Herne. Notwendige Gefahrenabwehr oder Schneise der Verwüstung? Ein Kahlschlag der Stadt Herne auf einer 400 Meter langen Forstfläche stößt auf Protest.
Aus Sicht der Stadt Herne ist es eine Maßnahme zur „Herstellung der Verkehrssicherheit“, für betroffene Anwohnerinnen und Anwohner ist es buchstäblich „eine Schneise der Verwüstung“: Die Rede ist von einem Kahlschlag auf einer Forstfläche in Sodingen.
Einen etwa 400 Meter langen und fünf Meter breiten Streifen an der Straße Im Uhlenbruch in Sodingen ließ die Stadt mit großem Gerät von einer Fachfirma roden, direkt hinter den Grundstücken der dortigen Anwohnerinnen und Anwohner. In der zuvor von der Stadt herausgegebenen Pressemitteilung hieß es: „Hier werden umsturzgefährdete Bäume und der in den vergangenen Jahren entstandene Überhang zu den Privatgärten …. entfernt.“ Direkt nach Durchführung der Aktion beschwerten sich Anwohnerinnen bei der Stadt und bekamen daraufhin den Hinweis, dass bei einigen Bäumen „erhebliche Krankheitsmerkmale“ vorgelegen hätten wie holzzersetzender Pilzbefall und die sogenannte Russrindenkrankheit.
Einen Überhang zu ihren Gärten habe es nur an einigen Stellen gegeben, aber keineswegs über die gesamte Länge, berichten die Anwohnerinnen Katja Potthast und Bettina Samolak der WAZ bei einem Ortstermin. Sie und rund zehn weitere Betroffene fragen sich, warum die Stadt aus ökologischen Gründen und zum Schutz der dort lebenden Tiere nicht gezielt einzelne Bäume entfernt habe. Stattdessen sei Tabula rasa gemacht worden. Und zwar nach dem Prinzip „wie kann ich hier möglichst schnell möglichst viele Bäume entfernen“, erklärt eine Anwohnern, die angibt, „vom Fach“ zu sein (aber nicht mit Namen in der Zeitung stehen möchte).
Stadtgrün-Chef Heinz-Jürgen Kuhl verteidigt auf Anfrage der WAZ die Maßnahme. Es handele sich bei der Fläche an der ehemaligen Deponie Uhlenbruch nicht um eine Grünanlage, sondern um eine Forstfläche, was ein großer Unterschied sei. Die Bäume stünden „dicht an dicht“. Rein theoretisch sei die gezielte Entnahme von Einzelbäumen zwar möglich, doch das koste sehr viel Geld.
Stadt Herne will im Frühjahr Sträucher pflanzen
Die finanziellen Aspekte stünden hier aber gar nicht mal im Vordergrund. Das Problem sei: „Nimmt man eine bestimmte Anzahl von Bäumen heraus, stehen andere solitär. Die Gefahr, dass diese Bäume durch Windereignisse umfallen, steigt dann enorm an“, so Kuhl. Die Forstfläche Im Uhlenbruch sei in Herne kein Einzelfall. Der Klimawandel und die trockenen Jahre hätten gravierende Auswirkungen: „Wir müssen heute viel mehr Bäume aus Krankheitsgründen entfernen.“ Im Uhlenbruch gebe es noch eine Besonderheit. Es sei dort vor vielen Jahren versäumt worden, einen „Waldrand“ zu schaffen: „Der Wind darf nie auf eine ,Wand’ treffen.“ Um dies künftig zu vermeiden, werde die Stadt im Frühjahr eine zweireihige Pflanzung mit niedrigen Sträuchern anlegen.
Für Klagen der Anwohner habe er durchaus Verständnis: „Das ist jetzt nicht schön, aber im nächsten Jahr um diese Zeit sieht das schon ganz anders aus.“ Tiere seien bei der Maßnahme nicht zu Schaden gekommen, meint Kuhl. Vor der Aktion habe sich die Untere Naturschutzbehörde davon überzeugt, dass dort keine Nistplätze von Vögeln seien. Und andere Tiere flüchteten vor anrückenden Maschinen in den angrenzenden Wald.
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Die Anwohnerinnen und Anwohner weisen noch auf einen ganz anderen Punkt hin. Die von der Stadt bei einigen Bäumen diagnostizierte Russrindenkrankheit stelle auch für Menschen eine Gefahr dar. Das werfe die Frage auf, warum die kranken Bäume nicht entfernt worden seien. Die Antwort des Stadtgrün-Chefs: Bäume und Sträucher seien aus ökologischen Gründen nicht abtransportiert worden. Gefahr bestehe nur, wenn die Leute in den Wald gingen und an dem kranken Baum „herumspielen“. Das sei hier jedoch nicht zu befürchten.
Zumindest in einem Punkt macht die Stadt ein (kleines) Zugeständnis: Wenn sie gewusst hätten, dass hier so „ein Aufruhr“ entstehe, hätten sie die Pressemitteilung ausführlicher formuliert, sagt Kuhl.