Mülheim. . Sileman Ali (24) ist vor drei Jahren aus seiner Heimat geflüchtet, mit 90 Leuten auf einem Schiff gedrängt. Jetzt ist er unter anderem als Schauspieler in Mülheim aktiv.

Als kleiner Junge musste Sileman Ali seine Träume platzen lassen. Er wollte Schauspieler werden, und Polizist. Aber dann erklärte man ihm: Du bist staatenloser Kurde, ein Ausländer im eigenen Land. „Mein Leben lang war ich ein Nicht-Bürger“, erzählt er. Bildungschancen wurden ihm verwehrt. Wollte er arbeiten, musste es schwarz sein. Und er arbeitete früh, bereits mit elf Jahren als Lackierer.

Die geringe Akzeptanz der Kurden in Syrien war für Familie Ali aber nie ein Grund, ihre Heimat zu verlassen. Doch dann kam der Bürgerkrieg. Die Alis entschlossen sich im Juli 2011 zu fliehen, nach Deutschland, wo die älteste Tochter seit rund zehn Jahren wohnte.

Mit Spülmittel beruhigt

Bis dahin war es eine Odyssee. Als Sileman, seine Mutter und vier Geschwister es geschafft hatten, über die türkische Grenze zu kommen, brachten sie Schlepper übers Mittelmeer nach Italien, mit 90 Leuten auf einem Schiff.

Sechs Tage verbrachten die Flüchtlinge auf dem Meer, davon vier ohne Essen und Trinken. „Die Schlepper hatten die Route aus den Augen verloren. Sie wussten nicht mehr, wie man nach Italien kommt“, erinnert sich Sileman Ali. Er selber konnte Ruhe bewahren: „Ich war es vom Ramadan gewöhnt, etwas länger ohne Lebensmittel auszukommen.“ Die Kinder waren hysterisch: Eine Familie hatte Spülmittelreste dabei, vermischte diese mit Salzwasser und verabreichte das Gemisch den Kindern. „Nur damit sie Ruhe geben.“

Kurze Gefangenschaft

Als einige schon dachten, dass sie im Meereslabyrinth verhungern mussten, entdeckte Ali ein Licht von Weitem. Italien. Sie waren angekommen. „Wir waren überglücklich, haben alle zusammen Party auf dem Schiff gemacht.“ Am Hafen angekommen, wurden die Flüchtlinge in Abschiebehaft gegeben. Doch die Alis kamen schnell frei. Nach einer Woche sagte man ihnen, sie sollten das Gefängnis, das ganze Land verlassen. Ein weiterer Schlepper brachte die Alis dann per Auto nach Deutschland.

Vom Auffanglager wurden die Kurden nach Mülheim gebracht. Trotz seines Alters durfte Sileman Ali direkt in die Schule, zum Berufskolleg Stadtmitte, das mit dem Theater an der Ruhr kooperiert. Durch die Zusammenarbeit lernte Ali Adem Köstereli kennen.

Zum ersten Mal Träume verfolgen

Köstereli ist der Meinung, Theater sei die „universale Sprache“. Deswegen leitet er Stücke mit Flüchtlingen. In seiner 2012er Produktion „Ein Stück von mir“ sollte Sileman Ali die tragende Rolle spielen: „Er hat das Stück mitentwickelt, vieles kritisch hinterfragt.“ Ganze acht Monate probte Köstereli mit den Jugendlichen. Als die letzten Vorbereitungen für die Premiere im April 2013 liefen, sollte Sileman Ali plötzlich abgeschoben werden. Er und seine Familie mussten erst einmal zurück nach Italien.

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Sollte das Stück jetzt auch ins Wasser fallen? Köstereli dachte um. Silemans Jacke ersetzte ihn als Person. Sie war mehr als eine Requisite, wurde stark beleuchtet, von den anderen Schauspielern angesprochen, miteinbezogen. „Silemans Figur und Gedanken waren Teil des Stücks“, erklärt Köstereli.

Wie es Sileman Ali schaffte, dann doch eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu bekommen, darüber schweigt er. Es sei kompliziert, Anwälte seien darin verwickelt. Seit Anfang des Jahres ist er jedenfalls zurück, macht seine Qualifikation zur mittleren Fachoberschulreife, arbeitet nebenbei in einem Restaurant und dolmetscht ehrenamtlich für andere Flüchtlinge. Nach der Schule will Sileman Ali zur Polizei. „Und bald hoffe ich auch wieder beim Theater mitwirken zu können“, sagt er. Sileman Ali verfolgt seine Träume. Er kann es zum ersten Mal in seinem Leben.