Herne. . Am Dienstag starteten rund 600 Herner Schüler ins Zentral-Abitur. Fünf Jahre, nachdem das Zentralabitur in Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde, gingen die meisten Prüflinge gelassen in ihre Klausuren.
Giuseppe Veronese weiß, worum es geht: Dreieinhalb Stunden Deutsch-Grundkurs liegen vor ihm, jetzt muss er darauf hoffen, dass er das Richtige gelernt hat. Drei Aufgaben stehen zur Auswahl, er entscheidet sich für einen Auszug aus einem Roman von Wolfgang Koeppen, „Tauben im Gras“.
Der 20-Jährige war einer von 47 Schülern der Gesamtschule Erich Fried, für die am Dienstag die Abiturprüfungen begannen.
Um halb eins öffnet Veronese die Tür des Klassenzimmers – die erste Hürde zum Abi hat er geschafft. Wie’s gelaufen sei? Och, sagt Veronese, „ich war ordentlich vorbereitet. Zu Deutsch kann man zum Glück immer irgendwas schreiben.“
Immer mehr Abiturienten
103 junge Frauen und Männer sind an der Erich Fried und den anderen Herner Gesamtschulen im Abistress, 481 an den Gymnasien. Viel hat sich verändert, seit Walter Großmann (63) Abitur gemacht hat. Das war 1968. Damals, sagt der Oberstufenleiter der Erich Fried, gingen vielleicht acht Prozent der Schüler aufs Gymnasium, die meisten besuchten eine Hauptschule. Heute macht gut ein Drittel der Herner Abitur: 2011 waren es 34,1 Prozent. Der „2. Herner Bildungsbericht“ bestätigt Großmanns Einschätzung: Auch wenn die Abi-Quote in dieser Stadt im NRW-Vergleich nach wie vor unterdurchschnittlich sei, gebe es immer mehr Abiturienten.
Notendurchschnitt ist besser geworden
Daran hat auch das Zentralabitur nichts geändert, das die Landesregierung 2007 in ganz Nordrhein-Westfalen eingeführt hat. Die Prüfungsaufgaben seien seitdem anspruchsvoller geworden, sagen viele, die sich professionell mit der Schullandschaft auseinandersetzen. Walter Großmann kann das nicht bestätigen. Der Notenschnitt an der Erich Fried sei seit 2007 sogar leicht besser geworden, und die meisten Schüler gäben nach der Prüfung zu Protokoll, sie hätten sie sich schwieriger vorgestellt. Offenbar ist es hilfreich, die Prinzipien zu kennen. So wie Giuseppe Veronese, der Schüler aus dem Deutsch-Grundkurs. In seiner Wahlaufgabe sollte er den „zeitgeschichtlichen Hintergrund“ von Koeppens „Tauben im Gras“ darstellen. Kein immenses Problem für den 20-Jährigen: „Bei solchen Aufgaben geht’s doch immer um die NS-Zeit.“ Am 7. Mai werden die Aufgaben allerdings anders lauten. Dann steht die letzte Klausur an – in Chemie.
Übrigens: Gespickt werde in den Prüfungen nicht, da ist sich Walter Großmann ziemlich sicher. Das sehe man schon daran, dass an der Grabenstraße in den letzten Jahren niemand erwischt worden sei. Schließlich wüssten die Schüler ja um die Konsequenzen – im schlimmsten Fall droht der Ausschluss vom Abi. Wie hoch die Spickerquote sei? „Die können Sie vergessen.“ Denn ihre Handys müssten die Schüler ja abgeben. Ob denn ihre Hosentaschen kontrolliert würden? Nein, sagt Großmann, „Leibesvisitationen führen wir nicht durch“.