Berlin. .
Es ist ein Schock für die neue Führung der Grünen und speziell für den Bundestagsabgeordneten Tom Koenigs. Die Vorwürfe auf Kindesmissbrauch gegen den 61-jährigen Leiter seines Gießener Wahlkampfbüros hätten ihn „völlig überrascht“, sagte Koenigs. „Die Ermittlungen liegen in der Hand der Staatsanwaltschaft und der Polizei, die ich bei ihrer Arbeit unterstütze“, erklärte der Grünen-Politiker.
Der Büroleiter wurde bereits am Dienstag verhaftet, er soll seit 2007 drei Mädchen und einen Jungen mehr als 160-mal missbraucht haben. Die Kinder waren zum Zeitpunkt der möglichen Taten zwischen sechs und zwölf Jahre alt. Seit gestern sitzt der Beschuldigte in Untersuchungshaft.
„Wir sind alle erschüttert“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckhardt. „Kindesmissbrauch ist ein furchtbares Verbrechen, das natürlich in aller Härte juristisch geahndet werden muss“, sagte sie in Berlin auf einer Pressekonferenz, bei der die neugewählte Fraktionsspitze eigentlich ihre politischen Ziele vorstellen wollte. Man sei froh, dass Koenigs rasch auf den Hinweis reagiert habe und den anonymen Brief umgehend der Polizei übergeben habe.
Die Grünen stehen seit Wochen wegen Vorwürfen zur Duldung von Pädophilie in ihrer Gründerzeit unter Druck. Göring-Eckardt bemühte sich, den aktuellen Fall von der schwelenden Debatte zu trennen. Man könne nicht „Vorwürfe, die zu Recht in Bezug auf die Vergangenheit der Grünen vorgebracht werden, in Zusammenhang bringen mit einem Fall von staatsanwaltlichen Ermittlungen, die von uns selbst angestoßen worden sind“, sagte sie.
„Widerwärtige Verbrechen“
Die jüngsten Anschuldigungen könnten zudem die anstehenden Sondierungsgespräche mit der Union überschatten. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: „Ob die CSU aufgrund widerwärtiger Verbrechen, die ein Mitglied unserer Partei begangen hat, das in Koalitionsverhandlungen mischt, das vermag ich nicht zu beurteilen.“
Die Grünen hatten im Mai den Politikwissenschaftler Franz Walter damit beauftragt, die Verstrickungen der Partei mit pädophilen Aktivisten Anfang der 80er-Jahre zu untersuchen. Das Thema belastete den Bundestagswahlkampf der Grünen, als bekannt wurde, dass Spitzenkandidat Jürgen Trittin 1981 entsprechende Forderungen in einem Göttinger Kommunalwahlprogramm mit unterzeichnet hatte.