Herne. Die Herner Schuldnerberatung hat ihre Bilanz 2023 vorgelegt. Eine Erkenntnis: Inflation und Zinsen bereiten selbst Eigenheimbesitzern Sorge.

Die Herner Schuldnerberatung hat ihren Jahresbericht für das Jahr 2023 vorgelegt. In vielerlei Hinsicht gleichen sich die wenig erbaulichen Zahlen jenen aus den Vorjahren, die Verschiebungen fallen minimal aus. Doch Leiterin Andrea Leyk stellt Veränderungen bei den Mandanten fest. „Es kommen teilweise ganz normale Leute.“ Zum Beispiel Häuslebauer.

Die konnten sich vor rund zehn Jahren den Traum vom Eigenheim erfüllen, weil auf die Kredite kaum Zinsen fällig wurden. Doch viele Darlehensverträge enden nach zehn Jahren, bei den Anschlussverträgen werden deutlich mehr Zinsen fällig - und bringen womöglich das gesamte finanzielle Gebäude ins Wanken, zumal die Kosten für Energie gestiegen seien. „Vielleicht muss der ein oder andere sein Haus sogar verkaufen“, so Leyk. Noch seien es Einzelfälle, die Menschen zur Schuldnerberatung brächten.

Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung Herne, stellt fest, dass sich das Klientel der Ratsuchenden verändert.
Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung Herne, stellt fest, dass sich das Klientel der Ratsuchenden verändert. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Eine Befürchtung, die Leyk im vergangenen Jahr geäußert hatte, ist nicht eingetreten: dass Menschen mit einem mittleren Einkommen von etwa 2000 Euro netto aufgrund von sehr hohen Nachzahlungsforderungen der Energieversorger bei der Schuldnerberatung Hilfe suchen. Leyk bestätigt, dass es diese Fälle gegeben hat, doch „da konnte noch viel durch staatliche Hilfsprogramme abgefedert werden“.

In Herne seien die Mittel aus dem Stärkungspakt NRW an den Verein „Herne hilft“ weitergeleitet. Dieser habe damit viele Familien unterstützen können, konkret: 400 im vergangenen Jahr. Doch dieses Programm sei inzwischen ausgelaufen. „Jetzt müssen wir abwarten, was passiert. Es kann sein, dass nun meine Befürchtungen aus dem vergangenen Jahr doch eintreten“, so Leyk.

Herner Überschuldungsquote doppelt so hoch wie im Bundesschnitt

Ein Blick auf einige ausgewählte Zahlen: Die Überschuldungsquote für Herne betrug im vergangenen Jahr 15,63 Prozent und war damit, wie im Vorjahr, fast doppelt so hoch wie die deutschlandweite Quote. In der Rangliste der Überschuldungsquoten für Deutschland nach Kreisen und kreisfreien Städten befindet sich Herne immer noch auf Platz 395 von 400 möglichen.

Die Ursachen der Überschuldung haben sich nicht verändert: Bei rund 38 Prozent der Ratsuchenden ist Arbeitslosigkeit die Ursache der Verschuldung. Weitere Hauptursachen sind unwirtschaftliche Haushaltsführung, Trennung und Scheidung, Erkrankung, Sucht sowie ein längerfristiges Niedrigeinkommen. Die Beratungsstelle hat im vergangenen Jahr 811 Menschen umfassend betreut, 2023 waren es noch 631.

Leiterin sieht ihr kleines Team thematisch gut aufgestellt

180 Fälle mehr in der intensiven Betreuung, das sei für eine recht kleine Beratungsstelle wie die Herner eine Herausforderung. Da helfe es, dass durch eine Personalveränderung die Stundenzahl aufgestockt werden konnte: von 78 Beratungsstunden in der Woche auf nun 99. „Wir schauen gerade mit dem evangelischen Kirchenkreis, ob wir weiter Personal aufstocken können, damit wir die Qualität sichern können.“ Im Großen und Ganzen sei die Beratungsstelle gut aufgestellt, weil im Team unter anderem ein Jurist und ein Betriebswirt vertreten seien, auch der soziale Bereich sei abgedeckt.

Für die Verfahren nahmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kontakt zu 9506 Gläubigern auf. Die Höhe der Gesamtverschuldung der Klientinnen und Klienten lag bei 24,799 Millionen Euro. Das entspricht einer Durchschnittsverschuldung von rund 36.523 Euro.

Mit rund 28 Prozent hat die größte Gruppe der Klientinnen und Klienten Schulden zwischen 20.000 und 50.000 Euro; mit rund 27 Prozent hat die Mehrzahl der Klienten mehr als 20 Gläubiger. Mit rund 24 Prozent bilden die Ratsuchenden der 30- bis 39-Jährigen die größte Gruppe, fast gleichauf mit der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen; ledige Ratsuchende waren mit rund 44 Prozent erneut am stärksten vertreten. Rund 76 Prozent der Ratsuchenden besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit; wie im Vorjahr ist die Mehrheit der Ratsuchenden auf den Bezug von Bürgergeld - ausschließlich oder ergänzend - angewiesen.