaft zu machen. Frauen arbeiten anders als Männer.