Mülheim. Kamal Mazlumi (51) gehört der Religion der Bahá’í an. In seinem Heimatland wurde er dafür diskriminiert; die Religion wird im Iran nicht anerkannt. In Deutschland konnten der Musiker und seine Familie ihre Sehnsucht nach Akzeptanz ausleben.
„Wir wurden gehänselt, angespuckt, getreten.“ Kamal Mazlumi ist Bahá’í aus dem Iran – und damit Teil der größten religiösen Minderheit in seinem Heimatland. Als Bahá’í wurde er als Gotteslästerer beschimpft, als Mitglied einer „perversen politischen Sekte“. Ausschließlich Christen, Juden und Mitglieder des altpersischen Zoroastrismus werden in der iranischen Verfassung als „schutzwürdige religiöse Minderheiten“ anerkannt. Bahá’í dagegen werden nicht nur abgelehnt, seit der Islamischen Revolution 1979 wird ihnen der Zugang zur Bildung verwehrt, sie werden inhaftiert, öffentlich gedemütigt, ihre Wohnungen werden bei Razzien durchsucht. Sie werden getötet.
Kamal Mazlumi entkam diesem Schicksal. Er verließ den Iran mit seinen Geschwistern im Winter 1973, bevor sich die allgemeine Ablehnung der Bahá’í zur systematischen Verfolgung wandelte. Nach Ausbruch der Revolution wäre er vermutlich wegen religiöser Verfolgung geflohen, Mazlumi aber kam nach Deutschland, weil er beruflich mehr aus sich machen wollte. „Ich wollte zur Heimat der klassischen Musik“, erzählt der heutige Musiklehrer und Konzertmusiker.
Bahá’í verstehen die Menschheit als eine Einheit
Eine musikalische Karriere hatte Mazlumi aber nicht von Anfang an im Blick. Zunächst versucht er es mit einem Bauingenieurs-Studium. Seine ersten deutschen Worte lernte er erst „beim Nebenjob in der Pizzeria“ – noch heute klingt Mazlumis Deutsch leicht italienisch. Als das nicht ausreichte, um den Sprachtest für die Zulassung zum Studium zu bestehen, besuchte er Deutschkurse an der Hochschule. Den Test bestand er mit der Bestnote.
„Ich hatte oft nicht mehr als 69 Pfennig für einen Linseneintopf beim Discounter in der Tasche“, erinnert sich Mazlumi an seine Studententzeit. „Aber das fand ich nie schlimm.“ Denn er konnte endlich seine „Sehnsucht nach Toleranz“ ausleben, seinen Wunsch danach, dass die Menschen über ihre Unterschiede hinweg denken.
Mazlumis Eltern wollten den Iran nicht verlassen
Bahá’í verstehen die Menschheit als eine Einheit. „Alle Religionen stammen von ein und derselben Frucht“, erklärt Mazlumi den Grundgedanken der Bahá’í – die zwar im Iran nur als Kult gelten, aber in der sonstigen Weltgemeinschaft Aktzeptanz genießen; seit 1948 ist die Bahá’í International Community bei den Vereinten Nationen als Nichtregierungsorganisation anerkannt. Diese Anerkennung auch persönlich zu spüren, danach sehnte sich Mazlumi lange. „In Deutschland konnte ich endlich meine Meinung einbringen. Die Leute hörten mir interessiert zu“.
Also gründete er 1979 die Bahá’í Gemeinde Mülheim. Heute lebt der 51-Jährige in Kaarst, aber oft kommt er nach Mülheim, um seine Schwester zu besuchen, oder seine Mutter, die man allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Bahá’í fünf Jahre im iranischen Gefängnis einsperrte. Als sie frei kam, war sie 69 Jahre alt – und so von Folterei gezeichnet, dass jede Bewegung schmerzte.
Mazlumis Eltern blieben im Iran, als er und seine Geschwister auswanderten. „Sie wollten unsere Heimat nicht alleine lassen und den Menschen dort weiterhin etwas Gutes tun“, erklärt er. Mazlumis Mutter weigerte sich bis zu dem Tod ihres Mannes im Jahr 2005. Jetzt lebt die 92-Jährige in einem Mülheimer Altenheim – und kann zum ersten Mal die Toleranz erleben, nach der sie sich ihr Leben lang gesehnt hat.