Moers. Schon jetzt sind 600 Medikamente nicht lieferbar. Auf welche Arzneimittel Kunden vergeblich warten – und wieso die Lage wohl noch schlimmer wird.

Der Herbst rückt immer näher – kalendarisch beginnt er am 23. September. Dann startet auch die Erkältungszeit. Doch wie gut steht es um die Medikamentenversorgung in Moers für den Herbst und die kälteren Monate?

„Die Lage ist weiterhin schlecht“, sagt Muhammed Gülsen. Er besitzt drei Apotheken in Moers, Kamp-Lintfort und Rumeln-Kaldenhausen. „Vergangenes Jahr waren Fiebersäfte ein großes Thema. Da haben wir schon jetzt unser Lager aufgestockt.“ Die Lage bleibe aber angespannt: Im vergangenen Winter lag der Bedarf bei 500 Säften im Monat, berichtet sein Bruder und Mitinhaber der Apotheken Erol Gülsen. „Fatal sieht es aktuell bei den Antibiotika aus. Da gibt es schon jetzt Lieferengpässe“, so Muhammed Gülsen weiter. Auch Blutdruckmittel, Augentropfen oder Augensalben seien knapp. „Nach wie vor hat sich leider nichts getan, auch nicht vonseiten der Politik.“

Apotheker aus Moers: Markt für Kinder-Antibiotikasaft „leer gefegt“

Erol Gülsen: „Lauterbach hatte nun ein Jahr Zeit, die Situation zu verbessern. Leider scheint sie jetzt schlimmer als letzten Winter zu sein. Ich habe großen Respekt, was auf uns zukommt.“ Für Kinder habe er schon jetzt keinen Tropfen Antibiotikasaft mehr in seinen Apotheken. „Ich habe alles versucht, um den Saft zu beziehen. Der Markt scheint leer gefegt zu sein. Wenn nichts kommt, müsste ich versuchen, Säfte aus dem Ausland zu importieren“, so Gülsen. Im vergangenen Winter habe er in seinen Apotheken noch selber Säfte hergestellt. Das könne er in diesem Jahr nicht, denn: „Durch den Personalmangel und immer mehr schließende Apotheken können wir diese Aufgabe nur schwer bewältigen.“

Die Adler Apotheke gehört zu den zahlreichen Apotheken in Moers, die einen Medikamentenmangel im Herbst befürchtet.
Die Adler Apotheke gehört zu den zahlreichen Apotheken in Moers, die einen Medikamentenmangel im Herbst befürchtet. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Die Lage dürfte sich laut Muhammed Gülsen im Herbst und im Winter weiter verschärfen. „Wir raten aber dringend davon ab, Medikamente zu horten. Die wenigen Packungen, die wir haben, fehlen sonst denen, die sie wirklich brauchen.“ Bei einem Krankheitsfall sollten die Bürgerinnen und Bürger daher in den Apotheken nachfragen, ob sie die benötigten Medikamente vor Ort haben.

Medikamentenmangel in Moers: 600 Arzneimittel nicht lieferbar

Auch Hubert Hölzner betont: „So schlimm wie jetzt, war es noch nie.“ Er betreibt die Residenz Apotheke in Moers. „Die Politik ordnet an, dass wir uns Bevorraten sollen. Es ist aber nichts da“, ärgert sich der Apotheker. „Für mich fehlt die Bereitschaft der Politik, an diesem Problem was zu ändern.“ Er sieht aber auch die Krankenkassen in der Verantwortung. „Sie haben unter anderem Rabattverträge mit Firmen festgesetzt, die gar nicht liefern können.“

Insgesamt seien aktuell 600 Präparate nicht lieferbar. „Viele Kunden haben Verständnis dafür, wenn wir das gewünschte Medikament nicht da haben“, so Hölzner. „Andere fangen an zu diskutieren. Oft, weil es da auch Verständigungsprobleme gibt. Die Leute verstehen nicht, warum sie nicht das gleiche Präparat wie beim letzten Mal bekommen können.“

Adler Apotheke Moers über Medikamentenmangel: „Hangeln uns von Monat zu Monat“

Apotheker Pascal Krawietz sieht zudem das Problem, „dass die Lieferschwierigkeiten sich nicht nur auf einen Arzneimittelbereich beschränken, sondern immer wieder kleine Herde entstehen.“ Er arbeitet in der Adler Apotheke in Moers. „Dadurch können wir uns nur schwer darauf einstellen, was demnächst vielleicht nicht mehr lieferbar sein wird. Wir hangeln uns da von Monat zu Monat.“ Hinzu kommt, dass laut Krawietz größere Arzneimittelhersteller eine „Winterbevorratung“ gestoppt hätten.

Schwer lieferbar seien Husten- und Fiebersäfte sowie Antibiotika. „Ganz kritisch ist die Lage aktuell bei Inhalativa, die bei Asthma oder anderen Atemwegserkrankungen eingesetzt werden“, so Krawietz. „Da haben wir auch schon vom Hersteller die Information bekommen, dass es vermutlich bis zum nächsten Jahr Lieferschwierigkeiten geben wird.“ Immerhin: Dass sich Bürger etwas auf Vorrat kaufen, habe Krawietz noch nicht erlebt. „Wir vertrauen den Ärzten, dass sie ihren Patienten nur die Menge an Medikamenten verschreiben, die sie wirklich benötigen.“