Herne. Stammkneipe und traditionelle Küche treffen in der „Zille“ aufeinander. Wie es in dem Restaurant in Herne-Mitte schmeckt - unsere Gastrokritik.
Um das einfache Volk studieren zu können, soll der Maler Heinrich Zille (1858-1929) im Berlin um die Jahrhundertwende regelmäßig in seine Stammkneipe gegangen sein. Bei gut-bürgerlichem Essen ließ sich das Milieu schließlich besonders gut unter die Lupe nehmen. In der Herner „Zille“, die sich vom Berliner Konzept inspirieren ließ, würde sich der „Pinselheinrich“ sicherlich auch heute noch wohlfühlen. Dort treffen Stammkneipe und traditionelle Küche aufeinander.
Atmosphäre:
Wer im Kulturzentrum oder in der Volkshochschule war, ist bestimmt an der Zille vorbeigelaufen. Das eindrückliche Logo des Restaurants fällt schon von weitem auf. Durch den überdachten Außenbereich (den gibt es seit 2022!) geht es in einen kleinen Flur, von dem zwei Türen abzweigen, die mit Gastraum und Brasserie überschrieben sind. Wir entscheiden uns für den Gastraum und treten in eine typische Kneipe: Große Theke, dunkle Holztische, gepolsterte Stühle und Sitzbänke empfangen die Gäste.
Gemauerte, weiße und mit dunklem Holz vertäfelte Wände bestimmen das Bild. An Schiffslampen angelehnte große Lampenschirme sorgen für ein angenehmes Licht. An den Wänden hängen Blechschilder mit alter Zigarettenwerbung und zahlreiche Bilder von Heinrich Zille. Alte Pfaff-Nähmaschinen, ein alter Bettwärmer und weitere Deko-Gegenstände runden die Zeitreise in die Vergangenheit ab. Es ist gemütlich. Schaut man an der Theke vorbei um die Ecke, zu der sich die zweite Tür geöffnet hätte, ist man erstaunt, was ein bisschen Farbe ausmacht. Die Brasserie wirkt wesentlich heller und moderner. Auch hier finden sich gemauerte und weiße Wände, aber keine Holzvertäfelung. Dafür eine rote Wand mit indirekter Beleuchtung. Die Tischdeko in beiden Teilen der Zille ist der Saison angepasst. Neben Blume und Teelicht stehen Keramik-Osterhasen auf den Tischen.
Service:
Es ist gut was los an diesem Dienstagabend, sodass die Kellnerinnen beschäftigt sind, als wir eintreten. Trotzdem müssen wir nicht lange warten und dürfen uns einen Tisch auswählen. Wir entscheiden uns für einen im Gastraum. Eine Kellnerin bringt uns die Speisekarten und nimmt zügig die Getränke auf, die kurze Zeit später schon auf dem Tisch stehen. Gleiches gilt für die Vorspeise, die nur wenige Minuten auf sich warten lässt. Die Kellnerinnen sind aufmerksam und sehr freundlich, geben gerne Auskunft über die Zille und den hauseigenen Schokoladen-Pralinen-Likör und ermöglichen problemlos die Wünsche der Gäste.
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Angebot:
Die Speisekarte bietet eine große Bandbreite traditioneller deutscher Speisen aus verschiedenen Regionen. So gibt es „Himmel und Erde“, Bayrischen Leberkäse oder Kalbsleber „Berliner Art“. Die Speisen sind nach klassischer Pott-Mundart sortiert, sodass jeder sofort weiß, was ihn erwartet, wenn er etwas aus der Reihe „Wie bei Mutta“ bestellt. Die Karte wird durch eine Mittags- und eine saisonale Karte ergänzt. Bei den Vorspeisen gibt es die Wahl unter anderem zwischen Gulaschsuppe „Zille“ mit Baguette (5,30 Euro), Alice (frittierte Sardellen mit Aioli; 11,90 Euro) oder Scampi „Aioli“ (16,90 Euro).
