Mülheim. . Mülheims älteste Bürgerinitiative zieht einen Schlussstrich. Die Verträge für Verlagerung der Schrottverarbeitung sind unterzeichnet.

An die 200.000 Tonnen Schrott wurden Jahr für Jahr vor ihrer Nase angeliefert, ausgekippt, umgeschichtet, zertrümmert, verladen. 50 Jahre lang haben sich Bürger in Speldorf gegen die Belastungen durch die Schrottverarbeitung an der Weseler Straße gewehrt, es war der längste Kampf einer Bürgerinitiative in der Stadt. Jetzt zieht sie einen Schlussstrich. Die Verträge für die Verlagerung der Firma Jost Schrottverarbeitung sind unterzeichnet, Mitte des Jahres soll für die Anwohner die Ruhe einkehren, auf die sie so lange gewartet haben.

Horst Buchmüller, Winfried Wenzek, später auch Roland Baldur Schäfer waren die federführenden Köpfe der Bürgerschaft, die den Widerstand über so lange Zeit aufrecht erhalten haben. „Von den Anwohnern“, berichtet Buchmüller, „wurden in den 50 Jahren mehrere tausend Briefe geschrieben“ – an Politiker, Minister, Umweltbehörden, Stadtämter, Landes- und Bundesbehörden, Juristen.

Oft Angst um Gesundheit gehabt

Über einen Beschwerdebrief von 1971 sagen die Anwohner heute: „Bis vor wenigen Wochen hätten wir ihn umdatieren und noch mal losschicken können.“ Es war ein endloser Protest gegen hohe Schwermetalle in Feinstäuben, die in ihrer Umgebung niedergingen, gegen Erschütterungen durch Falltürme, die das Metall zerschlagen, gegen höllischen Lärm, der morgens zwischen 7 und 7.10 Uhr begann.

„Ja, wir haben oft Angst um unsere Gesundheit gehabt“, berichten die Anwohner, die auch immer wieder von Politikern bedauert wurden. Ans Wegziehen hatte dennoch nie jemand gedacht. Die Hofacker- und die Eltener Straße – es ist für manche schon die Heimat der Elterngeneration gewesen. Lohnt sich ein so langer Kampf? „Unterm Strich schon“, sagt Buchmüller mit Blick auf das jetzige Ergebnis. Er will Mut machen.

Ende gut, alles gut?

Der Kampf am Tor zum Speldorfer Hafen ist auch eine der Wurzeln der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI), die später zur drittgrößten politischen Kraft in der Stadt aufstiegen. „Wenn wir nicht dran- und hartnäckig geblieben wären“, sagt Lothar Reinhard von der MBI, „wäre hier nie etwas passiert.“ Für ihn ist der Fall ein Beispiel dafür, wie Bürger und selbst Politiker zuweilen im Geflecht der Gesetze und Verordnungen feststecken. Die Quintessenz für ihn ist: „Für den Menschen objektive Unzumutbarkeiten dürfen nicht mehr so lange hinausgeschoben werden.“ Er erinnert daran, dass der Stadtrat 1992 die Verlagerung des Unternehmens beschlossen hatte.

Versicherung lautete: Keine Belastung

Die Genehmigung zur Errichtung eines Schrottplatzes an der Weseler Straße erfolgte 1956. Hugo Stinnes persönlich soll sich dafür eingesetzt haben, dass der Fallturm nicht vor seinem Werkshaus steht.

Den Anwohnern wurde damals versichert, dass sie in keiner Weise belastet würden.

Jetzt geht das Unternehmen Jost an die Timmerhellstraße, direkt an die Hafenkante, pachtet für Jahrzehnte ein Gelände von der Stadt. An der Weseler Straße darf sich künftig nur noch Gewerbe ansiedeln, das Wohnort-verträglich ist.

Ende gut, alles gut? An der Hoffacker Straße steht die große Sektflasche bereit. Man freut sich auf den „Frieden“, auch mit dem Schrottbetrieb, der zum Jahreswechsel schöne Grüße schickte.