Mülheim. Eppinghofen hat ein Stadtteilmanagement. Doch offiziell gibt es diesen Stadtteil gar nicht. Es ist nicht das einzige Quartier, dass nur im Gefühl der Mülheimer existiert.
In Eppinghofen zeigt sich das ganze Dilemma: Rund um den Kreisel agiert ein Stadtteilmanagement ohne echten Stadtteil. Offiziell gehört das Viertel nämlich zu Altstadt II. Aber welcher Mülheimer will da schon wohnen? „Ich bin alteingesessener Altstadt-Zweier.“ Ein auf ewig unausgesprochener Satz. Grund genug, mit den Fachleuten der Stadt zu sprechen über Stadtteile und deren Grenzen. Doch am Ende bleibt für den Laien nur ein Fazit: Jeder macht, wie er fühlt.
Anschauungsmaterial fehlt auf jeden Fall nicht. Der Tisch im Technischen Rathaus ist groß und voller Stadtpläne. Jeder teilt Mülheim anders: in drei Stadtbezirke, in sechs Teilräume, in neun Stadtteile, in 14 Gemarkungen, in 28 statistische Bezirke. . . Eppinghofen taucht nirgendwo auf. Auch Selbeck, Winkhausen oder Heimaterde heißt keiner der offiziellen Stadtteile. Mitarbeiter vom Amt für Geodaten-Management sowie vom Referat für Stadtforschung und Statistik haben die Karten ausgebreitet und blicken nun mit ihrem Fachwissen auf Laien-Fragen, deren Antwort die Diskrepanz zwischen Kataster und Bürger-Gefühl offenbart.
Das Rhein-Ruhr-Zentrum, zum Beispiel. Zu welchem Stadtteil gehört das? „Heißen,“ sagt Ingo Kurosch vom Amt für Stadtforschung und Statistik sofort und überzeugt. Nicht Heimaterde? Da muss er überlegen und einräumen: „Das kann auch sein, weil das im Statistischen Bezirk 53 liegt.“ Der heißt offiziell Heißen-Süd, wird aber als Heimaterde gehandelt. Und was ist mit Fulerum? „Nein, Fulerum gibt’s nicht“, sagt Kurosch. Prompt gibt’s Gegenwind von Rüdiger Lohmar, der beim Amt für Geodatenmanagement in der Abteilung Kataster beschäftigt ist. In seinen Unterlagen kommt Fulerum als Gemarkung nämlich doch vor.
„Das ist doch totaler Wahnsinn“
Und es geht noch wilder: die Realschule an der Mellinghofer Straße. Was ist diese Ecke? Noch Eppinghofen? Schon Dümpten? Oder Mellinghofen? Letzteres, sagen beide Fachleute, gibt es nun wirklich nicht. Statistisch ist die Antwort klar: Die Realschule liegt in Altstadt II (Statistischer Bezirk 23). Gefühlt einigt man sich am Ende auf Stadtmitte/Eppinghofen.
Altstadt I ist nicht weniger kompliziert – dort wo Stadtmitte, Winkhausen, Holthausen, Heißen und Eppinghofen aufeinandertreffen und am Ende keiner mehr weiß, wo er ist – so wie die Verfasserin, die sich stets als Heißenerin fühlte, nur um zu erfahren, dass sie in der Stadtmitte aufwuchs.
„Das ist doch totaler Wahnsinn“, sagt Ingo Kurosch (durchaus begeistert) bei der Suche nach Winkhausen, während Rüdiger Lohmar schon bei Mellinghofen aufgegeben hat: „Das ist ja eh Quatsch!“ Natürlich nur „kataster-technisch“ gesprochen. Denn dass Ortsteile „Identität“ geben und „soziale Beziehungen“ aufzeigen, wissen beide – und dass an gefühlten Grenzen auch das Kataster nichts ändern kann. Und auch nichts ändern will. Rüdiger Lohmar erzählt von einem Broicher, der laut Karte eigentlich in Speldorf lebt. Und auch ein Dümptener kann Mellinghofer sein, wenn er das will.
Grenzen nicht schneiden, wie wir gerade lustig sind
Für die Mitarbeiter des Amts für Geodaten-Management, Vermessung, Kataster und Wohnbau-Förderung sowie für das Team des Referats für Stadtforschung und Statistik gibt es bei Stadtteilgrenzen übrigens aus rein beruflicher Sicht keinerlei Diskussionen: Jede Adresse kann ganz genau einem der neun offiziellen Stadtteile zugeordnet werden.
Keiner davon heißt Eppinghofen (oder Heimaterde oder Winkhausen oder Selbeck), doch für die Fachleute ist das irrelevant, sagt der Leiter des Amts für GeodatenManagement Matthias Lincke: „Für Statistiker ist die Welt geschlossen und darin ziehen sie ihre Vergleiche.“ Soll heißen: Die Stadtteile gibt es seit der Gebietsreform von 1972 in dieser Form, die Statistischen Bezirke sind nach der Volkszählung von 1956 so festgelegt worden. Seitdem haben die Statistiker Daten gesammelt in bis heute vergleichbaren Einheiten.
Der Vorstoß aus dem dortigen Stadtteil-Management, Eppinghofen zu einem eigenen Stadtteil zu machen, ist für die Vertreter des Amts und des Referat folgerichtig ein Grauen. „Da hängt ein riesen Rattenschwanz dran“, sagt Matthias Lincke. Die Stadtteile, die Bezirke seien historisch gewachsen und bewusst festgelegt. „Langzeitentwicklungen“ nennt der Amtsleiter das und betont: „Wir können die Grenzen nicht schneiden, wie wir gerade lustig sind.“ Sonst seien alle bisher gesammelten Daten „für die Katz’“, verlässliche Vergleiche würden unmöglich.