Für „die Kleenen“ gibt es zwei Gerichte zu je 8,90 Euro. Die Hauptgänge liegen preislich zwischen 10,90 Euro, Folienkartoffel mit kleinem Salat-Bouquet, und 39,90 Euro, Rinderfilet mit Trüffel-Öl mit Salatbouquet und Wedges. Auf der Karte finden sich zudem Salate, Fischgerichte und vegetarische Alternativen. Wir entscheiden uns für die Französische Zwiebelsuppe mit Käsebaguette in der Terrine zum Teilen (7,90 Euro) sowie „Himmel und Erde“ (15,90 Euro) und „Krüstchen“ mit Spiegelei, Pommes und Salat (17,50 Euro).
Geschmack:
Die Vorspeise kann wirklich überzeugen. Die Zwiebeln sind perfekt eingekocht und das dazu gereichte Käsebrot rundet den Geschmack ab. Ich habe schon lange keine so leckere Zwiebelsuppe mehr gegessen. Die Portion ist für zwei Personen als Vorspeise perfekt. „Himmel und Erde“ kommt auf einem schwarz-marmorierten Teller und ist äußerst ansprechend angerichtet. Zuunterst befindet sich ein „Streifen“ Kartoffelpüree, bestreut mit frischer Petersilie. Darüber sind – ebenfalls in einer Reihe – die gebratenen Blutwurstscheiben angeordnet. In der nächsten Reihe sind die gerösteten Zwiebeln und zum Schluss gebratene Apfelringe. Schon beim Hinstellen riecht das Gericht fantastisch und hält dieses Versprechen beim Verkosten ein. Das Püree ist fluffig, das Fleisch genau richtig gebraten und die geschmorten Zwiebeln sind einfach „himmlisch“. Dadurch, dass der Apfel hier nicht als Mus serviert wird, sondern in Ringen gebraten, kommt noch mal eine eigene Geschmackskomponente hinzu.
Auch das Krüstchen kann überzeugen. Die Schnitzelchen sind perfekt gebraten, die Panade ist knusprig und kein bisschen fettig. Die Pommes sind ebenfalls lecker und schön knusprig. Einziger Minuspunkt: Die zusätzlich gereichte Mayonnaise aus der Tüte kann nicht überzeugen. Aber das Gericht schmeckt auch ohne. Die dazu gereichten Beilagensalate sind schmackhaft mit Dressing angerichtet.
Nach einer kleinen Kunstpause mit Espresso und einem „Schoki“, der übrigens wirklich schokoladig lecker ist, teilen wir uns noch eine Portion Apfelküchle mit einer Kugel Walnusseis und Vanillesauce zum Dessert. Auch hier gibt es nichts zu meckern. Die Küchlein sind gut ausgebacken und die Kombination ist einfach lecker.
Fazit:
Die Qualität der Speisen und das gemütliche Ambiente der Zille überzeugen. Die zahlreichen Bilder und auch Sprüche des Künstlers an den Wänden sorgen für Gesprächsstoff. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist in Anbetracht der ordentlichen Portionsgrößen und der Qualität der Zutaten sehr gut. Das Personal ist aufmerksam und freundlich. Einziges kleines Manko ist die Dessertkarte, die zum Großteil aus Eis besteht. Es gibt auch Waffeln und Apfelküchle – etwas mehr Regionalität bei den Nachspeisen hätte gut ins Konzept gepasst. Alles in allem aber eine unbedingte Empfehlung.
Bewertung:
Geschmack: 4 von 5
Atmosphäre: 5 von 5
Service: 5 von 5
Preis-Leistungs-Verhältnis: 5 von 5
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Weitere Informationen:
Restaurant Zille, Willi-Pohlmann-Platz 1, 44623 Herne, Telefon 02323 50170. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag
12 bis ca. 22 Uhr. Die Küche hat - außer bei Konzerten im Kulturzentrum - bis 21 Uhr geöffnet. Montag ist Ruhetag. Weitere Informationen, darunter auch die Speisekarte auf der Internetseite der Zille: https://www.zille-herne.de.
Hinweis der Redaktion: Diese Gastro-Kritik entspricht dem subjektiven Geschmacksurteil des Verfassers oder der Verfasserin. Bei unseren Tests geben wir uns nicht zu erkennen, bewerten unabhängig und bezahlen das Essen selbst.