Berlin. Erst als neue Hoffnung der Finanzwelt gefeiert, nun tief gestürzt: Technische Probleme stellen das Experiment der Internet-Kunstwährung Bitcoin in Frage. Das Vertrauen ist erst einmal massiv beschädigt. Zuvor war die künstliche Währung in der internationalen Finanzwelt hoch gelobt worden.

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Die digitale Kunstwährung Bitcoin sollte so sein wie das Internet: dezentral, keiner Kontrolle unterworfen, selbstregulierend und anonym. Lange Zeit als "Hacker-Währung" belächelt, fanden Bitcoins unter dem Eindruck der Eurokrise zuletzt zunehmend die Beachtung der internationalen Finanzwelt. Jetzt aber ist der Kurs am Mittwoch binnen Stunden um 60 Prozent abgestürzt, Anleger verloren reales Geld. Das Vertrauen ist massiv beschädigt, zumal der Betreiber der größten Bitcoin-Börse technische Probleme einräumen musste. Erstmals kam es zu Panik-Verkäufen.

"Diese deutlichen Kursschwankungen sind schädlich für die Akzeptanz von Bitcoins als Zahlungsmittel", sagt Ulrich Leuchtmann, Leiter der Devisenanalyse bei der Commerzbank, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Wenn diese Schwankungen so hoch bleiben, werden Bitcoins nie als Transaktionsmittel taugen und langfristig keine Zukunft haben."

Alle wollten nun so schnell wie möglich ihre Bitcoins abstoßen, um die befürchteten Verluste zu begrenzen. Die Transaktionen lassen sich im Internet beobachten, auf der Webseite blockchain.info. "Da gab es riesige Verkäufe, oft in Paketen von 50.000 oder 60.000 Dollar", beobachtete der britische Analyst und Technik-Blogger Matt Baxter-Reynolds. Die Zeit für die Abwicklung einer Transaktion habe immer länger gedauert. "Das ist sehr Besorgnis erregend, ich kann da kein Vertrauen haben", sagte Baxter-Reynolds.

Erfinder der Bitcoins ist nur unter anonymen Namen bekannt

Die technische Plattform der größten Bitcoin-Börse Mt. Gox war zeitweise so überlastet, dass manche wie schon im März einen neuerlichen Hacker-Angriff vermuteten - bei einer solchen DDoS-Attacke werden Webseiten mit Unmengen von Datenanfragen geflutet, dass sie nicht mehr erreichbar sind. "Wir waren gestern abend nicht Opfer einer DDoS-Attacke, sondern Opfer unseres eigenen Erfolgs", erklärte jedoch der Betreiber von Mt. Gox in einem Facebook-Eintrag. Die Zahl der Bitcoin-Transaktionen habe sich innerhalb von 24 Stunden verdreifacht. Jetzt sollen neue Server installiert werden, um die Bitcoin-Geschäfte stabiler abwickeln zu können.

Geldwirtschaft funktioniert nur mit Vertrauen - bei staatlich garantierten Währungen sorgt die Zentralbank dafür. Bei den Bitcoins aber gibt es eben keine derartige Autorität, selbst ihr Erfinder ist nur mit seinem anonymen Netznamen Satoshi Nakamoto bekannt. Für das Vertrauen in Bitcoins sorgt eine Verschlüsselungstechnik, die so zeit- und rechenaufwendig ist, dass jedes Kopieren unmöglich ist.

Die Zahl der so erzeugten Geldeinheiten ist auf 21 Millionen begrenzt. Bitcoins sind dadurch so knapp wie Gold. Damit aber gibt es keine Möglichkeit, mit einer flexiblen Steuerung der Geldmenge für Preisstabilität zu sorgen.

Große Banken machen großen Bogen um die Kunstwährung

In der realen Wirtschaft bestätigt der Crash des Bitcoin-Kurses (BTC) von 266 auf 105 Dollar die vorherrschende Skepsis. "Bitcoins sind selbst nach Ansicht der Macher ein experimentelles Zahlungsmittel", sagt der Social-Media-Experte des Wirtschaftsverbands Bitkom, Tobias Arns. "Solche Kursschwankungen, wie wir sie in den vergangenen Tagen gesehen haben, sind deshalb nicht überraschend."

Kurz vor dem Crash schrieb am Mittwoch der Währungsanalyst Christopher Vecchio für den Fachdienst "Daily FX", nach der Zypern-Krise gebe es den "Wunsch nach einem alternativen Investment-Vehikel, um Geld in der entwickelten Welt zu bewegen". Diese Rolle werde üblicherweise von Edelmetallen wie Gold und Silber erfüllt. Jetzt aber seien die Bitcoins als neue Möglichkeit ins Spiel gekommen.

"Es gibt Marktteilnehmer, die von dem verschreckt sind, was im Euro-Raum passiert", stimmt Commerzbank-Experte Leuchtmann zu. Hinzu komme die zuletzt "ungewöhnliche Geldpolitik" der US-Notenbank und der Bank of Japan. So haben vermutlich auch Investmentfonds bereits kleinere Bitcoin-Bestände erworben. Die großen Banken aber machen bislang einen weiten Bogen um die Kunstwährung. (dpa)