Herne/Düsseldorf. . Anton B. hat Auschwitz überlebt - als Einziges von elf Geschwistern. Als Folge der Internierung litt er bis zu seinem Tod 2009 an einem Herzleiden. Die Opferrente, die er bekam, geht jedoch nicht auf seine Witwe über. Die Bezirksregierung Düsseldorf zweifelt die ärztlichen Dokumente von damals an.
Als Einziges von elf Geschwistern überlebte Anton B. aus Herne das Konzentrationslager Auschwitz. 1957 stellten Ärzte ein Herzleiden bei dem Sinto fest – eine Folge der Lager-Internierung, diagnostizierten die Mediziner damals. Daher bekam Anton B. eine Opferrente, bis er im Jahr 2009 85-jährig starb. Seine Ehefrau (62) beantragte Witwenrente – diese verweigert ihr die Bezirksregierung Düsseldorf jedoch.
Die Behörde zweifelt die ärztlichen Dokumente, die 1957 ein Herzleiden als Folge des Aufenthalts im Konzentrationslager Auschwitz bei Anton B. feststellten, nachträglich an. Ob die Herz-Erkrankung tatsächlich auf die KZ-Internierung zurückzuführen sei, sei nicht mit letzter Sicherheit zu sagen und damit sei auch kein Anspruch auf die Witwen-Rente vorhanden.
Ungleichbehandlung sei „unfassbar“
Die Bezirksregierung habe „keinen Ermessensspielraum“ in diesem Fall gesehen, erklärt das nordrhein-westfälische Innenministerium. Allein mit der Anzweiflung der ärztlichen Dokumente aus den 50er-Jahren käme es zu einer Ungleichbehandlung von Opfern und Tätern der NS-Zeit, die „unfassbar“ sei, meint dagegen Arnold Roßberg, Justiziar des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.
Während das Bundesversorgungsgesetz (BVG) für die Ansprüche der Angehörigen von Soldaten zuständig ist, regelt das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) die Versorgung der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Laut BEG erhält die Witwe eines Verfolgten eine Rente, wenn der Zusammenhang zwischen dem Tod und dem durch die Verfolgung entstandenen Schaden wahrscheinlich ist (§41 BEG Abs. 2).
Überprüfung gibt es bei Angehöriger von SS-Soldaten nicht
Allein wegen dieser Regelung müsste die Witwe von Anton B. die Rente zugesprochen bekommen, meint Roßberg: „Das Herzleiden wurde damals als Folge des Auschwitz-Aufenthaltes dokumentiert und Anton B. ist bei einer Herz-Operation gestorben.“ In dem Text des BEG fehlt jedoch der Hinweis, der im BVG eindeutig ist: Wenn die Todesursache einmal zweifelsfrei als Folge der Schädigung anerkannt worden ist, und wenn eine Rente gezahlt wurde, dann ist diese Entscheidung nicht mehr anfechtbar.
Eine erneute Überprüfung der alten Dokumente, wie sie jetzt bei Anton B. stattfand, sei bei Witwen von SS-Angehörigen damit nicht erlaubt. „Das heißt, die Witwe eines im KZ tätigen SS-Mannes hätte bei ähnlicher Konstellation einen unbestreitbaren Anspruch auf Hinterbliebenenrente“, so der Vorstand des Zentralrates in einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), in dem er sie auffordert, „korrigierend in den Fall einzugreifen“. Der jetzige Rechtszustand sei nicht akzeptabel.
Am 7. August wird der Fall vor dem Düsseldorfer Landgericht verhandelt; das Urteil wird im September erwartet.