Herne. Nach 25 Jahren kehrte Annegret Kruse der Pflege den Rücken - allerdings nicht lange. Der Herner WAZ schilderte sie die Gründe für die Rückkehr.
•Für Kruse stand früh fest, dass sie in die Pflege will
•Pflegerinnen und Pfleger sind Vertrauenspersonen für die Patienten
•Herausforderung: Nachwuchs finden
Die Arbeitsbedingungen in der Krankenhauspflege sind seit Jahren Gegenstand von Diskussionen. Da scheint es verständlich, wenn manche Pflegekraft ihrem Beruf den Rücken kehrt. Auch Annegret Kruse hatte sich nach 25 Jahren verabschiedet - doch sie ist zurückgekehrt und betont: „Es war die richtige Entscheidung.“ Der Herner WAZ hat sie ihren nicht ganz gewöhnlichen beruflichen Werdegang geschildert.
Ihre Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte die heute 54-Jährige zwischen 1986 und 1989. „Für mich stand ganz früh fest, dass ich in die Pflege wollte. Ich wollte den Kontakt mit Menschen.“ Ihr Einstieg damals ist heute undenkbar. Sonntags half sie im Krankenhaus, die Gegenleistung bestand in einer Mahlzeit. Noch etwas anderes wirkt aus heutiger Sicht unglaublich. Damals seien auf 25 Ausbildungsstellen rund 200 Bewerbungen gekommen. Die 80er waren die Jahre, in denen die Babyboomer in Ausbildung und Beruf strömten.
Mit 21 Jahren stellvertretende Stationsleiterin
Annegret Kruse selbst hat nach ihrer Ausbildung schnell den nächsten Schritt in ihrer Laufbahn gewagt. Mit nur 21 Jahren wurde sie stellvertretende Stationsleiterin in ihrem Ausbildungsbetrieb, einem Recklinghauser Krankenhaus. Dass sie im weiteren Verlauf auch die Leitung verschiedener Stationen übernahm, war nur folgerichtig. Ein Vierteljahrhundert blieb sie „ihrem“ Krankenhaus treu, ehe sich beruflich mal nach rechts und links schaute. Was sie fand: eine reizvolle Position in einem Gesundheitskonzern. Dort war sie für Gesundheitseinrichtungen im gesamten Ruhrgebiet unter anderem als Ansprechpartnerin für die Nachversorgung von Patienten im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt zuständig.
Doch dieser Wechsel entpuppte sich als kurzes Intermezzo: Schon nach zwei Jahren zog es Kruse zurück zu ihren Wurzeln, zurück in die Pflege. Der Grund ist simpel: „Mir fehlte der Patientenkontakt.“ Andere verlockende Angebote hätten den Umgang mit den Patientinnen und Patienten nicht aufwiegen können. Und so übernahm sie 2013 eine Stationsleitung im St. Anna Hospital in Wanne, 2019 ist sie in die zentrale Pflegedienstleitung aufgerückt.
+++ Nachrichten aus Herne – Lesen Sie auch: +++
- Nächster Warnstreik in Herne: Müll wird nicht abgeholt
- Linienbus von Herne nach Castrop-Rauxel schwer verunglückt
- Cranger Kirmes: So sollen Besucher besser zum Rummel kommen
Kruse ist sich durchaus bewusst, dass sich im Laufe der Jahre viele Dinge verändert haben und manches in der Pflege verloren gegangen sei. Mit ihrer Arbeit wolle sie wieder das Gefühl herstellen, dass sich Patientinnen und Patienten gut aufgehoben und wohl fühlten. Als Mitglied der Pflegedienstleitung habe sie zwar mittlerweile keinen direkten Kontakt mehr mit diesen Menschen, doch mit einer Vielzahl an Projekten sei sie daran beteiligt, die Qualität und die Prozesse in der Pflege zu durchleuchten und - falls nötig - zu verbessern. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der praktischen Ausbildung der künftigen Pflegekräfte. „Die jetzigen Auszubildenden sind meine Kollegen von morgen, da ist es mir selbstverständlich wichtig, dass sie die besten Voraussetzungen erhalten.“
Kruse: Pflegerinnen und Pfleger besetzen eine wichtige Schnittstelle
Auch wenn Pflege ein anstrengender Beruf sei: Für Kruse ist es nach wie vor ein toller Beruf, für den sie im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion ein fast flammendes Plädoyer hält: Er sei so viel mehr als Bettpfannen zu wechseln und Essen zu servieren. „Pfleger sind nicht nur die rechte Hand der Ärzte, sie üben einen eigenständigen Beruf aus“, so Kruse. Die Ärzte seien bei ihrer Entscheidung für die weitere Therapie der Patienten zwingend auf die Arbeit und die Erkenntnisse der Pflegerinnen und Pfleger angewiesen. Und als Vertrauensperson zu den Patientinnen und Patienten füllten sie eine wichtige Schnittstelle aus. Kruse: „Die Ärzte verlassen sich auf das Wissen der Pflege.“ Fehle diese Schnittstelle, würden womöglich notwendige medizinische Maßnahmen nicht eingeleitet.
Eine Herausforderung, vor der Krankenhausgesellschaften stehen: Nachwuchs in ausreichender Zahl zu finden. Vielleicht liege das auch daran, dass junge Menschen die Vorstellung haben, dass sie in der Pflege keine Karriere machen könnten. Doch in dieser Hinsicht verweist Annegret Kruse auf sich selbst als Gegenbeispiel. Und so stehe für sie fest: „Wenn ich mich noch mal entscheiden müsste, würde ich noch mal in die Pflege gehen.“
>>> AUSBILDUNG AM GESUNDHEITSCAMPUS
• Um genug Nachwuchs für die Pflege, aber auch andere Bereiche zu finden, hat die St. Elisabeth-Gruppe in Börnig den Gesundheitscampus aufgebaut. Dort werden Ausbildungen in neun verschiedenen Bereichen angeboten.
• Seit 2020 hat die Elisabeth-Gruppe nach eigenen Angaben mehr als 600 Auszubildende übernommen.