Mülheim. Die Mobilheim-Bewohner am Entenfang schätzen ihre funktionierende Nachbarschaft. Vom Hundesitting bis zum Krankenhausbesuch...
Man wohnt schon eng hier am Watzmann-, Wendelstein- oder Finkenweg: schmalen Sträßchen, an denen jeweils nur eine Handvoll hölzerner Mobilheime steht. Jeder kann dem anderen in die gute Stube schauen, aber das scheint die Leute nicht zu stören: „Die Nachbarschaft ist bestens“, meint etwa Marina Breuer, die mit ihrem Ehemann seit fast 13 Jahren fest im Freizeitdomizil Entenfangsee wohnt, gemeinsam mit rund 600 anderen Dauercampern.
Die gegenseitige Alltagsunterstützung laufe zum einen ganz klassisch über die Haushaltsschiene: „Man leiht sich Eier oder geht für andere einkaufen, falls jemand krank ist.“ Noch gestern Abend um kurz vor 22 Uhr schellte ihr Telefon: Bei Gabriele Franke von schräg gegenüber war die Heizung ausgefallen. Sie fragte fröstelnd um handwerklichen Rat und erhielt ihn prompt.
Frau schwer krank im Bett gefunden
Es gab allerdings auch schon ernstere Einsätze, erinnert sich Marina Breuer. Einmal sorgten sie sich ernsthaft um eine ältere Nachbarin: „Es lag Schnee, aber wir haben keine Fußstapfen vor ihrem Haus gesehen.“ Sie schauten durchs Fenster, stiegen schließlich in die Wohnung ein und fanden die Frau schwer krank im Bett liegend. „Wir haben dann sofort den Krankenwagen gerufen...“
Dass einer auf den anderen achtet, gefällt auch Gabriele Franke, die vor drei Jahren ihre Mietwohnung in Duisburg-Duissern gegen ein Mobilheim tauschte und seither festgestellt hat: „Die Nachbarschaftshilfe ist schon anders.“ Dies sei allerdings nicht der Grund für ihren Umzug gewesen.
Eine Gasse weiter wohnt seit dem Vorjahr Claudia Schuppe. Sie besitzt zwei Hunde, die sie auch schon mal in die Obhut ihrer Nachbarn geben kann, wenn sie für einige Stunden unterwegs ist. Die räumliche Nähe empfindet sie nicht als störend: „Obwohl man sehr eng wohnt, wird die Privatsphäre gewahrt.“ Bevor man einander besucht, ruft man in der Regel vorher kurz an.
Ganzen Finkenweg zur Einweihungsfete eingeladen
Als Uwe und Birgit Wagner 2011 auf den Platz zogen, stellten sie sich den neuen Nachbarn nicht nur vor, sondern luden gleich den ganzen Finkenweg zur Einweihungsfete. Fast 25 Leute kamen, „und seitdem feiern wir jedes Jahr ein Straßenfest“, ein ganzes Wochenende lang. Auch ein Oktoberfest haben sie ins Leben gerufen und einen Glühweinabend im Dezember.
Doch die Gemeinschaft funktioniert offensichtlich nicht nur in guten Zeiten. Als Uwe Wagner nach einer schweren Knie-Operation im Krankenhaus lag, kamen ihn Anwohner vom Finkenweg besuchen. Und im Alltag gelte: „Hier kann man sich auf jeden verlassen. Es wird auch nicht abgeschlossen.“
Generationenkonflikte bleiben nicht ganz aus
Nach langjähriger Beobachtung von Dietmar Harsveldt, der die Anlage am Entenfang sowie sechs weitere „Freizeit-Oasen“ betreibt, sind es vor allem drei Beweggründe, die Dauercamper aus den umliegenden Großstädten hinaus ins Grüne ziehen: „Sie suchen Ruhe, Sicherheit und soziale Gemeinschaft.“
In der Praxis funktioniere das auch, meint der Geschäftsführer, „ich muss nicht viel dazu tun, die Menschen hier regeln es selber“. Er schwärmt gar von einem „Dorfidyll“, getragen von gegenseitiger Hilfe. Gleichwohl gibt es eine Platzordnung, in der auch sensible Nachbarschaftsthemen wie Haustierhaltung (inklusive der Beseitigung von Hundekot), Ballspielen, Rasenmähen und Ruhezeiten verbindlich festgeschrieben sind. Ein Aushang am schwarzen Brett in der Rezeption erlaubt zusätzlich „lange Samstage“, und zwar jeweils die ersten des Montags, an denen die offizielle Nachtruhe erst spät um 1 Uhr beginnt.
Natürlich läuft es auch am Entenfang nicht gänzlich beschwerdefrei, räumt Harsveldt ein. Typische Generationenkonflikte beträfen Störungen durch nachtaktive Jugendliche oder auch geräuschvoll spielende Kinder während der Mittags(schläfchen)zeit. Kurz: „Ältere Leute beschweren sich über Lärm und Krach, solange ihre eigenen Enkelkinder nicht da sind.“ Wie anderswo auch.