Herne. Kann ein leeres Glas Gewürzgurken eine Geschichte erzählen? In der aktuellen Ausstellung des Herner Archäologiemuseums lautet die Antwort: Ja.

Ist das Schutt und kann weg? Oder sollte es vielleicht doch in eine Museumsvitrine? Das Herner LWL-Museum für Archäologie und Kultur beantwortet die Frage mit: Vitrine. In ihrer aktuellen Sonderausstellung präsentiert sie unter dem Titel „Modern Times“ archäologische Funde der Moderne und ihre Geschichten. Unter den Exponaten finden sich unter anderem der Verschlussring einer Limodose, Plastikteller und ein leeres Glas Gewürzgurken oder Kirchenfenster aus dem rheinischen Braunkohlerevier.

Bleiben wir beim Dosenverschluss. Der stammt vom Gelände des legendären Woodstock-Festivals und ist Teil von archäologischen Forschungen, die 2017 begannen. Denn obwohl rund 400.000 Menschen das Festival besuchten und Filmaufnahmen existierten, war nicht mehr klar, wo zum Beispiel die Bühne stand. Archäologen sorgten mit ihren Ausgrabungen für mehr Klarheit.

Greifbarkeit der Exponate leisten handfesten Beitrag zur Geschichte

Die weißen Plastikteller, das Glas Gewürzgurken und weitere Lebensmittelrückstände stammen aus dem Protestcamp „Republik Freies Wendland“ in Gorleben und liefern Aufschluss, wie sich die Camper versorgt haben und was die Polizisten gegessen haben.

Die Kirchenfenster stammen aus der Kirche St. Lambertus im Dörfchen Immerath. Das lag im rheinischen Revier und musste dem Braunkohletagebau weichen. Die wenigen geborgenen Fenster sind Zeugen, welche Folgen der Tagebau immer noch mit sich bringt.

Die erste umfassende Schau zum noch jungen Forschungsfeld

Alle drei Beispiele stammen aus einer Zeit, die heute noch lebende Menschen selbst miterlebt haben und die Fotos, bewegte Bilder und andere Quellen recht detailliert beschrieben sind. Da stellt sich also die Frage, welchen Mehrwert die Archäologie leisten kann. „Geschichtswissenschaft kann nur über jene Ereignisse und Handlungen sprechen, die auf irgendeine Weise dokumentiert sind. Außerdem sind nicht alle Quellen gleichermaßen verlässlich“, so Museumsleiterin Doreen Mölders. Die Archäologie leiste gerade wegen ihrer Greifbarkeit der materiellen Quellen einen „handfesten Beitrag zur Geschichte“.

LWL-Direktor Georg Lunemann weist darauf hin, dass auch Schutt, Schrott und Müll eine Geschichte erzählen kann. Das Herner LWL-Museum am Europaplatz, das für seine innovativen Projekte bekannt sei, präsentiere die erste umfassende Schau für das noch junge Forschungsfeld der Archäologie.

Museumsleiterin Doreen Mölders, LWL-Chefarchäologe Michael Rind und LWL-Direktor Georg Lunemann (v.l.)in der Herner Sonderausstellung.
Museumsleiterin Doreen Mölders, LWL-Chefarchäologe Michael Rind und LWL-Direktor Georg Lunemann (v.l.)in der Herner Sonderausstellung. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Der zeitliche Rahmen der Sonderausstellung reicht vom Beginn der Industrialisierung um 1800 bis zur Jahrtausendwende. Alle ausgestellten Exponate stammen aus archäologischen Fundkontexten und seien meist „keine Schätze oder Hochglanzexponate“, so Mölders. Auch Kunst finde sich selten. „Und dennoch sind die Funde nicht außer Acht zu lassen, wenn es darum geht, die Gegenwart zu verstehen. Denn die Archäologie untersucht im Besonderen die Handlungen des Menschen in Verbindung mit Objekten.“

Die archäologischen Objekte sind anhand von sechs Kategorien - Innovation, Gefühl, Zerstörung, Besonderes, Zweck und Erinnerung - ausgestellt. Die Kategorien mäanderten in Form von Bändern durch die Ausstellungshalle, kreuzten sich und bildeten Knotenpunkte.

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Erstmals hat das Herner LWL-Museum eine Ausstellung konzipiert, die klimasensibel ist. Heißt: Es wurden umweltfreundliche Produkte für Gestaltung und Grafik verwendet und - wo möglich - auf Recycling geachtet. Darüber hinaus sind die Tablets, mit deren Hilfe Besucherinnen und Besucher eine Fülle von Informationen über die Exponate erhalten, lediglich geliehen. Auch wird der „ökologische Fußabdruck“ der Ausstellung vermessen. „Denn nur, wenn wir wissen, in welchem Bereich wir welche Emissionen verursachen, können wir diese auch reduzieren“ erklärt Mölders. In dieser Hinsicht soll die Ausstellung Referenz für alle weiteren Ausstellungen sein.

Modern Times: 8. September bis 18. August 2024. Dienstag, Mittwoch, Freitag: 9 Uhr bis 17 Uhr; Donnerstag: 9 Uhr bis 19 Uhr; Samstag, Sonntag, Feiertag: 11 Uhr bis 18 Uhr. Geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar. Alle Detailinformationen unter lwl-landesmuseum-herne.de