Herne. Müll, Beleidigungen, Lärm, Drohungen: Anwohner eines Herner Problemhauses klagen über unhaltbare Zustände. Wie die Stadt darauf reagiert.

Die Anbahnung des Ortstermins ist sicherlich nicht alltäglich: CDU-Politiker Markus Mähler erfuhr beim Friseurbesuch von der sich zuspitzenden Situation im Umfeld der Steinstraße 7 in Wanne-Süd. Doch das Phänomen ist seit vielen Jahren in Herne nur zu bekannt: Südosteuropäische Bewohnerinnen und Bewohner – in der Regel Großfamilien – eines sogenannten Problemhauses terrorisieren die Nachbarschaft. „Ich kann nicht mehr“, bringt eine Anwohnerin der Steinstraße ihre Gefühlslage auf den Punkt.

Das Problemhaus an der Steinstraße. Das Technische Rathaus der Stadt liegt in der Nachbarschaft.
Das Problemhaus an der Steinstraße. Das Technische Rathaus der Stadt liegt in der Nachbarschaft. © FFS

Dass die Stadt die Klagen und Beschwerden nicht auf die leichte Schulter nimmt, das zeigt schon die prominente Besetzung bei diesem Nachmittagstermin. Auf Einladung von Mähler und seiner Ratskollegin Barbara Merten nehmen für die Stadt die Dezernenten Frank Burbulla und Andreas Merkendorf sowie Abteilungsleiterin Sigrid Mertens mit Kräften des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) teil.

Ruhestörungen, Drohungen und sexuelle Anspielungen

Es klingt dramatisch und teilweise bedrohlich, was Anwohnerinnen und Anwohner des äußerlich ansehnlichen Mehrfamilienhauses berichten. Von Kindern ist die Rede, die mit dem Finger am Hals die Kehle-durchschneiden-Geste zeigen. Von Beschimpfungen und Aussagen mit sexuellen Anspielungen gegenüber Frauen. Von Müll, der aus der dritten Etage auf den Hof geworfen wird. Von nächtlichen Ruhestörungen durch die offensichtlich überwiegend aus Rumänien stammenden Menschen, insbesondere im Sommer. Von „undurchschaubaren Machenschaften“ mit alten Autos. Oder von Ratten, die immer häufiger gesichtet werden.

Wie stark die Probleme mit Bewohnern und Besuchern des Altbaus Steinstraße 7 das Leben in der Nachbarschaft beeinträchtigen, dafür stehen insbesondere die Schilderungen einer alleinerziehende Mutter, eines Friseurmeisters und eine seit ihrer Geburt vor 70 Jahren im Viertel lebenden Frau. Die Mutter erzählt, dass ihre Tochter sich bisweilen nicht traut, auf die Straße zu gehen, wenn mehrere Männer in ihrem Eingang säßen und den Durchgang blockierten. Und sie macht sich Sorgen um die Tageseltern-Einrichtung, die sie auf der Steinstraße eröffnen will.

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Friseur Michael Kämper – er brachte in seinem Salon auf der Steinstraße 2 beim Haarschnitt für CDU-Politiker Mähler den Stein ins Rollen – berichtet nicht nur von alltäglichen Ärgernissen, sondern auch, dass er aufgrund der sichtbaren Missstände Probleme habe, leerstehende Wohnungen zu vermieten. Ein Anwohner pflichtet ihm bei: Sein Bruder möchte wieder nach Herne ziehen, doch nach einem Besuch komme für ihn die Steinstraße nicht mehr in Frage. Und eine 70-Jährige, die zeit ihres Lebens in diesem Viertel wohnt, ist kaum zu bremsen und macht ihrem Herzen bei dem 75-minütigen Ortstermin immer wieder Luft. Die lange Liste mündet in die Aussage: „So etwas habe ich hier noch nie erleben müssen.“

Die CDU hatte nach Anwohnerhinweisen zu dem Ortstermin an die Steinstraße eingeladen. Auf dem Steinplatz – im Hintergrund das Technische Rathaus – tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter von Stadt und Politik über 75 Minuten lang aus.
Die CDU hatte nach Anwohnerhinweisen zu dem Ortstermin an die Steinstraße eingeladen. Auf dem Steinplatz – im Hintergrund das Technische Rathaus – tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter von Stadt und Politik über 75 Minuten lang aus. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Dezernent: Wir nehmen das sehr ernst und kümmern uns

Die Stadt erlebe so etwas seit der Osterweiterung der EU immer wieder, signalisiert Rechts- und Ordnungsdezernent Frank Burbulla. Die Anmerkung der CDU, dass die Zahl der Problemhäuser in Herne steige, will der (CDU-)Dezernent allerdings nicht teilen und spricht stattdessen von „Wellenbewegungen“. Rund 20 Herner Problemhäuser stünden zurzeit auf der „Prioritätenliste“ der Verwaltung, sagt er, insgesamt habe man 60 Immobilien im Blick.

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Die Klagen über das Haus auf der Steinstraße – das Technische Rathaus ist direkt um die Ecke – stellen Burbulla & Co. nicht in Abrede. „Wir nehmen das sehr ernst. Wir kümmern uns“, sagt er. Und das „mit Herzblut“, wie neben Burbulla auch KOD-Chefin Sigrid Mertens betont. Der Stadt sei die Problematik natürlich schon länger bekannt. Es gelte an diesem und anderen Standorten zu verhindern, dass das gesamte Umfeld abrutsche. An der Steinstraße stimme die Struktur aber offenbar noch.

Sigrid Mertens ist bei der Stadt für den Kommunalen Ordnungsdienst zuständig. (Archivbild)
Sigrid Mertens ist bei der Stadt für den Kommunalen Ordnungsdienst zuständig. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die Stadt sei an den gesetzlichen Rahmen gebunden, erklärt Burbulla. Und: Bei Straftaten sei die Polizei am Zuge. Aber Möglichkeiten gebe es durchaus. Vom „ganzheitlichen Blick“ spricht der Dezernent und verweist auf die zahlreichen städtischen Ämter und Institutionen, die bei Problemlagen dieser Art eingeschaltet würden. „Wenn alle zusammenarbeiten, können wir eine Menge erreichen.“ Und Kinder- und Jugenddezernent Andreas Merkendorf erzählt von den Anstrengungen, die die Stadt bei den Kindern dieser Zuwanderergruppe unternimmt: „Diese können wir noch erreichen.“ Bei Erwachsenen sollte man sich jedoch keine zu großen Illusionen machen.

Wichtig sei, so die zentrale Botschaft, dass Betroffene sich bei Problemen auch umgehend bei der Stadt meldeten. Telefonnummern von Anlaufstellen werden verteilt. Und die CDU-Stadtverordnete Barbara Merten, sie ist auch Vorsitzende des Ausschusses für Bürgerbeteiligung, Sicherheit und Ordnung, verspricht, dass auch die CDU (nicht nur nach Friseurbesuchen) am Ball bleiben werde.

>>> Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes

Der Kommunale Ordnungsdienst sei in diesem Jahr um sechs Stellen aufgestockt worden, berichtete die Verwaltung beim Ortstermin in Wanne-Süd.

Insgesamt zähle diese städtische Abteilung 27 Stellen. Vier Stellen seien aufgrund der „üblichen Fluktuation“ zurzeit nicht besetzt, so die Stadt am Dienstag auf Anfrage.