Herne. Hier geht es um die Sicherheit der Herner Innenstadt. Die neue Polizeiwache ist in Betrieb. Überraschende Einblicke hinter verschlossenen Türen.

Für einen unbescholtenen Bürger dauert es ein wenig, bis man drin ist. Erst muss die eine Schiebetür schließen, dann öffnet die andere. Die Schleuse dient der Sicherheit. Auch die Sitze im Wartebereich sind festgeschraubt, damit kein ungeduldiger Zeitgenosse damit werfen kann. Das muss so sein. Aus schlechter Erfahrung. Die neue Polizeiwache an der Cranger Straße ist jetzt auf dem neuesten Sicherheitsstandard. Feierabend gibt’s hier nie. Für die Polizei ist an 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche Betrieb.

+++ Die neue Wache in Herne: So war die Eröffnung an der Cranger Straße +++

Wachleiter Michael Bloch vor der neuen Polizeiwache an der Cranger Straße 4 in Herne.
Wachleiter Michael Bloch vor der neuen Polizeiwache an der Cranger Straße 4 in Herne. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Polizeiwache Herne: Aus drei Räumen im Erdgeschoss wird das Geschehen gesteuert

Ein älteres Ehepaar ist drin. Der Frau wurde das Portemonnaie gestohlen. Die Wachhabende in der Anfang November eröffneten Wache nimmt alles entgegen. Die Frau am ersten Schreibtisch im Eingangsbereich der neuen Wache ist so etwas wie ein Mädchen für alles. Jeder, der ein Problem hat, landet erst einmal hier. Zwischendurch holen sich die Kolleginnen und Kollegen Funkgeräte ab, tauschen Akkus. Ab und zu kommt ein Anruf. Es gibt etwas zu klären. Jedes Problem ist anders.

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Der Schleusenbereich in der neuen Polizeiwache Herne-Mitte. Die Sitze sind festgeschraubt, damit niemand damit werfen kann.
Der Schleusenbereich in der neuen Polizeiwache Herne-Mitte. Die Sitze sind festgeschraubt, damit niemand damit werfen kann. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In Raum zwei dahinter sitzt die Funkerin. Sie steht in Kontakt mit den Polizistinnen und Polizisten, die gerade unterwegs sind. „Die Notrufe laufen in der Leitstelle in Bochum auf“, sagt Wachleiter Michael Bloch. „Diese Einsätze bekommen wir so auf den Computer. Die Kollegin hier verteilt die Einsätze an die Kräfte auf der Straße.“ Diese Funktion nehme immer jemand mit Erfahrung wahr. Denn in diesem Job muss man schon gut den Überblick behalten. Welcher Wagen ist gerade wo? Wie viele Kräfte werden gebraucht? Wer ist schnell an der Einsatzstelle?

Raum Nummer 2: Hier hält die „Funkerin“ Kontakt zu den Kräften auf der Straße. Die Einsätze kommen über die Bochumer Leitstelle rein, wo die Notrufe auflaufen.
Raum Nummer 2: Hier hält die „Funkerin“ Kontakt zu den Kräften auf der Straße. Die Einsätze kommen über die Bochumer Leitstelle rein, wo die Notrufe auflaufen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Innerhalb von Sekunden kann sich die Situation komplett ändern

Binnen Sekunden kann aus einer kleinen Sache eine große werden. Dann kann Herne auf andere Kräfte aus Bochum (gehört zum selben Polizeipräsidium) zurückgreifen. In verschiedenen Stufen können Kräfte aus Wattenscheid oder Bochum-Mitte dazugeholt werden. Bei ganz großen Lagen wechselt die Koordination nach Duisburg zur Landespolizei. Ein Vorteil: In Bochum sitzen zwei Hundertschaften bei der Bereitschaftspolizei. Diese sind in kürzester Zeit ausrückbereit. „Man weiß nie, was kommt“, sagt Michael Bloch.

Die Funkgeräte liegen in den Ladestationen parat zur Nutzung.
Die Funkgeräte liegen in den Ladestationen parat zur Nutzung. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

An Schreibtisch Nummer drei im dritten von drei Räumen, die alle mit einer Glasscheibe verbunden sind, hat der Dienstgruppenleiter seinen Platz. Er koordiniert die Kräfte aus seiner Dienstgruppe, verteilt das Personal. Er hat alle anderen Schreibtische im Blick, kann den Kolleginnen sogar von hinten auf die Monitore schauen. Dass da mal jemand einen Blick auf etwas anderes als die Arbeit lenkt, ist übrigens ausgeschlossen: Die Systeme sind soweit abgesichert, dass man keine fremden Internetseiten aufrufen kann.

