Herne. Nach einem von Protesten begleiteten Verfahren ist der Bau eines Herner Wohnviertels besiegelt worden. Wann es losgeht, was neu ist.

Auf dem ehemaligen Sportplatz Reichsstraße in Eickel werden Wohnungen und Eigenheime mit insgesamt 158 Einheiten sowie eine Tiefgarage mit mehr als 100 Plätzen gebaut. Zum Abschuss des knapp sechs Jahren langen und von Protesten begleiteten Verfahrens hat der Rat in seiner letzten Sitzung vor der Weihnachtspause den Plänen der Stadt mehrheitlich zugestimmt.

Damit ist der Weg frei für eine Bebauung des ehemaligen Sportplatzes mit Mehrfamilienhäusern und Eigenheimen. Im Frühjahr 2024 sollen die ersten vorbereitenden Arbeiten auf dem Areal erfolgen. Die ersten Häuser könnten voraussichtlich 2026/27 bezogen werden, so Planungsamts-Chef Achim Wixforth, der mit der Stadttochter SEG das Grundstück vermarktet hatte. Investoren sind die Sparkassen Herne und Dortmund.

In diesem Jahr soll es losgehen: Auf dem ehemaligen Sportplatz Reichsstraße in Eickel soll ein neues Wohnquartier entstehen.
In diesem Jahr soll es losgehen: Auf dem ehemaligen Sportplatz Reichsstraße in Eickel soll ein neues Wohnquartier entstehen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Neu ist, dass der Anteil des sozialen Wohnungsbaus erhöht werden soll. Ursprünglich war eine Quote von 25 Prozent geplant. Auf Anfrage der WAZ teilte die Stadt am Dienstag mit, dass von 141 Einheiten im Geschosswohnungsbau insgesamt 63 Wohnungen öffentlich gefördert und 78 frei finanziert werden sollen. Heißt: Für Normalverdiener soll mehr Wohnraum geschaffen werden als zunächst vorgesehen. Darüber hinaus seien 17 frei finanzierte Reihenhäuser geplant, so Stadtsprecherin Anja Gladisch.

Das Vorhaben ist trotzdem politisch umstritten. Vor der entscheidenden Abstimmung im Rat wurden die Fronten noch einmal sichtbar: SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski folgte dem (Haupt-)Argument der Verwaltung, dass auch in Herne die Nachfrage nach Wohnungen und entsprechend der Druck auf die Stadt immer größer werde. Und: Aus ökologischer Sicht sei die Bebauung „unbedenklich“. CDU, FDP und AfD stimmten ebenfalls für den Bebauungsplan, der den rechtlichen Rahmen für die Errichtung von Wohnungen und Eigenheimen schafft.

Grüne, Linkspartei und Piraten votierten gegen die Pläne. Die Stadt sorge hier wieder einmal für „Beinfreiheit für Investoren und Baulöwen“, erklärte die Linken-Stadtverordnete Klaudia Scholz und sprach von einem „ökologischen Super-GAU“. Und: Die vom Rat beschlossene Verkehrswende werde durch den Bau einer großen Tiefgarage zur Farce.

Peter Liedtke (Grüne) begründete im Rat die Ablehnung seiner Fraktion.
Peter Liedtke (Grüne) begründete im Rat die Ablehnung seiner Fraktion. © Grüne | Hartmut Bühler

Grünen-Ratsherr Peter Liedtke sagte, dass die Stadt hier eine gute Chance vertan habe, eine neue Grünverbindung zwischen Eickeler Park über einen begrünten Sportplatz Reichsstraße bis zum Königsgruber Park zu schaffen. Die Bebauung sei viel zu dicht, sagte der Ratsherr und zog einen Vergleich zum ehemaligen Sportplatz Schaeferstraße in Herne-Mitte: Dort entstünden 22 Wohneinheiten, an der Reichsstraße dagegen mehr als 150.

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So gut wie vom Tisch ist nach WAZ-Informationen eine Klage gegen die Baupläne der Stadt. Der im September gegründete Zusammenschluss von fünf Herner Bürgerinitiativen (BI) hatte entsprechende rechtliche Schritte angedroht. Aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) zu kommunalen Bebauungsplänen hatte die Herner Verwaltung das Verfahren zur Reichsstraße im Sommer selbst angehalten und bei einer Kanzlei ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Ergebnis: Das BVG-Urteil habe keine Auswirkungen auf den Ablauf der Planungen in Eickel, so die Botschaft von Baudezernent Karlheinz Friedrichs im Rat. Durch ein „Umswitchen“ auf einen anderen Paragrafen des Baugesetzbuches sei man rechtlich auf der sicheren Seite.

22 Wohneinheiten entstehen auf dem ehemaligen Sportplatz Schaeferstraße in Herne-Mitte, an der Reichsstraße sind es dagegen mehr als 140.
22 Wohneinheiten entstehen auf dem ehemaligen Sportplatz Schaeferstraße in Herne-Mitte, an der Reichsstraße sind es dagegen mehr als 140. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Doch auch ohne Klage will der Zusammenschluss der Initiativen (siehe auch unten) an der Reichsstraße am Ball bleiben. Angesichts der hohen Dichte der Bebauung stünden die Vermarktungsinteressen der SEG klar im Vordergrund, kritisiert BI-Sprecher Klaus Müller-Pfannenstiel auf Anfrage. Eine „angemessene Durchgrünung“ sei nicht vorgesehen. Und: Die geplante verkehrliche Erschließung des Wohngebiets über die viel zu schmale Bonifatiusstraße sei sehr problematisch und führe zu hohen Lärmbelastungen für Anwohnerinnen und Anwohner. Hier sei eine alternative Lösung erforderlich.

Eine ähnlich dichte Bebauung ohne angemessene Begrünung und Klimaanpassung drohe im Übrigen auch für den Bebauungsplan der Stadt an der Bielefelder Straße, so Müller-Pfannenstiel. Wie berichtet, will das Unternehmen Deutsche Reihenhaus auf der Fläche in Wanne-Süd 32 standardisierte Reihenhäuser sowie 10 Doppelhaushälften bauen. Die ersten Bewohnerinnen und Bewohner sollen 2027 einziehen.

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>>> Vereinsgründung der Bürgerinitiativen erfolgt Ende Januar

  • Der Zusammenschluss der fünf Herner Bürgerinitiativen zu einem gemeinnützigen Verein erfolge offiziell Ende Januar, so Sprecher Klaus Müller-Pfannenstiel. Dann werde auch ein Vorstand gewählt.
  • Der XXL-Initiative gehören Mitglieder der fünf Bürgerinitiativen Vödestraße, Funkenbergquartier, Reichsstraße, Zechenweg und Stadtwald an. Durch den Zusammenschluss wollen sie ihre Kräfte bündeln beim Kampf um den Erhalt bzw. die Verbesserung „einer lebenswerten und klimagerechten Umwelt“.