Herne. Tests zur Müllverdichtung: Beim Ortstermin auf der Deponie hat die Politik scharfe Kritik geübt. Wie es weitergeht, warum Engpässe drohen.

Der am Mittwoch unangekündigt gestartete dreitägige Test zur Verdichtung von Müll auf der Zentraldeponie Emscherbruch hat weder zu Lärmbelästigungen noch zu spürbaren Erschütterungen im Wohnumfeld gesorgt. Zu diesem Ergebnis kamen Politiker aus Herne und Gelsenkirchen am Freitag bei einem Ortstermin auf Einladung der Deponiebetreiberin AGR. Umso lauter und nachhaltiger waren jedoch die Kritik sowie eine Forderung, die alle Parteien (erneut) an die Tochter des Regionalverbands Ruhr (RVR) adressierten: Nein zur Verdichtung von Abfall auf der Zentraldeponie!

Verdichtung von Müll: Entscheidung fällt im Januar

Ob die Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet, so der volle Name, dieses aus Mangel an Deponiekapazitäten ins Auge gefasste Modell tatsächlich realisieren wird, entscheidet sich erst Mitte/Ende Januar nach Auswertung des von Fachfirmen (TÜV Nord, DMT) begleiteten Versuchs. Bei diesem Test wurde auf drei ausgewählte Flächen der Zentraldeponie über drei Tage ein 17 Tonnen schwerer Block aus 25 Metern Höhe zur Verdichtung auf den Boden fallen gelassen. Nicht nur für die AGR Neuland: Auf deutschen Deponien sei ein solches Verfahren bisher nicht getestet worden, berichtete Unternehmenssprecher Jürgen Fröhlich.

Die Herner Stadtverordnete Barbara Merten beim Ortstermin vor einem mehrere Meter tiefen Krater, der durch das Verdichten von Müll entstanden ist..
Die Herner Stadtverordnete Barbara Merten beim Ortstermin vor einem mehrere Meter tiefen Krater, der durch das Verdichten von Müll entstanden ist.. © Lars Christoph

Für die Vertreter der Kommunalpolitik steht das Ergebnis dieser Testreihe bereits jetzt fest. „Das eine Verdichtung nicht zu weiteren Belastungen für Anwohnerinnen und Anwohner führen würde, ist eine Lüge“, sagte Gelsenkirchens Umweltausschussvorsitzender Manfred Leichtweis in Richtung AGR. De facto würde es sich auch um eine Laufzeitverlängerung handeln, weil die Deponie ohne eine Verdichtung möglicherweise bereits vor der (von der AGR „prognostizierten“) Deadline 2030/31 geschlossen werden könnte – so wie es AGR-Chef Joachim Ronge noch 2021 im Herner Umweltausschuss in Aussicht gestellt hatte.

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So vehement sich die Politiker aus Herne und Gelsenkirchen auch gegen eine Verdichtung aussprechen – direkten Einfluss auf die Entscheidung haben sie nicht. Die Politik ist aber sehr wohl beteiligt. Konkret: über den AGR-Aufsichtsrat, dessen Mitglieder vom Ruhr-Parlament des Regionalverbandes Ruhr (RVR) gewählt werden. Aus Herne gehört SPD-Chef und Ratsherr Hendrik Bollmann diesem Gremium an, aus Gelsenkirchen niemand. Neben der Entsorgungssicherheit dürften auch finanzielle Aspekte bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen: Laut RVR-Beteiligungsbericht 2020 (neuere Berichte liegen noch nicht vor) hat die AGR ihrer Mutter damals einen Jahresgewinn von rund sechs Millionen Euro überwiesen.

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Zurück zum Ortstermin: Gefühlt 23-mal entschuldigte sich AGR-Sprecher Fröhlich für die von den Parteien als kommunikatives Desaster empfundene Informationspolitik rund um die Verdichtungstests auf der Deponie. „Das hätte man deutlich besser machen können. Die Reaktionen haben uns erschüttert“, so Fröhlichs Fazit. Zur Erinnerung: Weder die Städte noch das Wohnumfeld waren vorab von der AGR über die Pläne und die konkreten Tests informiert worden.

