Mülheim. Die Beschäftigten des Landes NRW fordern von ihrem Arbeitgeber 5,5 Prozent und mindestens 175 Euro mehr Lohn im Monat. Die Tarifverhandlungen laufen.
Es sind deutliche Worte, die Heiko Müller, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Essen/Mülheim, wählt, um auszudrücken, wie die Stimmung unter den rund 2200 Polizeikollegen ist: „Sie haben die Schnauze voll.“ Personalabbau, Leistungsverdichtung, Überstunden ohne Ende, immer höhere Risiken durch Gewalt gegen Beamte bei Einsätzen und bei den Löhnen sei die Polizei abgehängt von einer Entwicklung wie sie in anderen Ländern oder der Wirtschaft üblich sei. „Die Atmosphäre ist auf dem Nullpunkt angekommen“, so Müller. Und nicht nur bei der Polizei: Viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Landes NRW sind unzufrieden und fühlen sich nicht „wertgeschätzt“, sagt Anna Conrads, zuständig bei Verdi für die Gemeinden. 5,5 Prozent mehr Lohn für die Angestellten im Öffentlichen Dienst fordert die Gewerkschaft bei den laufenden Tarifverhandlungen, mindestens 175 Euro im Monat mehr und die ungekürzte Übertragung des von den Angestellten des Landes erzielten Tarifabschlusses auf die Beamten. Letzteres sei bei der letzten Tarifrunde nicht der Fall gewesen.
Genug von den Sonntagsreden
Weder Beamte noch Angestellte seien auf die rot-grüne Landesregierung gut zu sprechen. „Enttäuscht“ sei man, und „verärgert“ über Versprechen die nicht gehalten worden sind, sagt Rudolf Nass, der bei Verdi für die rund 700 Beamten bei der Stadtverwaltung und Feuerwehr in Mülheim spricht. So gebe es beispielsweise keine Fortzahlung mehr der Feuerwehr- und Polizeizulage für besonders erschwerten Dienst im Ruhestand, was rund 80 bis 100 Euro im Monat ausmachten. Einst von der schwarz-gelben Landesregierung gestrichen, hatte Rot-Grün in der Minderheitsregierung zugesagt, die Zulage wieder einzusetzen. „Das ist aber verpufft“, sagt Rudolf Nass.
„Sonntagsreden“, die höre man immer, wenn die Feuerwehr besucht werde. „Doch später, wenn es um die Bezahlung gehe, ist von der Wertschätzung nichts mehr zu spüren“, kritisiert Roland Oder von der Mülheimer Feuerwehr. „Wir werden massiv von den Regierenden hintergangen“, sagt er und fragt angesichts von Löhnen zwischen 2024 und 3011 Euro brutto: „Ist Lebensrettung nicht mehr wert?“
Gerechter Tarif für angestellte Lehrer
Auch die angestellten Lehrer sind seit Jahren verärgert. Gleiche Ausbildung, gleiche Arbeit, gleicher Familienstand – wer beim Land angestellt ist, geht im Vergleich zum beamteten Kollegen mit bis zu 500 Euro netto im Monat weniger nach Hause. „Wir wollen endlich auch einen Tarifvertrag, der ein Stück Gerechtigkeit bringt“, sagt Elke Pfeiler von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Was das Land sich bei den Lehrern erlaubt, ist der reinste Hohn“, schimpft auch Nass.
Die Angestellten und Beamten wollen nicht länger Opfer der Schuldenbremse sein. Das Argument von leeren Kassen können die Gewerkschafter nicht mehr hören. Anna Conrads, zuständig bei Verdi für die Gemeinden, sieht schwere Zeiten auf den öffentlichen Dienst zukommen, nicht nur wegen der Bezahlung, sondern auch wegen der extrem hohen Zahl von befristeten Arbeitsverträgen, von denen nicht nur Lehrer verstärkt betroffen sind. 14 Jahre hatte beispielsweise eine Kollegin bei der Polizei in Essen immer wieder nur befristete Arbeitsverträge bekommen. Unattraktiver könne man einen Beruf nicht machen. Das wirke sich auch auf die Nachwuchsförderung aus. Immer weniger junge Leute wollten in den öffentlichen Dienst einsteigen. „Die Beamten in unserer Behörde sind im Durchschnitt 45 Jahre alt“, sagt Heiko Müller. Viele Beamte würden gerne streiken. „Machen sie natürlich nicht, weil sie es nicht dürfen. Aber wenn sie es könnten“, so Müller, „hätten Einbrecher ein leichtes Spiel.“