Raum Nummer drei: Christoph Uhlmann ist Dienstgruppenleiter und sitzt am Schreibtisch. Er hat die anderen beiden Räume durch die Scheiben im Blick.
Raum Nummer drei: Christoph Uhlmann ist Dienstgruppenleiter und sitzt am Schreibtisch. Er hat die anderen beiden Räume durch die Scheiben im Blick. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Die Anordnung der Räume ist überall so“, sagt Christian Thüner, der für die Herner Polizei den Bau, der vom Land finanziert wurde, koordiniert hat. Das ergebe Sinn. Bei den Elementen für die Wache habe man auf ein Baukastenprinzip zurückgegriffen. Vieles sei über die Zahl der eingesetzten Kräfte am Standort vorgegeben. Auf gut 2300 Quadratmetern arbeiten 120 Menschen. Dazu gehören der Wachdienst, das Kriminalkommissariat 35, die Einsatzgruppe, Bezirksbeamte, Einsatz- und Schwerpunktdienst und die Führungsstelle.

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Das neue Gewahrsam ist das „Prunkstück“ – mit direktem Zugang von außen

„Prunkstück“ der neuen Polizeiwache – wenn man das so sagen darf – ist das neue Gewahrsam. Da gibt es zwei verschiedene Zellentypen. Beide sind kahl „eingerichtet“ und enthalten quasi nichts. Ein Edelstahlbecken ist als Toilette in den Boden eingelassen. Niemand soll etwas herausreißen können. In der „Holzklasse“ liegen die Insassen direkt auf dem nackten Boden. Das hat den Hintergrund, dass Betrunkene nicht weit hinunterstürzen können. In der Nachbarzelle gibt es immerhin noch eine etwas erhöhte Liegefläche. Und auch die Toilette ist zum Sitzen.

Das Gewahrsam: WAZ-Reporter Arne Poll nimmt in einer Zelle mit erhöhter Liegefläche Platz.
Das Gewahrsam: WAZ-Reporter Arne Poll nimmt in einer Zelle mit erhöhter Liegefläche Platz. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Hier landen vorübergehend renitente Zeitgenossen, Gewalttäter oder andere Menschen, die man außerhalb des Gewahrsams für eine Gefahr für andere Menschen oder sich selbst hält. „Es gibt manche Wochen, da ist hier tagelang keiner“, sagt Michael Bloch. „An anderen Tagen sind vier Leute gleichzeitig hier.“

Die Zelle für Betrunkene, die sich selbst verletzen könnten. Hier ist alles nahezu ebenerdig angelegt.
Die Zelle für Betrunkene, die sich selbst verletzen könnten. Hier ist alles nahezu ebenerdig angelegt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die Standards entsprechen nagelneuen Richtlinien fürs Gewahrsam. Da sei nichts dem Zufall überlassen, sagt Christian Thüner. Immerhin wird dem Eingesperrten hier eine Zeit lang seine Freiheit genommen. Privatsphäre ist in der Zelle nicht angesagt. Ein Videobild wird zum Wachhabenden übertragen.

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Ein großer Vorteil für die Polizei: Der Gewahrsamstrakt mit den Zellen hat einen direkten Zugang mit Schleuse nach draußen. Wer mit dem Polizei-Auto ankommt, kann direkt in die Zelle geführt werden, ohne dass angehende Straftäter andere oder sich auf dem Weg dorthin verletzen oder die Wache verwüsten.

Asservatenraum, ein Fotostudio, ein Raum für Blutproben und Ersatz-Absperrbänder

Für alles ist Platz. Im Asservatenraum liegen beschlagnahmte Waffen, Drogen und alles, was man als Hernerin oder Herner nicht bei sich führen sollte. Dazwischen viele Schreibtische, alle mit einem Notfallknopf. Falls in einer Vernehmung mal jemand ausrastet, steht sofort die ganze Wache im Raum.

Ein Notfallknopf. Falls jemand ausrastet, können die Beamten schnell um Hilfe rufen.
Ein Notfallknopf. Falls jemand ausrastet, können die Beamten schnell um Hilfe rufen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Einen Raum weiter ist ein Fotostudio aufgebaut. „Erkennungsdienstliche Behandlung“ heißt das im Beamtendeutsch. Das heißt: Wer etwas auf dem Kerbholz hat, wird gewogen. Ihm werden Fingerabdrücke genommen. Er wird gemessen. Und es wird natürlich ein Foto angefertigt.

