Herne. Vor 51 Jahren verließ Almut Pflüger Herne und kehrt mit einem tollen Geschenk zurück: Wie sie und eine Stiftung ein Kiosk-Denkmal fördern wollen.
Als Kind hat sich Almut Pflüger im Büdchen am Sodinger Bunker gemischte Tüten gekauft, so wie alle Kinder. Als 16-Jährige verließ sie Herne und machte später international Karriere mit ihren auf Rechtsforschung spezialisierten Unternehmen. Nun kehrt die promovierte Juristin nach über 50 Jahren zurück und bereitet ihrer Heimatstadt ein ganz besonders Geschenk: Sie finanziert die Übernahme und Sicherung der Trinkhalle am Kurt-Edelhagen-Platz durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD).
„Ich habe mich gefragt: Was kann ich Gutes tun für die Stadt, die mir früher Gutes getan hat?“, berichtete die 67-Jährige am Mittwochabend in der Sitzung der Bezirksvertretung Sodingen im Veranstaltungszentrum Gysenberg. Sie sei an der Stelle geboren, wo heute die Akademie Mont-Cenis und das Nahversorgungszentrum mit Edeka stünden. Ihr Großvater habe eine Schmiede besessen, sein Bruder habe ein Eisenwarengeschäft geführt. Mit 16 Jahren sei sie nach Essen gezogen, habe dort Abitur gemacht und sei dann „über Jahrzehnte in der Welt unterwegs gewesen“.
Stiftung will Trinkhalle zu einem symbolischen Preis von der Stadt Herne kaufen
Vor einigen Jahren habe sie sich entschieden, über die von ihr geschätzte Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) eine Förderung in Herne zu übernehmen. Nach längerer Sondierung fiel die Wahl auf das einst auch von ihr besuchte Büdchen am Bunker, das (noch) in Besitz der Stadt ist. Die seit 22 Jahren von Heike Chrucha und ihrer Familie geführte Trinkhalle mit angeschlossener Toilette ist bekanntlich im Sommer 2022 in die Denkmalliste eingetragen worden, im November feierte das Büdchen das 100-jährige Bestehen. Sie sei bei Feierlichkeiten dabei gewesen und habe festgestellt, wie gut die Kommunikation an diesem Ort funktioniere, sagte Pflüger.
Noch in diesem Jahr wolle die bürgerschaftliche Stiftung die Trinkhalle zu einem symbolischen Preis von der Stadt erwerben, um es unter denkmalpflegerischen Aspekten zu entwickeln und zu restaurieren, berichtete DSD-Mitarbeiterin Nadine Smukal. Es gebe in mehrerlei Hinsicht Handlungsbedarf. Die Haustechnik sei derzeit nur eingeschränkt nutzbar. Und: „Das Büdchen hat nasse Füße.“ In dem Gebäude stecke aber auch „noch viel mehr historischer Bestand, als das im ersten Moment augenscheinlich ist“.
Es sei ihnen wichtig, dass der Kiosk auch künftig in bewährter Weise von Heike Chuchra und deren Familie geführt werde. „Der Betrieb als Kiosk und Kommunikationszentrale soll nicht durch einen neuen Eigentümer beeinträchtigt werden.“ Denn: Der Wert dieser „Denkmalkuriosität“ bemesse sich auch darin, dass das Gebäude seit 100 Jahren als Trinkhalle betrieben werden. Das sei eine absolute Ausnahme. Das Engagement in Sodingen geschehe nicht ohne Eigennutz, erklärte Smukal. Sie wollten erfahrbarer in der Stiftungsarbeit werden: „Weg vom akademischen Sockel, hinein in die Alltagsrealität – und wo geht das besser als an einem Büdchen?“
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Aus der Bezirksvertretung gab es Lob und Anerkennung für die Stiftung und insbesondere für Almut Pflüger. Die Stadt wäre aufgrund der finanziellen Situation nicht in der Lage, den Erhalt dieses Denkmals in ähnlicher Weise zu gewährleisten, sagte Bezirksbürgermeister Mathias Grunert. „Wir sind unendlich dankbar. Das ist für uns wie sechs Richtige im Lotto mit Zusatzzahl.“
In die Freude mischte sich bei Klaus-Dieter Gülck (Grüne) aber auch Verwunderung. Anlass: Die auf Basis von Antragsverfahren agierende Stiftung ist seit ihrer Gründung im Jahr 1985 noch nie in Herne tätig gewesen. „Wie kann es sein, dass die Stadt Herne Sie nicht kennt oder Sie bisher übergangen hat“?, fragte der Fraktionsvorsitzende der Grünen in Richtung DSD. Er hoffe, dass dieses Förderinstrument bei Denkmalfragen künftig häufiger ins Spiel gebracht werde.
Zurück zur Sponsorin: Almut Pflüger kann sich in Zukunft bei Bedarf wieder häufiger gemischte Tüten an Heike’s Kiosk kaufen. Neben Metropolen wie München und Wien werde künftig auch Herne zu ihren Wohnsitzen zählen, verriet sie der WAZ am Rande der Bezirkssitzung. Denn: Im Komplex des Sodinger Nahversorgungszentrums übernehme sie die Wohnung ihrer im vergangenen Jahr kurz vor dem 101. Geburtstag verstorbenen Mutter. Die Rückkehr sei viel mehr als nur Nostalgie, denn: „Mir liegt die Ruhrgebietsmentalität mehr als jede andere.“
>>> Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Die unabhängige Stiftung mit Hauptsitz in Bonn hat in knapp 30 Jahren in Deutschland rund 600 Denkmale gefördert. Mittlerweile sind 200 Denkmale auch in Besitz der DSD.
Die bürgerschaftliche Stiftung beschäftigt rund 200 feste Mitarbeitende sowie 500 Ehrenamtler. Finanzielle Unterstützung gibt es nicht nur von Privatpersonen, sondern auch von der Glücksspirale. Schirmherr der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist der Bundespräsident.