Herne. Seit 2018 hat bisher nur ein Herner das „dritte Geschlecht“ gewählt. Ein möglicher Grund: Queere Menschen stoßen in Herne noch immer auf Hass.

Seit Ende 2018 haben Menschen in Deutschland die Möglichkeit, beim Eintrag ins Personenstandsregister außer den zwei Geschlechtern „männlich“ und „weiblich“ die dritte Option „divers“ zu wählen. In Herne hat erst eine Person von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Das teilt Stadtsprecher Christoph Hüsken auf Nachfrage mit. Etwa fünf Personen hätten sich über die Formalitäten informiert, so Hüsken.

Doch ist das tatsächlich ein Indiz dafür, dass nur wenige nicht-binäre Menschen, also solche, die sich nicht eindeutig als weiblich oder als männlich identifizieren, in Herne leben? „Nein“, sagt Laron Janus, Gründer des queeren Jugendforums in Herne.

Laron Janus: „Auch in Herne hassen Menschen Menschen“

Wie viele nicht-binären Menschen wirklich in Herne leben, lasse sich nicht durch Zahlen belegen, da es keine Erhebungen gebe. Und: Die sexuelle Vielfalt nehme immer mehr zu. Es gebe nicht mehr nur die starren Kategorien „schwul“, „lesbisch“, „transsexuell“, so Janus. Das Thema werde immer facettenreicher und auch schwammiger. Aus seiner persönlichen Erfahrung kann der Sozialwissenschaftler berichten, dass er 2012, als er mit der queeren Bildungsarbeit begonnen habe, das Thema Nicht-Binarität noch nicht so auf dem Schirm hatte wie heute. Der Stellenwert werde definitiv größer, so Janus.

Laron Janus setzt sich für die queere Jugend in Herne ein. Er sagt: In Herne gibt es zu wenig Treffpunkte für die Community.
Laron Janus setzt sich für die queere Jugend in Herne ein. Er sagt: In Herne gibt es zu wenig Treffpunkte für die Community. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Aber natürlich gebe es noch immer große Outing-Hürden. Das heißt: Viele nicht-binäre Menschen trauen sich nicht, offen über ihre Geschlechtsidentität zu sprechen. Dazu bei trage der Hass, den viele intersexuelle Menschen spürten, sagt Janus. „Das ist ein globales Problem. Man muss nicht so tun, als gebe es das nicht in Herne.“ Das größte Risiko, Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität zu erfahren, hätten Transfrauen. Bei dieser Personengruppe gebe es die höchste Kriminalitätsrate. Auch in Herne „hassen Menschen Menschen“. Und das sei nichts Neues, man dürfe und könne davor nicht die Augen verschließen.

Janus kenne zwar einige nicht-binäre Menschen, sie alle seien aber längst aus Herne weggezogen. „Hier gibt es einfach nichts für sie.“ Gerade im Vergleich zu anderen Städten habe Herne nichts zu bieten. Vor allem junge Menschen – auf der Suche nach ihrer Identität – suchten nach Schutz und nach Gleichgesinnten. Das Internet gebe zwar bereits viel Rückhalt, aber eben nicht so, wie es Menschen tun, mit denen man Auge in Auge reden könne, so Janus.

In Herne gibt es zu wenig Treffpunkte für queere Jugendliche

Der queere Jugendtreff sei zwar ein Treffpunkt, der gut besucht werde und immer mehr Zulauf bekomme, doch das reiche bei Weitem nicht. „Es gibt nicht mal eine Kneipe hier für die queere Community – und das in einer Großstadt.“ In der Nachbarstadt Bochum sehe das ganz anders aus: Die Rosa Strippe, Lesben- und Schwulenbars oder auch Treffpunkte für queere Menschen, die neu in der Stadt wohnen – solche Angebote fehlten in Herne.

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Es sei Aufgabe der Stadt, mehr auf das Thema aufmerksam zu machen. Es reiche nicht, immer wieder die gleichen Phrasen aufzusagen und von Respekt zu reden, wenn dann aber keine Taten folgten, so Janus. Die Stadt müsse Sichtbarkeit schaffen und vor allem: „darüber reden, dass es das Problem gibt“. Es müsse mit und nicht nur über die Menschen geredet werden. Der letzte Christopher Street Day habe gezeigt, dass sich vor allem sehr junge Menschen für das Thema interessieren und betroffen sind – der Altersdurchschnitt habe im vergangenen Jahr bei 15 Jahren gelegen. „Wer jetzt das Thema nicht auf dem Schirm hat, wird sich mehrere Generationen verprellen.“

>>>WEITERE INFOS: CSD 2023

  • Auch in diesem Jahr wird es wieder einen Christopher Street Day geben. Er wird am 17. Juni stattfinden – inklusive Demozug, Ständen und Bühnenprogramm. 2022 haben laut Janus 700 bis 1000 Menschen am CSD teilgenommen, deutlich mehr als zunächst erwartet.
  • Genaue Informationen zum Ablauf und Programm des diesjährigen CSD werde es in Kürze geben, kündigt er an.