Düsseldorf/Herne. Die Witwe eines KZ-Überlebenden bekommt eine lebenslange Beihilfe von 600 Euro im Monat. Das hat die Bezirksregierung Düsseldorf zugesagt. Nach dem Tod hatte die Bezirksregierung Düsseldorf den krankheitsbedingten Anspruch des Mannes infrage gestellt.
Eva B. ist gar nicht erst nach Düsseldorf ins Landgericht gekommen. Die 62-jährige Frau, Witwe eines KZ-Überlebenden, erholt sich daheim in Niederbayern von einer schweren Operation. Aber ihr Anwalt Stefan Metz will ihr später am Telefon eine gute Nachricht überbringen: Die Düsseldorfer Bezirksregierung bietet ihr rückwirkend ab März 2009 eine lebenslängliche Witwenbeihilfe von 600 Euro an und will eine rechtliche Möglichkeit finden, zusätzlich ihre Krankenversorgung zu übernehmen. Akzeptiert sie den Vergleich, wäre es das Ende in einer hässlichen Auseinandersetzung mit der Behörde.
Deren Chefin Anne Lütkes erschien selbst im Gerichtssaal, um eine Einigung zu erzwingen und versprach, sämtliche strittigen Fälle ähnlicher Prägung in ihrem Hause so schnell wie möglich zu überprüfen. Ihr Ziel sei es Vergleiche zu finden, sagte die Düsseldorfer Regierungspräsidentin. „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen sich, die rechtlichen Möglichkeiten zugunsten der Hinterbliebenen auszuschöpfen.“ Der Frage, warum Eva B. seit drei Jahren vor Gericht um ihr Geld kämpfen muss, wich sie aus: „Ich bin persönlich hierher gekommen, um es zu regeln.“
Anton B. überlebte Ausschwitz als einziges von elf Geschwistern
Die Bezirksregierung verweigerte der Frau, die von Grundsicherung lebt, seit 2009 eine Witwenrente in Höhe von 900 Euro. Damals starb ihr Mann Anton aus Herne. Er war 85. Der Sinto hatte als einziges von elf Geschwistern Auschwitz überlebt. 1957 bewilligten ihm die Behörden eine Opferrente, nachdem Ärzte ein Herzleiden bei ihm diagnostiert hatten. Er sei „verfolgungsbedingt zu 70 Prozent erwerbsunfähig“. Für die Mediziner eine Folge seines Leidens im KZ.
Dass der Tod jedoch darauf zurückzuführen sei, zweifelten Gutachter an, als Eva B. den Antrag auf Witwenrente stellte. Die Behörde war nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) gezwungen, den Vorgang neu zu prüfen und zu bewerten. Bei einer Erwerbsunfähigkeit von mindestens 70 Prozent hätte die Behörde laut Gericht allerdings Ermessensspielräume gehabt. Doch plötzlich stellte sie auch die Höhe der Erwerbsunfähigkeit in Frage. „Das“, formulierte Richter Klaus Röttgers in aller Vorsicht, „ist für die Klägerin sehr irritierend gewesen.“
Holocausts-Opfer schlechter gestellt als Hinterbliebene von Wehrmachtssoldaten
Für Arnold Rossberg, den Justitiar des Zentralrats der Sinti und Roma, ist es eine Ungeheuerlichkeit: „Hier wird eine Ablehnungspraxis etabliert, die skandalös und verfassungswidrig ist“, sagte er. Opfer des Holocausts würden schlechter gestellt als Hinterbliebene von Wehrmachtssoldaten, für die das Bundesversorgungsgesetz gilt. „Deren Angaben“, so Rossberg, „unterliegen dem Vertrauensschutz und werden nicht mehr überprüft.“ Diese Ungerechtigkeit müsse der Gesetzgeber beseitigen.
Dafür will sich auch Anne Lütkes einsetzen: „Der aktuelle Fall zeigt, dass die Rechtslage derzeit in mancher Hinsicht nicht gerecht ist.“ Sie wolle auch mit Blick auf ihre persönliche Familiengeschichte die bundesweite Debatte zu einer Reform des Entschädigungsgesetzes voranbringen. Lütkes stammt aus einer Familie, die nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen verfolgt wurde.