Aus Sicht von CDU und FDP war dies jedoch kein einmaliger Ausrutscher. Die AGR habe in den vergangenen Jahren durch ihr Verhalten viel Vertrauen verspielt, sagte Gelsenkirchens FDP-Fraktionsgeschäftsführerin Angelika Wölke. Und die Herner Umweltpolitikern und Ratsfrau Barbara Merten (CDU) erinnerte daran, dass die Kommunikation des öffentlich-rechtlichen Unternehmens in Sachen Deponie trotz anderslautender Ankündigungen sehr zu wünschen übrig lasse: „Das ist nicht akzeptabel und für uns nicht hinnehmbar.“

Schwierige Suche nach einem neuem Deponie-Standort

In einem Punkt gab es immerhin so etwas wie Einigkeit: Es müsse schnellstmöglich ein neuer Deponiestandort gefunden werden, damit das Ruhrgebiet nicht in einigen Jahren vor „dramatischen Entsorgungsengpässen“ (Fröhlich) steht. Als Deponie-Standorte ins Auge gefasst worden seien Duisburg, Dorsten und Marl, sagte der Herner Umweltausschussvorsitzende Pascal Krüger (Grüne).

Ortstermin auf der Zentraldeponie: (v.li.) Bezirksbürgermeister Wilfried Heidl (GE-Ost), AGR-Sprecher Jürgen Fröhlich, Barbara Merten (CDU), Angelika Wölke (FDP), Pascal Krüger (Grüne), Stephan Tondort (Grüne), Manfred Leichtweis (SPD), Wannes Bezirksbürgermeister Uwe Purwin, Andreas Hentschel-Leroy (SPD) sowie die AGR-Mitarbeiter Detlef Löwe und Martin Wilmes.
Ortstermin auf der Zentraldeponie: (v.li.) Bezirksbürgermeister Wilfried Heidl (GE-Ost), AGR-Sprecher Jürgen Fröhlich, Barbara Merten (CDU), Angelika Wölke (FDP), Pascal Krüger (Grüne), Stephan Tondort (Grüne), Manfred Leichtweis (SPD), Wannes Bezirksbürgermeister Uwe Purwin, Andreas Hentschel-Leroy (SPD) sowie die AGR-Mitarbeiter Detlef Löwe und Martin Wilmes. © loc

Das Problem: Die Kommunen sind zwar zuständig für die Entsorgung, doch natürlich nicht daran interessiert, eine Deponie vor der Haustür zu haben. Ein gesellschaftlicher Konsens zwischen den Kommunen und den übergeordneten politischen Entscheidungsträgern müsse her, sagte der AGR-Sprecher. Gelinge dies nicht, müsste der Abfall in einigen Jahren zu Deponien außerhalb des Ruhrgebiets transportiert worden, was für Umwelt und Gebühren negative Folgen hätte.

Herne und Gelsenkirchen hätten die Belastungen viele Jahrzehnte tragen müssen, sagte der SPD-Stadtverordnete Leichtweis. Nun seien andere am Zug: „Je eher die Deponie geschlossen wird, desto besser.“

>>> Austausch mit dem AGR-Chef

Nach dem Ortstermin auf der Deponie tauschten sich einige politischen Vertreter noch mit AGR-Geschäftsführer Joachim Ronge aus. „Wir haben unsere Botschaft deutlich rübergebracht“, so Pascal Krüger (Grüne) zur WAZ.

Ein Ergebnis des Gesprächs: In Zukunft solle es neben von der AGR bereits eingeführten Veranstaltungen mit Anwohnerinnen und Anwohnern der Deponie auch Gesprächskreise des Unternehmens mit politischen Vertreterinnen und Vertretern geben.