Herne. Um Mitarbeiter zu finden, gehen Herner Firmen neue Wege. Wer sind die Bewerber, die im Riesenrad beim Cranger Weihnachtszauber einen Job suchen?
Noch sind die Verkaufsbuden auf dem Cranger Weihnachtszauber in Herne verriegelt. Wo in wenigen Stunden wieder Hunderte Besucherinnen und Besucher über den Kirmesplatz schlendern und Glühwein trinken, dreht sich im Nieselregen am Dienstagmorgen nur das Riesenrad. „Jemand fürs Handwerk?“ ruft eine Frau in orangefarbener Warnweste den wartenden Gästen entgegen. Wer an ihr vorbei möchte, braucht kein Fahrticket, sondern seine Bewerbungsunterlagen. Denn das Riesenrad ist an diesem Morgen ein mobiles Jobcenter.
Zum zweiten Mal veranstalten die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter Herne in diesem Jahr auf dem Cranger Weihnachtszauber ihr sogenanntes Job-Speed-Dating. In den Gondeln sitzen Herner Betriebe, darunter Vulkan und die Diakonie, die auf wenigen Quadratmetern ein fahrendes Büro eingerichtet haben. Wer einen Job sucht, kann einsteigen und hat eine Riesenrad-Umdrehung lang Zeit, mit den Personalern ins Gespräch zu kommen.
+++ Die Wanne-Eickelerin Jacqueline Schmidl hat beim Job-Speed-Dating auf dem Cranger Weihnachtszauber einen Job gefunden.Wir haben sie im letzten Jahr bei ihrer Suche begleitet.+++
Einer der Bewerber ist Til Pohlmann. Drei Runden hat der 25-Jährige schon gedreht, gerade wartet er darauf, dass die Gondel von Vulkan, dem Getriebebauer in direkter Nachbarschaft zum Kirmesplatz, frei wird. Seit etwa einem Monat ist Til Pohlmann arbeitslos – das möchte der gelernte Tischler so schnell wie möglich ändern. „Gondel 17 ist jetzt frei“ hallt es durch die Reihen. Der junge Herner steigt ein und sein Job-Speed-Date beginnt.
Jobcenter Herne: Interesse am Speed-Dating beim Cranger Weihnachtszauber ist groß
Pohlmann ist einer von 600 Bewerberinnen und Bewerbern, die vom Jobcenter und von der Arbeitsagentur zur Jobbörse im Riesenrad eingeladen wurden. „Wir merken, dass wir mehr unserer Kunden ansprechen, wenn wir das Ambiente und die Kulisse, in denen wir Jobs vermitteln, verändern“, sagt Thomas Saponjac, Leiter des Jobcenters in Herne. „Die Kunden, die wir zum Speed-Dating eingeladen haben, haben wir im Vorfeld auf die Gespräche mit den Arbeitgebern vorbereitet. Und wir haben geschaut, dass sie für die Firmen, die dabei sind, auch geeignet sind.“
Dass immer mehr Kreativität gefragt ist, um neue Mitarbeiter zu finden, wissen auch die Arbeitgeber in Herne. „Hinterm Schreibtisch sitzen und darauf warten, dass die Bewerbungen reinflattern reicht nicht“, sagt Lucas Hengelbrock, der beim Gleisbau-Unternehmen Eiffage Infra-Rail als Bauleiter tätig ist. Mit seiner Kollegin Carolyn Strümpel ist er zum ersten Mal beim Job-Speed-Dating dabei.
Häufig bekämen sie Bewerbungen von Leuten, denen Eiffage als Arbeitgeber von Freunden oder Mitschülern empfohlen wurde. Doch freie Stellen gibt es trotzdem. Kann da ein Speed-Dating im Riesenrad helfen, geeignete Mitarbeitende zu finden? „Wir sind positiv überrascht vom Publikum hier“, sagt Strümpel. Den beiden gehe es in den Gesprächen vor allem um die Motivation der Bewerbenden. „Uns bringt der beste Einser-Schüler nichts, wenn er nicht bereit ist, bei Wind und Wetter und auch mal nachts auf den Baustellen zu arbeiten“, sagt die Personalreferentin.
Herner Firmen sind beim Speed-Dating im Riesenrad offen für Quereinsteiger
Wie viele der beim Speed-Dating vertretenen Firmen ist der Herner Betrieb deshalb offen für Quereinsteiger – keine Ausbildung oder schlechte Schulnoten sind nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium. Wer wirklich will, der bekommt seine Chance, ist bei der Jobbörse immer wieder zu hören.
Auf eine solche Chance hofft auch Til Pohlmann. Denn dass er seine Tischler-Lehre vor rund sechs Jahren vorzeitig beendet hat, macht ihm die Suche nach einem dauerhaften Arbeitsplatz schwer. Aus Angst, die Ausbildung wegen seiner schlechten Schulnoten ohnehin nicht zu bestehen, hatte er seine Lehre nach zwei Jahren abgebrochen. „Die Praxis war nie das Problem, nur in der Schule habe ich mich immer schwergetan. Da dachte ich, dass es besser wäre, möglichst schnell in Vollzeit arbeiten zu gehen.“ Eine Entscheidung, die der 25-Jährige inzwischen bereut.
Seitdem hangelt er sich von Job zu Job. „Man wird bei vielen Jobs nicht berücksichtigt und übernimmt stattdessen welche, in denen man schnell austauschbar ist – das ist ein Teufelskreis.“ Die Riesenrad-Gondel verlässt er jedoch mit einem guten Gefühl – zwei „sehr gute Gespräche“ waren dabei. „Die beiden Firmen sind offen für Quereinsteiger, die handwerklich begabt sind. Darauf habe ich gehofft und werde ihnen jetzt meine Bewerbungsunterlagen schicken.“ Damit die Zeit der Arbeitslosigkeit für den jungen Herner hoffentlich schnell vorbei ist.