Mülheim. Wenn eine Diskussion zur „Sterbehilfe“ in der Kath. Akademie stattfindet, wundert es nicht, wenn die Teilnehmenden diese einhellig ablehnen. Dennoch sprach Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck dazu drei Stunden mit Politikern, Medizinern, Juristen und Ethikern.
Die aktuelle Sterbehilfe-Debatte ist weniger eine Frage der Gesetzgebung als „eine Initiative für eine neue Kultur des Sterbens“. Auf dieses Fazit brachte nun Dr. Michael Schlagheck, Direktor der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“, die Debatte in seinem Haus zur Frage einer Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland. Drei Stunden lang hatte zuvor darüber Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck mit Politikern, Medizinern, Juristen und Ethikern diskutiert.
In den Grundzügen herrschte auf dem Podium Einigkeit: Niemand befürwortete eine Aufweichung der aktuellen Regelungen – etwa hin zu einer Ausweitung der Unterstützung beim Suizid oder einer Freigabe der sogenannten Tötung auf Verlangen. Vielmehr wurde der Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung gefordert.
Keine einheitlichen Standards
Dennoch entspann sich ein nachdenkliches und facettenreiches Gespräch, das die Vielschichtigkeit des Themas deutlich machte. Bischof Overbeck betonte etwa: „Wir haben für den Schutz des Lebens einzutreten.“ Das Leben könne nach christlicher Vorstellung nur von dem genommen werden, der es gegeben hat – also von Gott. „Diese intensive Debatte zeigt, dass sich die Frage nach dem, was der Mensch ist, was ihn ausmacht, nicht verdrängen lässt“, sagte Overbeck auch mit Blick auf die Bundestagssitzung zum Thema.
Vielfach stand in der „Wolfsburg“ die Ärzteschaft im Fokus. Eindringlich warnte Moraltheologe Prof. Eberhard Schockenhoff davor, Unterstützung bei Selbsttötungen „als feste ärztliche Dienstleistung“ zu etablieren. Er fürchtet, schwerkranke Menschen müssten sich sonst „rechtfertigen, warum sie diesen Weg nicht gehen, wo er doch angeblich so schmerzlindernd und kostensparend ist“. Professor Hans Georg Nehen, Sprecher des Rates für Gesundheit und Medizinethik im Bistum Essen und Direktor des Geriatrie-Zentrums Haus Berge, betonte, dass es bislang an einheitlichen Standards fehle, wie Ärzte dem Wunsch nach einem assistierten Suizid begegnen sollen. SPD-Politikerin Kerstin Griese sieht da aber die Ärzte selbst gefordert, „da können wir als Politik nicht hineinregieren“. Vom Strafrecht her sei Hilfe beim Suizid – anders als die Tötung auf Verlangen – nicht verboten, erläuterte der Bundesrichter Professor Andreas Jurgeleit.
Dringender Ausbau der Palliativmedizin
„Noch vor zwei, drei Generationen war der plötzliche Tod am meisten gefürchtet“, verwies Nehen auf die Angst vor einem unvorbereiteten Sterben ohne die Sakramente der Kirche. „Heute ist der plötzliche Tod der Erwünschte, das Sterben als Teil des Lebens soll nicht mehr erlebt werden.“
Der Palliativmediziner Professor Christof Müller-Busch betonte indes: „Ein natürliches Sterben gibt es nicht mehr, in der modernen Medizin ist Sterben immer ein Entscheidungsprozess.“ Er warb daher für eine engagierte Debatte darüber, in welcher Umgebung und unter welchen Umständen die rund 870.000 Menschen, die in Deutschland jährlich sterben, dies in Zukunft tun sollen. Dafür, sich beim dringend erforderlichen Ausbau der Palliativmedizin auf ambulante Angebote zu fokussieren, warb auch Grünen-Politiker Volker Beck. Er nannte ein französisches Modell, bei dem pflegende Angehörige auf eine ambulante Komplettversorgung aus einer Hand zurückgreifen könnten.