Herne. Ikke Hüftgold, Mickie Krause, Oli P.: Gut 3000 Besucher wollten in Herne beim Schlager-Festival „Crange feiert“ vor allem das: feiern und saufen.
„Wo sind die Mittelfinger in Crange?!“, schreit Ikke Hüftgold in sein Mikrofon und das Publikum kommt dieser Bitte liebend gerne nach. Bei der Schlagerparty „Crange feiert“ auf dem Cranger Kirmesplatz sind die laut Angaben des Veranstalters rund 3700 Fans an diesem Tag nicht angereist, um ein niveauvolles Konzert zu besuchen, sondern um richtig die Sau rauszulassen. Einen Tag Ballermann-Stimmung mitten in Herne.
Dort, wo im August die Cranger Kirmes tobt, muss der Besucher am Samstag das Gelände von „Crange feiert“ im hintersten Winkel des Kirmesplatzes doch erst suchen. Kostenfreie Parkplätze sind ausreichend vorhanden, denn die Mehrzahl der Festivalgäste hat an diesem Tag wohl nicht mehr vor, mit dem Auto nach Hause zu fahren. Der Einlass, das Gelände, alles scheint ein bisschen lieblos improvisiert. Immerhin sind, wie vom Veranstalter angekündigt, ausreichend Toiletten und Dixi-Klos vorhanden (gegen Bezahlung).
Herne: Spontane Discofox-Einlagen bei „Crange feiert“
„Wir treffen uns hier an der Kirche von Wanne-Eickel, um zu beten – ach, nee, um zu feiern und zu trinken“, ruft Sänger Oli P., der in den 90ern mit „Flugzeuge im Bauch“ seinen größten Erfolg feierte, von der Bühne. Dem geneigten Publikum, das zu dieser Zeit den Alkoholpegel schon bis zu fünf Stunden langsam nach oben getrieben hat, scheint es egal zu sein, was Petszokat auf der Bühne für Witze reißt („Das nächste Lied heißt Wanne Eickeler Apfelschorle – ach, was sag’ ich, griechischer Wein“). Sie wollen einfach nur feiern, um jeden Preis und zu jeder Musik.
Und somit fällt es auch nicht weiter auf, dass Oli P. in der Folge vor allem auf Coversongs wie „Major Tom“ von Peter Schilling und „Angels“ von Robbie Williams setzt, um das Publikum bei Laune zu halten, als auf eigene Songs oder klassischen Schlager. Dies sowie ein kurzer, kräftiger Regenschauer, der kurz vor seinem Auftritt zu einem vorübergehenden Stromausfall führt, kann der Stimmung aber keinen Abbruch tun. Wohl aber eine Schlägerei in der Menge während des Auftrittes. Security und Polizei sind sofort zur Stelle. „Es ist wichtig, dass wir alle exzessiv feiern, aber tut mir einen Gefallen: Gewalt hat hier keinen Platz“, ermahnt Oli P. die Schlager-Fans und erntet dafür Beifall.
Denn eigentlich ist die Stimmung zu dieser Zeit friedlich. Neben den bereits torkelnden Besuchern, die ihre Trinkfestigkeit an diesem Tag besonders ausgiebig austesten, gibt es auch die eingefleischten Schlagerfans, die etwas weiter am Rand eine spontane Discofox-Tanzeinlage hinlegen. Aus der Tanzschulzeit stamme auch ihre Leidenschaft für den Schlager, sagt Alex aus Herne-Horsthausen, die mit ihren Freunden da ist. „Eigentlich sind wir nur für Oli P. hier“, sagt die 31-Jährige und erzählt, dass sie zu all seinen Auftritten in der Umgebung gehe. „Wir sind Kinder der 90er“, ist ihre Begründung dafür. Ihr gefällt die Stimmung bei dem (bis auf den Schauer) schönen Wetter. Schade findet sie nur, dass es an den Getränkeständen keinen Sekt oder Wein, sondern nur Bier gebe und man am einzigen Cocktail-Stand eineinhalb Stunden für ein Getränk anstehen müsse.
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Manuela (55) ist mit ihrer Freundin extra aus Recklinghausen angereist, da sie „die Musik und die gute Stimmung“ mag. „Eigentlich finde ich es gut, aber es ist doof, dass es nirgendwo Bänke gibt, wo man sich mal hinsetzen kann.“ Deshalb sagt sie nach sechs Stunden: „Mir reicht’s jetzt.“ und zieht von dannen, noch bevor die wahren Größen der Schlagerwelt, Ikke Hüftgold und Mickie Krause überhaupt die Bühne betreten haben.
Und verpasst damit einiges. Denn erst Ikke Hüftgold, der wie Mickie Krause im Sommer Stamm-Sänger im Bierkönig am Ballermann ist, hat die Menge richtig im Griff. „Crange statt Liverpool“ heißt es an diesem Abend für den Schlagerstar, der eigentlich für Deutschland beim Finale des „Eurovision Song Contest“ (ESC) in England antreten wollte, beim Vorentscheid aber nur auf dem zweiten Platz landete. So blieb am Samstagabend eine Terminlücke, die ihn nach Herne führte. Das Publikum dankte es ihm und grölte seinen neuen Hit „Bumsbar“ textsicher mit.