Herne. Auf Facebook ist sie längst bekannt: Eine Hernerin versteckt gehäkelte Wurmis. Welche Bedeutung die Tierchen haben und wo sie zu finden sind.

Ob an Bäumen, im Sandkasten oder in der U-Bahn: An vielen Orten in Herne können findige Bürgerinnen und Bürger sogenannte Wurmis entdecken. Verteilt werden sie von Sabrina Hanke, die fast täglich mit ihrem Rucksack durch die Stadt schlendert und nach dem perfekten Versteck sucht. Die 52-Jährige leitet in Eigenregie die wohl größte Schnitzeljagd der Stadt – denn sie postet die kleinen selbstgehäkelten Anhänger mit persönlicher Nachricht im Anschluss auf Facebook. Wer Glück hat und die Augen offen hält, kann sie mitten in Herne finden.

Seit einem halben Jahr hat die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern die Stoff-Tierchen für sich entdeckt und mittlerweile schon eine eigene Wurmi-Community bei Facebook aufgebaut. In der Facebook-Gruppe „Herne was geht“ veröffentlicht sie regelmäßig die neuesten Standorte ihrer Anhänger – spätestens ab diesem Zeitpunkt beginnt dann die Suche für viele Hernerinnen und Herner. Die Glücksbringer gibt es in vielen verschiedenen Variationen: als Wurm, aber auch in Form des Krümelmonsters oder einer Krake mit Glubschaugen, die im Dunkeln leuchten.

Sabrina möchte kein Geld für ihre Häkeleien haben

Gebürtig kommt Sabrina Hanke aus Bochum, lebt aber seit ihrem zwölften Lebensjahr in Herne. Mittlerweile wohnt sie in Mitte, wo sie am häufigsten unterwegs ist. Da ihr 14-jähriger Sohn wegen einer geistigen Einschränkung auf ihre Hilfe angewiesen sei, arbeite sie nicht mehr, erzählt sie. Dazu kommt: Er leide unter Epilepsie, was den geregelten Arbeitsalltag für sie unmöglich mache. Manchmal seien die beiden zusammen mit den Wurmis unterwegs: „Mein Sohn hilft mir auch beim Verteilen.“

Manche „Wurmis“ sehen aus wie bekannte Figuren – beispielsweise wie das Krümelmonster.
Manche „Wurmis“ sehen aus wie bekannte Figuren – beispielsweise wie das Krümelmonster. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Angefangen mit dem Häkeln hat die kreative Hernerin bereits vor mindestens zehn Jahren. Mithilfe von Youtube habe sie sich alles selbst beigebracht. Vor den kleinen Tieren stellte die Mutter bereits Mützen, Schals, Einkaufstüten her, die sie immer noch auf dem Trödelmarkt anbietet. Geld wolle sie nie für ihre Sachen haben: „Wenn jemand unbedingt dafür bezahlen möchte, sage ich, dass sie so viel geben sollen, wie sie möchten.“ Darüber hinaus sammle sie Spenden für den Förderverein der Robert-Brauner-Schule, die ihr Sohn besucht.

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„Häkelfeen“ basteln weltweit Wurmis

Wurmis kommen ursprünglich aus England und heißen eigentlich Sorgenwürmchen beziehungsweise „Worry Worms“. Sie sollen einem lieben Menschen überreicht oder an Plätzen ausgesetzt werden. Mittlerweile gibt es laut Sabrina Hanke in Deutschland und weltweit zahlreiche Menschen wie sie: die sogenannten Häkelfeen. Die Mitglieder tauschen sich untereinander aus, geben sich Tipps und Ideen für neue Motive.

Wie lange dauert es, einen Wurmi zu häkeln? In einem solchen Tierchen stecke rund eine bis anderthalb Stunden Arbeit für Sabrina Hanke. Inklusive der Verpackung, der aufgeklebten Augen, dem Anhänger und einer kleinen persönlichen Nachricht wie „viele Grüße an dich“ oder „smile and take me home“. „Am Anfang hat erst der zehnte Wurm auch so ausgesehen wie geplant“, gibt sie zu.

Auf der Suche nach einem Versteck in Herne: Sabrina Hanke deponiert einen ihrer „Wurmis“ in einem Kotbeutelspender im Behrenspark.
Auf der Suche nach einem Versteck in Herne: Sabrina Hanke deponiert einen ihrer „Wurmis“ in einem Kotbeutelspender im Behrenspark. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Hernerin freut sich über die Freude anderer

Erst in dieser Woche erlebte Sabrina Hanke ihre bislang schönste Wurmi-Geschichte: Als sie in der U35 unterwegs war – um dort einen Glücksbringer zu verstecken – wurde ein kleines Mädchen auf den Anhänger aufmerksam. „Guck mal Mama, da sitzt ein Wurmi“, habe sie mit strahlenden Augen gesagt. Die Kleine sei so glücklich gewesen, als sie das Tierchen in der Hand hielt. Natürlich habe ihre Schwester dann auch einen haben wollen. Die Hernerin hielt sich daraufhin nicht mehr versteckt und zog einen weiteren Wurmi aus ihrem Rucksack.

„Da habe ich immer welche drin“, erzählt sie. Während Sabrina Hanke von ihrem Erlebnis berichtet, kämpft sie mit den Tränen. Sie freue sich sehr über die Freude der anderen: „Ein kleines Lächeln, nur dafür mache ich das.“ Vor allem, weil es ansonsten so viele negative Ereignisse wie Krieg und Krankheiten gebe. Mittlerweile bekomme die Mutter sogar Anfragen von Leuten, die nicht selbst auf die Suche gehen können. Sabrina Hanke erzählt, dass sie neulich in einem Altenheim gewesen sei: „Ich habe einer Frau dort einen Glücksbringer gebracht und sie war tagelang noch glücklich darüber.“

Wer einen Glücksbringer findet, hat Glück gehabt

Und wo versteckt sie die Würmer? Natürlich habe die 52-Jährige ihre Standard-Verstecke. Nach Schulschluss würden die Kinder mittlerweile regelmäßig im Behrenspark auf die Suche gehen. Sabrina versucht, beim Verstecken auch kreativ zu werden, bringt die Wurmis an Ästen von Bäumen an oder legt sie auf ein Klettergerüst. Im Anschluss macht sie ein Foto und postet auf Facebook, dass sie wieder einen Wurmi „ausgewildert“ hat.

Sabrina Hanke fertigte für die Redaktion der WAZ Herne einen besonderen Weihnachts-Wurmi an – eine „Special Edition“, wie sie sagt.
Sabrina Hanke fertigte für die Redaktion der WAZ Herne einen besonderen Weihnachts-Wurmi an – eine „Special Edition“, wie sie sagt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Manchmal bleibt sie danach in der Nähe und schaut, ob jemand ihre Häkeleien entdeckt. Wer einen dieser Glücksbringer finde, habe im wahrsten Sinne Glück gehabt. Für sie seien das die schönsten Momente und immer häufiger werde sie von anderen Leuten erkannt. „Dadurch kommen wir ins Gespräch“, sagt die zweifache Mutter. Im Kern gehe es bei ihrer besonderen Schnitzeljagd aber um etwas anderes: „Ich mache das nur für ein Lächeln und das Glitzern in den Augen der Kinder, als wäre es Weihnachten.“