Herne. Noch existieren für das Wohnungsprojekt Kaiserquartier nur Computer-Visualisierungen. Doch schon jetzt gibt es mehr als 100 Interessenten.
Die Zahl der Baugenehmigungen ist im ersten Halbjahr 2023 eingebrochen. Laut Statistischem Bundesamt wurden bundesweit 50.600 Genehmigungen weniger für Wohnungen ausgestellt als im Vorjahreszeitraum. Herne macht da keine Ausnahme. Die Lage ist inzwischen so dramatisch, dass Olaf Scholz am vergangenen Montag zu einem Wohnungsgipfel im Kanzleramt versammelt hat. Und genau in dieser Situation verstärkt die Herner E-Gruppe ihre Aktivitäten im Wohnungsbau - und stößt mit einem Projekt auf große Nachfrage.
Die E-Gruppe steht kurz davor, im Kaiserquartier in Baukau neben den gewerblichen Einheiten 88 Wohnungen zu errichten. Mit ein wenig Glück könnte im November Baubeginn sein, spätestens im März kommenden Jahres soll es losgehen, so Geschäftsführer Steven Engler im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Die E-Gruppe hatte das gesamte Projekt an der Forellstraße von der List-Gruppe übernommen und die Pläne für den Wohnungsbau noch einmal geändert. List hatte drei große Gebäude vorgesehen, die E-Gruppe hat daraus sechs Häuser gemacht, um die Formation aufzulockern. „Bei unseren Planungen haben wir uns die Frage gestellt: Würde ich selbst gerne dort wohnen?“, erläutert Engler den Hintergrund für die Änderung. Ein Haus mit 16 oder 18 Wohnungen würde die einzelnen Parteien nicht überfordern.
40 Prozent der Wohneineinheiten im Kaiserquartier werden öffentlich gefördert. Das geht deutlich über den Wunsch der Stadt Herne hinaus, dass Neubauprojekte mindestens ein Viertel Sozialwohnungen enthalten. Und: Die Sozialwohnungen werden über alle sechs Gebäude verteilt, damit sich eine gute Mischung ergebe, so Engler. Auch in dieser Hinsicht hat die E-Gruppe noch einmal einen neuen Kurs eingeschlagen, auch weil es Kritik vonseiten der Politik gegeben hatte. Zunächst sei diese Mischung nicht vorgesehen gewesen, weil es die Option gegeben habe, die Gebäude nach der Fertigstellung weiterzuverkaufen. Doch man habe sich dazu entschieden, das Ensemble im eigenen Bestand zu halten.
E-Gruppe setzt großen Wert auf Nachhaltigkeit
Bei der Qualität legt Engler auch in diesem Fall großen Wert auf Nachhaltigkeit, deshalb werden die Gebäude über Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen verfügen und den besonders energiesparenden Gebäudestandard KfW-40 erfüllen.
Erstaunlich: Obwohl lediglich Computeranimierungen existieren, haben sich bereits zahlreiche Interessenten bei der E-Gruppe gemeldet. „Wir haben eine Warteliste mit über 100 Personen“, so Engler. Dies offenbare nicht nur das Interesse an diesem Projekt, sondern auch den riesigen Wohnraumbedarf in Herne. Man habe angefangen, die Interessenten über die Wohnungsgrößen zu informieren.
Doch der Bedarf werde unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht gedeckt werden können - siehe oben. Viele Projekte sind wegen steigender Kreditzinsen und Baukosten auf Eis gelegt worden. Auch in Herne wollen Investoren wie Genossenschaften diese Konstellation aussitzen, ehe sie wieder in eine Planung einsteigen. Nach den Worten von Engler könnte so eine deutliche Lücke entstehen. Mit der Folge, dass vor dem Jahr 2027 kaum noch Wohnungen fertiggestellt werden. Denn von den ersten Zeichnungen über den Bauantrag bis zur eigentlichen Errichtung vergingen aller Erfahrung nach mehrere Jahre.
Langjährige Partnerschaften mit Baufirmen halten die Baukosten im Rahmen
Das führt zu der Frage, warum die E-Gruppe gerade jetzt in diesem Bereich ihre Aktivitäten ausweiten will. „Wir machen es, weil wir es können und weil wir es wollen“, so Engler. Dafür gebe es mehrere Faktoren: So habe die E-Gruppe die Baukosten im Griff, denn: Es bestünden langjährige Partnerschaften mit regionalen Handwerksunternehmen. Beim Kaiserquartier gebe es die besondere Konstellation, dass die Firmen, die zurzeit die Gewerbe- und Büroeinheiten errichten, einfach ein paar Meter entfernt die Wohnungen bauen können. So fielen zum Beispiel Kosten für eine Baustelleneinrichtung weg. Außerdem sei der Gipfel bei den Baukosten überschritten. Erste Handwerksfirmen spürten die Auftragsflaute, das wirke sich auf Preisverhandlungen aus.
Das Ziel der E-Gruppe: 100 Wohnungen pro Jahr bauen
Rechne man all diese Faktoren zusammen, werde der Quadratmeterpreis beim Kaiserquartier wohl knapp unter 13 Euro liegen. Das sei im Vergleich zu vielen anderen Neubauprojekten sehr moderat. Engler hofft, dass die Wohnungen im Kaiserquartier Mitte 2025 fertiggestellt sein werden.
Und es soll sich für die E-Gruppe nicht um einen einmaligen Ausflug in den Wohnungsbau handeln. Weil andere Investoren zurzeit die Finger davon ließen, ergäben sich hier Chancen fürs Unternehmen. Engler: „Wir schauen nach weiteren Flächen. Unser Plan ist es, pro Jahr etwa 100 Wohnungen zu bauen.“