Mülheim. Der Mülheimer Albert Zimbehl (77) erinnert sich an das Fest in Kriegszeiten. Er erlebte auch Heiligabend im Bunker.
Die Weihnachtsstimmung ist für Albert Zimbehl von den Ereignissen im Zweiten Weltkrieg überschattet. Wenn der 77-jährige Mülheimer an Weihnachten in Kriegszeiten denkt, dann wird ihm wehmütig ums Herz. „Das erste Fest, an welches ich mich ziemlich vage erinnere, war 1942.“ Da glaubte er noch an den Weihnachtsmann.
Damals sei es noch ein richtiges Fest gewesen, mit Gesang und Gesprächen unterm Tannenbaum. Neben einem reich gedeckten Tisch gab es für den kleinen Albert einen regelrechten Geschenkesegen. Zum letzten Mal sei die Familie so unbeschwert und fröhlich zusammen gewesen. „Dann schlug die Härte der Zeit erbarmungslos zu“, schreibt Albert Zimbehl.
Geschenke zerstört unter Schutt
Während der Bombenangriffe im Sommer 1943 seien die Geschenke wie auch alles andere verbrannt und lagen zerstört unter Schutt. „Nie wieder hatte ich Spielsachen“, beschreibt er seine Weihnachtsstimmung 1943.
Nach Evakuierung und Heimkehr habe die Familie eine Wohnung in Broich bekommen. Bei Fliegeralarm sei der Bunker in der Nähe gut erreichbar gewesen. „Am Heiligabend kam eine Gruppe des BDM, Bund Deutscher Mädel, in den Bunker, und sie sangen Weihnachts- oder besser Sonnenwende-Lieder“, erinnert sich Zimbehl. Es sei auch „so eine Art Nikolaus“ erschienen: „Der verschenkte nichts, aber vermöbelte einige Rangen, die irgendeinen Fehler gemacht haben.“ Auch Albert Zimbehl sollte Hiebe bekommen. „Mein Fehler war, dass meine Eltern als ,Rote’ verschrieen waren.“
Der Junge hatte große Angst. „Ein SS-Mann, Sohn von Nachbarn in voller schwarzer Uniform mit Totenkopf an der Mütze, hatte Erbarmen mit mir und verjagte den ,heiligen Mann’“.
Damals sei er dem „schwarzen Mann“ sehr dankbar gewesen, so Albert Zimbehl. Heute sagt er: „Ein Kind in einem der KZ’s hatte sicher andere Empfindungen bei seinem Anblick.“
Bunker am Flughafen von Bombe getroffen
Dann sickerte die Nachricht durch, dass der Bunker am Flughafen von einer Bombe getroffen wurde und viele Tote zu beklagen waren. „Darunter auch die BDM-Gruppe, zu der meine Schwester gehörte.“ Die damals 15-jährige Schwester sei zum Dienst beim Roten Kreuz an der Front eingezogen worden und nur deshalb nicht unter den Toten gewesen, berichtet Zimbehl. „Ihre Gemütsverfassung kann man sich wohl vorstellen – alle ihre Kameradinnen waren tot.“
Zwischen Kriegsende 1945 und Währungsreform 1948 lag Deutschland am Boden. Albert Zimbehls Vater „siechte an seiner Herzkrankheit dahin“, hatte aber gute Freunde. „Sie brachten uns in den Jahren am Heiligen Abend eine Wagenladung Perlkoks, weil dann die Werkspolizei nicht so genau Obacht gab“ Wenn es auch sonst nichts gab, so hatte es die Familie wenigstens warm. „Während wir, meine Mutter, meine Schwester und ich, das Brennmaterial in der Dunkelheit in den Keller trugen, lag Vater oben im Bett.“
Der Sohn wusste, dass der Vater weinte, weil er nicht mit anpacken konnte. „Das tat weh, denn wir liebten unseren Vater.“ So war die Weihnachtsstimmung des Jungen zwischen acht und zwölf Jahren.
Leidvolle Trennung - Ehefrau lag Weihnachten 2007 im Sterben
Der Vater starb, als Albert Zimbehl in die Lehre ging. Immer an Weihnachten war die Stimmung sehr getrübt in der Familie. Erst, als er heiratete und Vater einer kleinen Tochter war, „erlebte ich mein erstes und eigentlich auch mein letztes ,richtiges’ Fest“.
Die Schatten der Vergangenheit verfolgen Albert Zimbehl ständig, wenn er an das Fest der Feste denkt. Besonders, wenn er sich den Weihnachtsrummel unter finanziellen Aspekten anschaut, kommt bei ihm eine etwas andere Stimmung auf: „Man wird sicherlich verstehen, dass mich die kaufmännisch tüchtige ,Verweihnachtung’ anwidert.“ Ein weiterer Schicksalsschlag ereilte ihn vor sieben Jahren, als seine Ehefrau an Krebs erkrankte. Im Dezember brachte er sie fünfmal ins Krankenhaus. „Zuletzt kam sie nicht mehr richtig zu sich und starb am 31. Dezember, kurz nach 15 Uhr.“ Weihnachten 2007, „war das schlimmste aller bewusst erlebten Weihnachtsfeste“.
Zweiundvierzig Jahre, zehn Monate und dreizehn Tage seien sie verheiratet gewesen. „Wir waren miteinander verwachsen“, so Albert Zimbehl. „Nun bin ich alleine – mit Tränen und mit wehem Herzen.“ Die Weihnachtsstimmung eines 77-jährigen Mülheimers.