Herne. . Auch die Grünen in Herne müssen sich jetzt mit der bundesweiten Pädophilie-Debatte befassen. Der frühere Landesvorstand Hermann Meer, der in den 80er Jahren Sex mit Kindern gehabt haben soll, stammt aus Wanne-Eickel und gehörte dem Rat an – allerdings für die CDU.
Die Pädophilie-Debatte hat nun auch die Herner Grünen erreicht, allerdings unter besonderen Vorzeichen: Ex-Grünen-Landesvorstandsmitglied Hermann Meer, das in den 80er Jahren Sex mit minderjährigen Jungen gehabt haben soll und damit bundesweit Schlagzeilen gemacht hat, stammt aus Wanne-Eickel und gehörte dort mehrere Jahre dem Rat der Stadt an – allerdings nicht für die Grünen, sondern für die CDU.
Das bestätigt der Wanne-Eickeler Christdemokrat Reiner Stimm (76) auf Anfrage der WAZ. Er habe in den 70er Jahren mit dem inzwischen verstorbenen Hermann Meer im Wanne-Eickeler Rat gesessen, berichtet Stimm. Außerdem sei dieser als CDU-Kandidat bei der Landtagswahl angetreten, habe aber gegen den Sozialdemokraten Helmut Hellwig verloren. Dass Hermann Meer homosexuell war, sei damals nicht bekannt gewesen, sagt Reiner Stimm. „Es gab da nur einige Gerüchte.“ Hintergrund: Homosexualität galt damals noch als Tabu, erst recht in der konservativen CDU.
Wann Meer aus der Union ausgetreten und den Grünen beigetreten ist, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Fest steht: Irgendwann in den 70er Jahren muss er die Stadt verlassen haben. Die Grünen gab es damals bekanntlich noch nicht.
Flugblatt mit „Meer-Schweinchen“
Der Kreisverband der Grünen hat es ganz genau wissen wollen und interne Recherchen angestellt. Vorläufiges Ergebnis: Meer war offenbar niemals bei den Herner Grünen aktiv gewesen. Es gebe zurzeit auch keine Belege dafür, dass die damals innerparteilich erhobene Forderung nach Aufhebung des Verbots von Sex mit Kindern Thema im Kreisverband war geschweige denn unterstützt wurde, heißt es.
Die heutigen Grünen (und damaligen Jusos) Peter Hugo Dürdoth (65) und Jörg Höhfeld (69) können sich aber noch an den CDU-Mann erinnern. Es habe im Wanne-Eickeler Landtagswahlkampf ein Flugblatt gegeben, auf dem der Christdemokrat als „Meer-Schweinchen“ bezeichnet worden sei, berichtet Höhfeld. Er habe sich damals allerdings keinen Reim darauf machen können. Inzwischen gehe er davon aus, dass dieses „unsägliche Flugblatt“ offenbar auf Meers Homosexualität gemünzt war.
Dürdoth wittert Medien-Kampagne
Harsche Kritik üben die Grünen an der aktuellen Aufarbeitung der Pädophilie-Debatte in den Medien. Es handele sich um eine Kampagne, mit denen den Grünen geschadet werden solle, so der frühere Ratsfraktions-Chef Peter Hugo Dürdoth. Jörg Höhfeld räumt aber ein: Auch Teile der Grünen seien damals in Deutschland – wie unter anderem auch einige Medien – anfällig für entsprechende Positionen gewesen. „Das war falsch, das verurteilen wir“, stellt Höhfeld rückblickend klar.
Zur Erinnerung: Die Verleihung des Theodor-Heuss-Preises an den Grünen Daniel Cohn-Bendit, der in den 70er Jahren unerträgliche Aussagen über die kindliche Sexualität gemacht hatte, hatte die bundesweite Debatte über den Umgang der Partei mit dem Thema Pädophilie und die Positionen einiger ihrer Mitglieder dazu ausgelöst.
Antrag auf Straffreiheit für Sex mit Kindern
In NRW sorgte der Grünen-Landesparteitag 1985 für Schlagzeilen. Auf diesem wurde mehrheitlich ein Antrag auf Straffreiheit für gewaltfreien Sex mit Kindern verabschiedet. Der Herner Grüne Rolf Ahrens erinnert sich, dass er damals als Delegierter gegen diesen Antrag gestimmt habe. Der Beschluss ist eine Woche später vom Landesvorstand „kassiert“ worden.
Dem Grünen-Landesvorstand gehörte zu Beginn der 80er Jahre auch der frühere Wanne-Eickeler CDU-Politiker Hermann Meer an. Nach Zeugenangaben war Meer für zahlreiche sexuelle Übergriffe auf Kinder in der Emmaus-Gemeinschaft in Kamp-Lintfort verantwortlich.
„Partei hat den richtigen Zeitpunkt verpasst“
Dabei handele es sich aber ganz klar um „eine außerparteiliche Einrichtung“, wie der Herner Grüne Peter Hugo Dürdoth betont. Er kritisiert jedoch, dass seine Partei den richtigen Zeitpunkt verpasst habe, sich offen und aus freien Stücken mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Als die Diskussion um Cohn-Bendit entbrannt sei, hätten die Grünen in die Offensive gehen müssen, so Dürdoth.