Herne. Das Hilfswerk „Die Arche“ hat vor fünf Jahren in Herne-Wanne seine Einrichtung eröffnet. Nun zieht Einrichtungsleiterin Ines Lork eine Bilanz.

  • Vor fünf Jahren hat „Die Arche“ in Herner eröffnet.
  • Täglich werden dort 20 bis 40 Kinder betreut.
  • Die Einrichtungsleiterin zieht eine Bilanz.

Vor fünf Jahren hat das Hilfswerk „Die Arche“ seine Einrichtung in der Wohnsiedlung an der Emscherstraße in Wanne eröffnet. Einrichtungsleiterin Ines Lork (37) zieht im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann Bilanz und blickt nach vorn.

Frau Lork, Sie sind mit der Arche vor fünf Jahren mit großer Euphorie und Motivation gestartet. Wie ist nun, beim ersten kleinen runden Geburtstag, die Gefühlslage?

Die Motivation bei uns im Team ist weiterhin hoch. Wir haben einiges erlebt, Coronazeiten mit Lockdown durch digitale Angebote überstanden und freuen uns mittlerweile wieder über den normalen Arche-Alltag. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren viele Kinder und Familien begleitet, das macht uns stolz. Wir haben viele Angebote und Projekte gestartet, mit denen wir die Kinder in ihrer Bildung fördern konnten.

Wie viele Kinder betreuen Sie in der Woche?

Wir haben von montags bis freitags täglich etwa 20 bis 40 Kinder in unserer Einrichtung, vor Corona waren es etwa 50. Wir haben aber 80 bis 90 Kinder auf unserer Kontaktliste. Die haben wir zu Nikolaus zu Hause besucht und haben mit ihnen auch eine Weihnachtsfeier veranstaltet.

Aus welchem Einzugsgebiet kommen die Kinder?

Die Kinder kommen aus dem ganzen Stadtteil Wanne, teilweise aber auch aus anderen Stadtteilen Hernes.

Auch aus Herne? Wie kommt das?

Weil eine große Betreuungsnot in der Stadt herrscht. Viele Kinder haben keinen OGS-Platz, eine Über-Mittags-Betreuung oder eine Hausaufgabenhilfe. So etwas bieten wir auch als freier Träger.

Ines Lork, Einrichtungsleiterin der Arche, spielt mit den Kindern Karten. Pro Woche kommen bis zu 40 Kinder in die Arche.
Ines Lork, Einrichtungsleiterin der Arche, spielt mit den Kindern Karten. Pro Woche kommen bis zu 40 Kinder in die Arche. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Aus welchem familiären Hintergrund kommen die Kinder?

In Wanne leben ja bekanntlich viele sozial benachteiligte Familien und viele Menschen mit Migrationshintergrund. Gerade sie brauchen Unterstützung im schulischen Alltag, weil viele Eltern oft die deutsche Sprache nicht beherrschen. Deshalb bieten wir auch für die Eltern kostenlose Deutschkurse an. Wir wollen aber vor allem die Kinder dabei unterstützen, aus der Kinderarmut herauszukommen. Neben kostenlosen Mahlzeiten, Spiel- und Freizeitangeboten und einer Schatzkiste, in der sich Kinder einmal die Woche Kleidung aussuchen dürfen, ist Bildung bekanntlich ein großer Schlüssel, deshalb haben wir im vergangenen Jahr auch eine Lehrerin eingestellt, die die Kinder individuell fördert. Wir arbeiten eng mit den Schulen zusammen, speziell mit den Grundschulen. Wir hatten uns beispielsweise schon vor der Eröffnung mit der Josefsschule ausgetauscht. Die Schulen und die freien Träger haben ja alle das Anliegen, die Kinder und Jugendlichen zu fördern.

Füllen Sie mit der Arche eine Lücke im Bildungssystem?

Ich glaube, wir füllen eher eine Lücke, die im Gesamtsystem klafft. Es gibt zu wenig Betreuungsplätze, das fängt schon in der Kita an und geht weiter im OGS-Bereich. Wir als freier Träger versuchen, ein wenig aufzufangen. Genau wie es viele anderen freien Träger machen.

Das heißt, die Nachfrage war von Tag Eins an hoch und ist noch gestiegen?

Ja, die Nachfrage war und ist hoch, und wir haben das Angebot ausgeweitet, weil wir mit der Zielgruppe wachsen. Wir haben vor fünf Jahren mit der ersten bis zur vierten Klasse angefangen, jetzt sind wir bei der neunten Klasse angelangt. Das liegt an unserem Konzept: Wir wollen langfristiger Ansprechpartner sein. Wir wollen den Kindern nicht sagen, dass sie zu alt sind und nicht mehr kommen dürfen. Unser großes Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen bis zum Berufseinstieg zu begleiten. Sie eben stark fürs Leben zu machen, mit allem was dazu gehört.