Erkennungsdienstliche Behandlung: Hier müssen Straftäter nicht nur ein Foto von sich machen lassen.
Erkennungsdienstliche Behandlung: Hier müssen Straftäter nicht nur ein Foto von sich machen lassen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Auch für Blutprobenentnahmen ist ein Raum vorgesehen. Das medizinische Material liegt schon bereit. Die Blutprobe entnimmt ein Arzt, der extra bestellt werden muss, wenn beispielsweise ein Atemalkoholtest angeschlagen hat. Die Blutprobe wird übrigens nicht nur zur Belastung, sondern auch zur Entlastung genommen, erklärt Michael Bloch. Wenn ein Täter nur eingeschränkt schuldfähig war, kann das später Auswirkungen auf eine Verurteilung haben.

Der Blutprobenraum: Hier kann ein angeforderter Arzt Blutproben entnehmen.
Der Blutprobenraum: Hier kann ein angeforderter Arzt Blutproben entnehmen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Aktuell gefühlt mehr los als in der alten Wache am Rathaus

In einer kleinen Materialkammer findet sich alles, was man so im Einsatz schnell gebrauchen könnte. Absperrbänder, Ersatz-Schutzwesten, Warnleuchten. Normalerweise gebe der dafür zuständige Schirrmeister so etwas aus. Aber manchmal muss es schnell gehen. Die Büros der Bezirksbeamten sind gerade leer. Auf 18 Quadratmetern haben zwei Beamte Platz. Aber die Bezirksbeamten sind gerade draußen unterwegs – Kontakt mit dem Bürger. So soll es sein.

Schutzwesten in der kleinen Materialkammer. Für Ersatz muss immer gesorgt sein.
Schutzwesten in der kleinen Materialkammer. Für Ersatz muss immer gesorgt sein. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Vom Gefühl her haben wir mehr Bürger in der Wache“, sagt Michael Bloch. Es gebe zwar noch keine Statistik, aber in der alten Wache am Rathaus seien es wohl nicht so viele gewesen. Die neue Wache an der Cranger Straße sei gut sichtbar. Wer beispielsweise durch Drängelei auf der Straße Opfer einer Straftat geworden sei, nutze die Gelegenheit mutmaßlich eher, schnell zu halten und die Straftat anzuzeigen. Der Effekt zeige sich auch an der Bochumer Wache Südost an der Unistraße.

Oben für Büroarbeit, das Untergeschoss fürs Abschalten und den Sport

Während weiter oben viel Büroarbeit am Schreibtisch gemacht wird, können im Untergeschoss die Polizistinnen und Polizisten mal abschalten. Im Pausenraum stehen drei Kaffeemaschinen, eine für jede Schicht. Etwas weiter ist der Sportraum. Die Beamtinnen und Beamten haben die Möglichkeit und Pflicht, sich im Dienst fit zu halten. Ein Reflexionsraum wird gerade noch eingerichtet. Hier soll auch mal über belastende Einsatzlagen gesprochen werden. Der Polizei-Alltag bringt seine Schattenseiten mit sich.

Der Pausenraum: Hier ruhen sich die Polizistinnen und Polizisten von der Arbeit aus.
Der Pausenraum: Hier ruhen sich die Polizistinnen und Polizisten von der Arbeit aus. © FUNKE Foto Services | André Hirtz
Im Pausenraum stehen drei Kaffeemaschinen. Jede Schicht nutzt ihre eigene, zur besseren Abrechnung. Den Kaffee zahlt jeder selbst.
Im Pausenraum stehen drei Kaffeemaschinen. Jede Schicht nutzt ihre eigene, zur besseren Abrechnung. Den Kaffee zahlt jeder selbst. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In den Google-Bewertungen erhält die neue Polizeiwache von Kritiken bislang nur einen von fünf Sternen. Man „überflute“ wohl „den Bürger“ mit Bußgeldern, um den Bau zu finanzieren, mutmaßt jemand – was sachlich falsch ist. Die grundsätzliche Bewertung für die Polizei in Herne fällt besser aus: „Vielen Dank! Ihr habt heute einen guten Freund vor einer großen Dummheit bewahrt! Freundlich, sehr versiert und extrem schnell!“

Die Polizeiwache Herne-Mitte gehört zum Polizeipräsidium Bochum.
Die Polizeiwache Herne-Mitte gehört zum Polizeipräsidium Bochum. © FUNKE Foto Services | André Hirtz