Herne. Beim „Spiegel“ taugt Herne als Negativ-Vergleich. Kann man denn stolz auf diese Stadt sein? Früher bekam immer nur Wanne-Eickel Prügel ab.

Früher musste immer nur Wanne-Eickell für Negativ-Vergleiche herhalten, jetzt steht auf einmal Herne für die deutsche Provinz. „Wenn der DFB wie ein Schützenverein aus Herne geführt wird, ist das schwierig“, sagte Sportjournalistin Lena Cassel im Spiegel-Podcast. Herne – ist das wirklich ein Paradebeispiel für Kleinstädterei und Dilettantismus?

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Reisegruppe aus Bayern fährt mit schönen Erinnerungen nach Hause

Alexander Christian ist beim Stadtmarketing für die Pflege der „Marke Herne“ zuständig. Er wundert sich über den Vergleich: „Der Name Herne ist ja durchaus klangvoll.“ Als Bottroper sei er da selbst schon anderes gewohnt. Der Name stehe für Außenstehende immer fürs alte Ruhrgebiet. Alexander Christian würde gerne wissen, warum Cassel (die sich noch nicht weiter äußerte) ausgerechnet Herne als Vergleich heranzog. „Man hätte da wahrscheinlich eher ein kleines Dorf nehmen können.“

Alexander Christian vom Stadtmarketing Herne wirbt für die Marke Herne – hier für die Cranger Kirmes (Archivfoto).
Alexander Christian vom Stadtmarketing Herne wirbt für die Marke Herne – hier für die Cranger Kirmes (Archivfoto). © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

An der Bekanntheit von Herne dürfte es wohl nicht liegen. „Viele Leute kennen Herne“, sagt Christian. Er erinnert sich noch an eine Reisegruppe aus Oberbayern, die in Herne auf den Spuren aller Vorurteile über das Ruhrgebiet durch die Stadt geführt werden wollte. „Wir haben sie gut aufgenommen und ihnen Herne gezeigt. Alle sind mit schönen Erinnerungen nach Hause gefahren.“

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Stolz auf Herne? Meinungen gehen weit auseinander

Kann man denn stolz sein auf Herne? Als die WAZ-Redaktion am Montagmorgen bei Facebook diese Frage stellte, kamen binnen weniger Minuten etliche inhaltlich weit auseinandergehende Reaktionen. „Es ist eine Frechheit sich so über eine Sportart und eine Stadt zu äußern, wenn man beide nicht kennt“, sagt Ela Hoffmann.

„Ich war immer sehr stolz auf meine Heimatstadt, ist aber schon lange her. Heute kenn ich Herne gar nicht wieder. Traurig, aber wahr“, sagt Gaby Vadljan. Lola Arndts kritisiert: „Ich hab schon an vielen Orten gewohnt... Und nirgends hab ich mich so unwohl gefühlt wie in Herne.“

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Langweilig? Shopping? Bildung? Früher war alles besser.

Auch bei einer WAZ-Umfrage in der Fußgängerzone haben viele Menschen Zweifel, dass man stolz auf Herne sein dürfe. Marta Taş (20) sagt: „Generell bin ich dankbar dafür, in einer Umgebung in Herne zu wohnen, wo ich mich relativ sicher fühle und von wo ich aus, sowohl mit dem ÖPNV als auch mit dem Auto, alle Orte schnell erreichen kann.“ Sie vermisse aber mehr Initiative im Bildungsbereich: „Ich sehe definitiv sowohl mehr Förderung im Bereich Bildung und sozialem Engagement sowie die Familienförderung bei Menschen mit internationaler Familiengeschichte als nötig! Da muss sich sofort was ändern, wenn wir wirklich das Potenzial von allen Schülerinnen und Schülern nutzen wollen!“

Marta Taş freut sich, dass sie in Herne in einer für sie sicheren Umgebung wohnt.
Marta Taş freut sich, dass sie in Herne in einer für sie sicheren Umgebung wohnt. © Privat | Nina Schulze

Sena Akbaş (20), die in Dortmund wohnt und in Herne an der Ohmschule ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht hat, sagt: „Ich muss ehrlich sagen, es ist ein bisschen langweilig und es gibt auch nicht viel Action hier.“ Chantal (24) sagt: „Herne ist schön klein, also ich mag die großen Großstädte nicht, da ist Herne echt optimal.“ Aaliyah Yaman (21) beklagt: „Es gibt zu wenig Läden hier und zu wenig Freizeitangebote, also die Stadt ist generell tot...“

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Wanne Eickel – der Name löst „ironisch-süffisantes Lächeln“ aus

Was wurde nicht schon eingedroschen… Aber früher traf es immer nur Wanne-Eickel: „Wanne-Eickel besteht aus nur vier Silben, aber sie haben magische Wirkung: Kaum dringen die Laute ins Ohr, gibt das Hirn der Gesichtsmuskulatur automatisch den Befehl, die Mundwinkel zu einem ironisch-süffisanten Lächeln zu verziehen“, schrieb der frühere WAZ-Redakteur Wolfgang Laufs 1997 in einem Gastbeitrag für die Neue Zürcher Zeitung.

Der Wanne-Eickel-Experte erklärte damals: „Sie ist die westliche Hälfte eines kommunalen Gebildes, das den Namen Herne trägt. Herne, schon mal gehört? Die beiden Silben haben längst nicht die magische Wirkung von Wanne-Eickel, sind dafür aber auch nicht so belastet.“ Sagen Sie das mal dem „Spiegel“Umfrage: Aleyna Karis