Herne. Der schleichende Absturz Michelle Münteferings (SPD) setzte sich fort. Welcher Herner Politiker Gewinner des Jahres ist, was sonst noch auffiel.
Nach der Kommunalwahl 2020, der Bundestagswahl 2021 und der Landtagswahl 2022 konnten die Herner Parteien durchschnaufen - mussten sie doch 2023 nicht um Stimmen von Wählerinnen und Wähler kämpfen. Trotzdem gibt es einiges über das politische Jahr zu berichten.
Die Verliererin: Michelle Müntefering
Der schleichende Absturz von Ex-Staatsministerin Michelle Münteferings seit der Bundestagswahl setzte sich 2023 fort. Einen herben Rückschlag für ihre Kandidatur zum Europaparlament musste die 43-Jährige bei der Nominierungsrunde der SPD-Region Westliches Westfalen hinnehmen, als sie der relativ unbekannten Europaabgeordneten Birgit Sippel (63) knapp unterlag. Ihre von der Herner SPD unterstützte Direktkandidatur ist damit offenbar vom Tisch. Dass sie sich trotzdem noch Hoffnung auf die Fortsetzung ihrer politischen Karriere machen kann, hat sie dem Bundesvorstand zu verdanken, der sie als Ersatzkandidatin für die SPD-Spitzenfrau zur Europawahl - Katarina Barley - vorschlug. Wenn die Delegierten diesem Vorschlag beim SPD-Parteitag in Berlin folgen, wird Müntefering zur Kandidatin im Wartestand. Denn: Sie würde nur ins EU-Parlament nachrücken, wenn Barley persönlich ausscheidet.
Besser lief es in der SPD für Hendrik Bollmann (40), der bei der ersten Wiederwahl als Herner Parteichef seine Zustimmungswerte sogar noch leicht steigern konnte (von 87 auf 88,2 Prozent). Auch wenn er das nach wie vor offen lässt: Innerhalb der Partei zweifelt niemand mehr daran, dass Bollmann bei der Bundestagswahl 2025 im Herner Wahlkreis antreten wird.
Der Gewinner: Christoph Bußmann
2022 löste er Timon Radicke als CDU-Kreisvorsitzender ab, 2023 beerbte Christoph Bußmann seinen innerparteilichen Kontrahenten nach dessen Rückzug aus dem Rat auch noch an der Spitze der Fraktion. Gemessen daran, dass Bußmann 2020 den Sprung in den Rat verpasst hatte, ist das ein geradezu kometenhafter Aufstieg, an dem nicht zuletzt der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende Markus Schlüter einen nicht unerheblichen Anteil haben soll.
Ob der 35-Jährige auch künftig ein Gewinner sein wird, muss sich noch zeigen. Die ersten echten Nagelproben warten 2024 auf ihn, nämlich: bei der personellen Weichenstellung innerhalb der CDU für die Kommunalwahl 2025 und beim Europawahlkampf.
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Und sonst?
Die Grünen finden trotz ihres starken Mitgliederzuwachses in Herne nach außen weiterhin nicht als Partei, sondern fast ausschließlich durch ihre Mandatsträger im Rat und in den Bezirken statt. Die Linkspartei kämpft auch in Herne ums Überleben und um einen (2020 verpennten) personellen Neuanfang. Und die Herner AfD, die sich seit vielen Jahren sehr gekonnt durch interne Grabenkämpfe selbst zerlegt, kann sich sogar (fast) ein wenig als Gewinner fühlen - verlor sie 2023 im Rat und in den Bezirken mit Robert Tews (Bezirk Herne-Mitte) doch nur einen Mandatsträger durch Parteiaustritt.