Mülheim. . Ist Mülheim Meister im Schuldenmachen? Diesen wenig ruhmreichen Titel verleiht jedenfalls die Beratungsgesellschaft Ernst & Young der Stadt. Ihre Studie weist für Mülheim das bundesweit höchste Verschuldungstempo seit 2010 aus.
Landauf, landab macht Mülheim aktuell Schlagzeilen als diejenige bundesdeutsche Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern, die im Zeitraum 2010 bis Ende 2013 das weitaus höchste Verschuldungstempo vorgelegt hat. Stadtkämmerer Uwe Bonan verweigert derweil die unrühmliche Auszeichnung. Die entsprechende Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young sei „sehr dilettantisch“ angelegt, die Aussage zum Verschuldungstempo habe „keinen Wert“.
Was hat Ernst & Young gemacht? Unter der Überschrift „NRW-Großstädte versinken immer tiefer im Schuldensumpf“ hat das Beratungsunternehmen die statistischen Daten zur Verschuldung der deutschen Großstädte in ihren jeweiligen Kernhaushalten im Zeitraum der vergangenen vier Jahre ausgewertet (mit Ausnahme der drei Stadtstaaten). Außen vor gelassen hat sie bei dieser Betrachtung die Schulden städtischer Eigenbetriebe.
Schulden von 2010 bis Ende 2013 nahezu verdoppelt
Mülheim schneidet im Vergleich nicht gut ab. Keine andere der 72 betrachteten Großstädte kommt auch nur annähernd auf ein derart hohes Verschuldungstempo wie Mülheim. Die Ruhrstadt hat demnach ihre Schulden innerhalb von nur vier Jahren nahezu verdoppelt (+ 99 %), auf fast 1,1 Milliarden Euro Ende 2013. Mit Abstand hält Mülheim bei dieser Betrachtung die Spitzenposition vor Bonn (+ 62 %) und Offenbach (+ 55 %). Auch in der Rangliste der deutschen Großstädte mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung liegt Mülheim weit vorne. 6579 Euro Schulden pro Bürger bedeutet hier Platz 5. Schlechter stehen nur Bürger in Oberhausen (8596 Euro), Offenbach (8037 Euro), Hagen (6892 Euro) und Ludwigshafen (6855 Euro) da.
Stadtkämmerer Bonan brandmarkt die Studie als untauglich. So mache ein Vergleich nur Sinn, wenn sämtliche Verbindlichkeiten einer Stadt, auch in ihren Eigenbetrieben, in den Fokus genommen würden. In der Betrachtung von Ernst & Young werde Mülheim etwa dafür „bestraft“, dass die Stadt im Jahr 2012 die ehedem als Eigenbetriebe wirtschaftenden Einheiten von Immobilienservice und Abwasserbetrieb in die Kernverwaltung reintegriert habe. Allein damit habe man rund 300 Millionen Euro Verbindlichkeiten zurückgeholt.
Bonan verweist auch auf andere Sonderbelastungen, die Mülheim im Betrachtungszeitraum härter getroffen hätten: den rapiden Dividenden-Verfall bei den RWE-Aktien, die vergleichsweise sehr hohen Verluste der MVG (113,7 Millionen Euro), die Verluste der Seniorendienste (15,7 Millionen Euro). . . „Darüber hinaus wurde Mülheim nicht für den NRW-Stärkungspakt berücksichtigt, obwohl wir aufgrund wissenschaftlicher Erhebungen das sechsthöchste strukturelle Defizit in NRW hatten. Somit gehen uns jährlich zweistellige Millionenbeträge durch die Lappen.“
Reintegration von Eigenbetrieben hat Schulden zurück ins Rathaus gebracht
Die Einwände von Kämmerer Bonan gegen die Studie sind nicht grundlos. Allein die Reintegration der zwei Eigenbetriebe in die Kernverwaltung hat das Verschuldungstempo im Betrachtungszeitraum kräftig erhöht. Ohne sie wären die Schulden im Kernhaushalt „nur“ um 44,9 statt um 99 % gestiegen. Letzteres hat Mülheim die Spitzenposition in der Studie von Ernst & Young eingebracht, mit 44,9 % wäre Mülheim Vierter im Ranking der 72 untersuchten Städte.
Doch auch ein WAZ-Vergleich von zwölf besonders stark verschuldeten NRW-Städten für den Zeitraum 2002 bis 2012 hatte im Frühjahr aufgezeigt, dass Mülheim besonders rasant in die Überschuldung geschliddert ist. So hatte die WAZ errechnet, dass Mülheim bei Berücksichtigung aller Eigenbetriebe dermaßen stark bei der Pro-Kopf-Verschuldung zugelegt hat, dass nur Hagen einen marginal schlechteren Wert aufwies. Bei einer Pro-Kopf-Verschuldung von 6814,06 Euro Ende 2012 hatte Mülheim im Zehn-Jahres-Vergleich um 292,6 % zugelegt. Selbst bei Bereinigung der Daten um die Mittel, die andere Städte aus dem Stärkungspakt erhalten haben, blieb für Mülheim der zweitschlechteste Wert.