Herne. . Der IT-Dienstleister Atos hat ein ehrgeiziges Ziel. Er will die firmeninternen E-Mails abschaffen. Auch in der Herner Niederlassung läuft das Projekt. Atos entwickelt eine Alternative zum Zeitfresser E-Mail. Stattdessen soll es eine Art Facebook für Firmen geben, in dem Wissen gebündelt wird.
Philipp Langer und Annika Dietrich sind Ambassadoren, im Deutschen könnte man sie als Botschafter bezeichnen. Ihre Mission ist kühn und auf den ersten Blick ziemlich überraschend: Langer und Dietrich wollen dazu beitragen, die E-Mail abzuschaffen.
Der Hintergrund: Beide arbeiten bei der Herner Niederlassung des französischen IT-Dienstleistungskonzern Atos. Dessen Chef Thierry Breton will die Flut der firmeninternen E-Mails nicht nur eindämmen, sondern gänzlich trocken lege: Null E-Mails lautet das Ziel. Ziemlich ehrgeizig, Atos-Sprecher Stefan Pieper schätzt, dass im Unternehmen pro Tag deutlich über eine Million Mails verschickt werden.
20 Stunden Stunden in der Woche zur Bearbeitung von E-Mails
Schildern die beiden Herner Botschafter ihre Erlebnisse mit der elektronischen Post, erscheint deren Mission nicht mehr überraschend, sondern überfällig. „Pro Woche benötige ich bis zu 20 Stunden, um meine E-Mails zu bearbeiten“, nennt Dietrich eine Zahl. 20 Stunden, in denen ihre Arbeitskraft für andere Dinge nicht zur Verfügung steht. Nach einem Urlaub sei es noch schlimmer: Um das Postfach aufzuräumen, seien drei bis vier Stunden erforderlich. Hinzu kämen banale Mails wie die Verabredung für den Kantinenbesuch oder Weiterleitungsmails, bei denen sich erst nach lästigem Scrollen ganz unten der Sinn erschließe.
Dietrichs und Langers Fazit: „E-Mails stören die Konzentration, wenn man nur mal schnell eine Mail schreiben will, dauert es am Ende doch länger.“ Eine Einschätzung, die durch Studien unterfüttert wird. Britische Wissenschaftler kamen zu dem Resultat, dass Mitarbeiter nach dem Lesen einer E-Mail mehr als eine Minute benötigen, um zu ihrer Arbeit zurückzukehren.
Soziales Netzwerk anstatt E-Mails
Stellt sich nach der Bestandsaufnahme die Frage nach der Alternative. Die Antwort lautet: ein soziales Netzwerk, so etwas wie Facebook für Firmen. Bei Atos heißt es „Blue Kiwi“.
Die Idee dahinter: Ein Dokument wird an einer Stelle bereit gestellt, an der alle Mitarbeiter daran arbeiten können. „Es geht darum, möglichst viel Wissen zentral bereit zu stellen“, erläutert Pieper das Prinzip. Zurzeit befindet sich Atos in Herne in der Pilotphase. Die Botschafter sollen den Wandel den Kollegen näher bringen, damit diese ihr Verhalten langsam ändern. „Wenn einer anfängt, färbt es irgendwann auf die anderen ab“, stellen Langer und Dietrich fest.
Ob die E-Mail bei Atos ausstirbt? Die Botschafter sehen es so: Sie sollte auf das wirklich nötigste Maß reduziert werden und nahe Null liegen. Als Vergleich bietet sich das Fax an. Das ist auch nicht komplett untergegangen, aber es nutzt niemand mehr.