Herne. In Herne droht bei der Grundsteuer 2025 eine Kostenexplosion. Viele Mieter, vor allem aber Eigenheim-Besitzer, sollen deutlich mehr zahlen.

Mieterinnen und Mieter, vor allem aber Eigenheim-Besitzerinnen und -besitzer in Herne müssen sich auf eine Kostenexplosion einstellen. Hintergrund ist die Grundsteuerreform. Durch ein neues Berechnungsmodell für die Grundsteuer B, so kündigt Hernes Stadtdirektor Hans Werner Klee an, kommt es 2025 voraussichtlich zu großen Verschiebungen. Großer Gewinner wären demnach Unternehmen. Sie sollen deutlich weniger zahlen.

Die Stadt hat die Folgen der Grundsteuerreform nun berechnet. Besitzerinnen und Besitzer eines Mehrfamilienhauses müssten ab 1. Januar 2025 durchschnittlich 31 Prozent mehr für die Grundsteuer zahlen, sagte Stadtdirektor Klee bei einem Pressegespräch im Rathaus. Eine Beispielrechnung: Aktuell schlage ein Einfamilienhaus in Herne bei der Grundsteuer durchschnittlich mit 483 Euro zu Buche. Künftig seien es 634 Euro. Ein Zweifamilienhaus dürfte rund 22 Prozent teurer werden, eine Eigentumswohnung 11 Prozent, Mietwohnungen in Häusern ab drei Wohnungen um 7 Prozent. Betroffen wären von einer Steuererhöhung vor allem auch die Mieterinnen und Mieter: Gewöhnlich geben Hausbesitzerinnen und -besitzer die gestiegene Grundsteuer an sie weiter. Massiv entlastet würden durch die Reform in Herne dagegen Grundstücke von Firmen und Unternehmen. Sie müssten demnach durchschnittlich nur noch rund die Hälfte an Grundsteuer zahlen.

Die Stadt könne für die steigenden Kosten nichts, betont Klee. Er wolle sich den schwarzen Peter dafür auch gar nicht zuschieben lassen: „In diesem Spiel haben wir die Karten nicht in der Hand.“ Herr des Verfahrens sei das Land NRW. Das habe sich - im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern - für eine Berechnungsgrundlage entschieden, die die Bürgerinnen und Bürger zum Teil stark belaste, die Wirtschaft aber entlaste, kritisiert Klee. Warnungen aus den Kommunen, die auf diese Ungleichbehandlung hingewiesen hätten, habe das Land ignoriert. So auch eine Warnung aus Herne. Er wolle keine weitere Belastung für die Menschen. Weitere Erhöhungen der Grundsteuer B hatte er zuletzt immer abgelehnt, auch die Herner Politik war dagegen.

Herne: Überproportionale Belastung der Wohngrundstücke

Kritisiert das Land: Hernes Stadtdirektor und Kämmerer Hans Werner Klee.
Kritisiert das Land: Hernes Stadtdirektor und Kämmerer Hans Werner Klee. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Und wie kommt es durch die Berechnungsformel „Bundesmodell“ (siehe unten) zu den zum Teil happigen Erhöhungen bei der Grundsteuer? Die Reform, erklärt der Stadtdirektor, würde in Herne zu einem Grundsteuer-Ausfall von bis zu vier Millionen Euro jährlich führen. Das könne und dürfe sich die klamme Kommune nicht leisten. Gemeint ist: In den kommenden Jahren klaffen bereits jetzt riesige Millionenlöcher im städtischen Haushalt. Damit die Stadt zumindest die Grundsteuer-Erträge wie in den Vorjahren erreicht, müsste sie deshalb den Hebesatz - er ist die Berechnungsformel für die Grundsteuer - von 830 auf rund 933 Prozent anheben. Dies führe dann zu einer überproportionalen Belastung der Wohngrundstücke, insbesondere der Ein- und Zweifamilienhäuser.

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Die Stadt hofft, dass das Land auf der Zielgeraden noch einlenkt und die Berechnungsformel ändert oder sich für eine andere entscheidet. Betroffen seien auch viele andere Kommunen im Land. Neben diesen Städten und Gemeinden in NRW hätten auch kommunale Spitzenverbände die Landesregierung zuletzt mehrfach aufgefordert, das Bundesmodell zu ändern und die sogenannte Steuermesszahl für Geschäftsgrundstücke anzupassen, da diese offensichtlich zu niedrig gewählt worden sei. Vergeblich: Dies, so kritisiert die Stadt, habe das Land mit Verweis auf verfassungsrechtliche Bedenken und den hohen Verwaltungsaufwand bei der Finanzverwaltung abgelehnt. Bleibe es dabei, dann sei eine Erhöhung des Grundsteuer-Hebesatzes unausweichlich.

Als der Rat am Dienstagabend, 20. Februar, von Klee über die Folgen der Grundsteuerreform informiert wurde, reagierten die Ratsvertreterinnen und -vertreter mit Verwunderung, zum Teil Entsetzen. Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) kündigte an, dass sich die Kommunen noch einmal über den Städtetag beim Land für Änderungen einsetzen wollen.

>>> Warum eine Grundsteuerreform?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt. Grund: Das Berechnungsschema für die Grundsteuerwerte beruhte auf Zahlen aus dem Jahr 1964 beziehungsweise 1935 (neue Bundesländer) und konnte die aktuellen Wertverhältnisse nicht mehr abbilden. Der Bundestag hat daraufhin Ende 2019 ein Gesetz zur Grundsteuerreform verabschiedet. Dieses Gesetz gilt grundsätzlich bundesweit, jedoch hat der Gesetzgeber eine Klausel eingefügt, sodass einzelne Länder eigene Berechnungsmodelle entworfen haben. Nordrhein-Westfalen hat sich zusammen mit zehn anderen Bundesländern für das „Bundesmodell“ entschieden, so die Stadt.

Bei den Finanzämtern seien inzwischen über 90 Prozent der Steuererklärungen eingegangen, so das Rathaus. Grundstücke, für die noch keine Erklärungen abgegeben wurden, würden seit Oktober 2023 geschätzt. Auf dem Gebiet der Stadt Herne müssten insgesamt 40.000 Grundstücke bewertet werden. Die Erledigungsquote des Finanzamts Herne liege aktuell bei rund 86 Prozent.

Hinweis: In einer alten Version war auch von „Gewerbesteuerreform“ die Rede. Das ist falsch. Gemeint ist die Grundsteuerreform. Wir haben das korrigiert.