Die Arche ist jetzt fünf Jahre vor Ort. Haben Sie in dieser Zeit schon Bildungskarrieren beobachten können?

Das kommt auf die Perspektive an. Wir haben jetzt Jugendliche in der Betreuung, die sich in einem Jahr nach einer Ausbildung umschauen werden, dabei werden wir sie unterstützen. Wir haben auch einige Mütter in Deutschkurse vermitteln können. Bei den Kindern nehmen wir schon schulische Erfolge wahr, es gibt einige, die inzwischen ein Gymnasium besuchen. Das freut uns. Daneben nehmen wir bei den Kindern ein verändertes soziales Verhalten wahr. Unser größter Wert ist Respekt, und den leben wir hier auch vor. Jede Person ist in der Arche herzlich willkommen, wie es schon im Flur in bunten Buchstaben jeden begrüßt, der die Räume betritt. Da spielt Religion keine Rolle, übrigens auch für die Eltern nicht. Die sind überwiegend muslimischen Glaubens, haben aber überhaupt kein Problem damit, dass die Arche ein christlicher Träger ist, weil wir eben bestimmte Werte vermitteln.

Über welchen Zeitraum betreuen Sie die Kinder?

Einige Familien kennen wir seit fünf Jahren, die wir hier sind. Da sind langfristige Beziehungen gewachsen. Wir sind schon sehr nah dran. Vor wenigen Tagen war noch ein rumänischer Junge bei uns, dessen Familie nach Gelsenkirchen gezogen ist. Der hatte mal wieder Sehnsucht nach uns. Ich hatte ihn zwei Jahre lang nicht gesehen.

Vor fünf Jahren wurde die Arche in der Siedlung an der Emscherstraße eröffnet. Angesichts des Andrangs waren die Räume schon bei der Eröffnung eigentlich zu klein.
Vor fünf Jahren wurde die Arche in der Siedlung an der Emscherstraße eröffnet. Angesichts des Andrangs waren die Räume schon bei der Eröffnung eigentlich zu klein. © Dietmar Wäsche / FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Das klingt, als ob die Arche für viele Menschen ein Anker ist. Was würde passieren, wenn es die Arche nicht mehr gäbe?

Dann würde eine große Lücke entstehen. Die enge Beziehung ist auch dadurch entstanden, dass wir die Familien fragen, was sie für einen Bedarf haben. Möchten die Eltern Hilfe bei Bewerbungen, laden wir jemanden ein, der das mit ihnen übt. Wir sind als Team sehr flexibel. Im Grunde bieten wir eine allgemeine Lebenshilfe. Im Mittelpunkt steht dabei aber die offene Kinder- und Jugendarbeit mit gemeinsamen kostenlosen Mittagessen, Hausaufgabenhilfe und Spiel-und Freizeitangeboten, auch in den Ferien.

Bei all den Erfolgen: Gibt es gar keine Probleme?

Doch! Beim Thema Personal stehen wir vor dem Problem, dass wir eine halbe Stelle für die Jugendarbeit ausgeschrieben haben, aber seit einem Jahr niemanden finden. Die größte Herausforderung ist allerdings die räumliche Situation. Im Grunde waren wir schon bei der Eröffnung zu klein und müssen manchmal schauen, wie wir alle Kinder gleichzeitig unterkriegen. Wir sind in einer 4-Zimmer-Wohnung mit 97 Quadratmetern untergebracht, das reicht hinten und vorne nicht. Wir haben inzwischen so viele Angebote, dass wir schon lange größere Räume suchen. Unser Bedarf liegt bei zwischen 200 und 500 Quadratmetern, damit wir unsere Arbeit kontinuierlich ausbauen können. Das heißt, dass wir nicht in der Siedlung an der Emscherstraße bleiben werden. Wir wollen näher an die Wanner Innenstadt rücken. Es laufen auch bereits Gespräche, aber wir müssen abwarten, wie die sich entwickeln. Fest steht: Der Bedarf der Unterstützung ist weiterhin hoch. Wir sind also gekommen, um zu bleiben. Wir sind hier im Stadtteil Herne-Wanne angekommen, haben viele gute Netzwerkparterinnen und Partner und freuen uns auf die nächsten fünf Jahre Arche! Wo auch immer wir dann den nächsten runden Geburtstag feiern werden.

>>> CHRISTLICHES KINDER- UND JUGENDWERK

• Die Arche ist ein christliches Kinder- und Jugendwerk, das sich zu fast 100 Prozent über Spenden finanziert.

• Der Verein ist 1995 von Pastor Bernd Siggelkow in Berlin gegründet worden. Die Arche unterhält in Deutschland rund 25 Einrichtungen (Freizeitangebote, Schulbetreuung, Kita).

• Weitere Informationen auf www.kinderprojekt-arche.de