Herne. Die Energiepreise schießen in die Höhe. Die Verbraucherzentrale Herne beantwortet die zehn häufigsten Fragen ihrer Kunden zu Gas und Strom.

  • Der Energiepreisschock sorgt für Verunsicherung bei den Menschen.
  • Die Verbraucherzentrale in Herne erlebt deshalb einen Ansturm
  • Die Beratungsstelle klärt die wichtigsten Fragen.

Der Energiepreis-Schock trifft viele Menschen hart – gerade auch in Herne. Viele Versorger ziehen bei den Preisen für Strom und Gas kräftig an. Die Verunsicherung und die Angst bei den Menschen sind riesig: Die Verbraucherzentrale in Herne kann sich vor Anfragen kaum retten. Was tun? Silke Gerstler, Umweltberaterin der Beratungsstelle Herne der Verbraucherzentrale NRW, hat für die Redaktion die zehn Fragen zusammengestellt, die der Beratungsstelle aktuell am häufigsten gestellt werden – und gleich beantwortet.

1. Darf mein Energieanbieter die Preise überhaupt erhöhen?

Grundversorger dürfen die Preise grundsätzlich erhöhen, wenn bestimmte Kostenfaktoren, auf die sie keinen Einfluss haben, ansteigen, sagt Silke Gerstler. In Sonderverträgen müsse das Preisänderungsrecht dagegen wirksam in den AGB (Kleingedrucktes) vereinbart sein.

Grundversorgung: Wenn kein besonderer Strom- oder Gastarif vereinbart worden sei, werde man als Haushaltskunde in der Grundversorgung zu den sogenannten Allgemeinen Preisen beliefert. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn eine Wohnung bezogen wird, für die kein Energieliefervertrag besteht, und einfach Strom oder Gas genutzt wird.

Sondervertrag: Sei mit dem Grundversorger oder einem anderen Anbieter ein besonderer Tarif vereinbart worden, dann sei man rechtlich gesehen „Sonderkunde“. Gerstler: „Dann gelten die vom Anbieter im Vertrag festgelegten Bedingungen (AGB).“

2. Was ist, wenn ich an meinen Versorger nicht zahlen kann – droht mir dann eine Sperre?

Expertin rund ums Thema Energie ist bei der Verbraucherzentrale in Herne die Umweltberaterin Silke Gerstler (r.). Mit im Bild: Veronika Hensing, Leiterin der Verbraucherzentrale.
Expertin rund ums Thema Energie ist bei der Verbraucherzentrale in Herne die Umweltberaterin Silke Gerstler (r.). Mit im Bild: Veronika Hensing, Leiterin der Verbraucherzentrale. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Bisher wurde laut Gerstler kein gesetzlicher Schutzmechanismus für diesen Fall beschlossen. In Herne würden momentan Möglichkeiten im Arbeitskreis „Stromsperren“ besprochen. Dort träfen sich Vertreterinnen und Vertreter von Herner Verbänden, Vereinen, Politik oder den Stadtwerken Herne, die direkt mit den Problemen der Herner zu tun hätten. Dabei würden Lösungsmöglichkeiten gesucht und aktuelle Probleme besprochen. Wer mit Abschlagszahlungen in Verzug sei, müsse mit Energiesperren rechnen. In einer Abwendungsvereinbarung werde zudem eine Ratenzahlung angeboten. „Wichtig ist, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern sofort das Gespräch zu suchen“, rät die Expertin.

3. Hilft aktuell ein Wechsel zu einem anderen Strom- oder Gasanbieter oder in einen anderen Tarif?

Ein Anbieterwechsel sei zurzeit nicht einfach, sagt Gerstler. Viele Anbieter nähmen keine neuen Kundinnen und Kunden auf. Und die am Markt verfügbaren Neukundentarife seien sehr teuer: „Die bekannten Preisportale bieten nur ein rudimentäres Angebot, und manche angezeigten Tarife im Preisportal sind nicht mehr am Markt verfügbar.“ Jeder sollte deshalb die Ergebnisse von Vergleichsportalen beim Anbieter selbst überprüfen und sich zusätzlich bei lokalen Anbietern vor Ort nach Tarifen erkundigen. Vor einem Anbieterwechsel sollte jeder außerdem zuerst die eigenen aktuellen Tarifkonditionen überprüfen und Fragen klären wie: Wer ist der Anbieter? Wie sehen der Jahresverbrauch bei Gas und die Preiskonditionen aus? Gibt es eine eingeschränkte Preisgarantie oder vielleicht sogar eine Festpreisgarantie? Gerstler warnt vor Vertragsabschlüssen, die am Telefon eingeleitet oder an der Haustür abgeschlossen werden.

4. Was kann ich bei einem untergeschobenen Strom- oder Gasvertrag tun?

Strom- und Gasverträge, die online, telefonisch oder an der Haustür abgeschlossen wurden, könnten innerhalb von 14 Tagen widerrufen und der Vertrag so unwirksam gemacht werden. Ab dem Tag, an dem diese Belehrung vorliegt, habe man 14 Tage Zeit, den Widerruf abzusenden. In der Regel erhalte man die Belehrung über das Widerrufsrecht gleichzeitig mit dem Begrüßungsschreiben beziehungsweise der Auftragsbestätigung. „In diesen Fällen raten wir, auf Nummer sicher zu gehen und den Widerruf nachweislich abzuschicken, also zum Beispiel per Einschreiben.“ Dafür könne das Widerrufsformular verwendet werden, das der Energielieferant zur Verfügung stelle.

Ein Wechsel eines Anbieters sei zurzeit nicht einfach, sagt die Expertin.
Ein Wechsel eines Anbieters sei zurzeit nicht einfach, sagt die Expertin. © dpa | Federico Gambarini

5. Wer muss die Gasumlage als Zusatzabgabe zahlen?

„Im Gesetz und der bisherigen politischen Diskussion erkennen wir die Absicht, dass es um alle privaten und gewerblichen Gaskunden in Deutschland geht“, sagt Gerstler. „Ein Bedarf der Gasimporteure würde dann, wenn es denn so kommt, auf sämtliche Endkunden aufgeteilt und kann als Umlage schließlich auf der Gasrechnung landen.“ Trotz der Unsicherheit, wie das Gesetz genau wirkt: Wer mit Gas heize oder Fernwärme beziehe, die mit Gas produziert wird, sollte sich auf die Umlage einstellen. Dies gelte sowohl für Eigentümerinnen und Eigentümer, die selbst in ihrer Immobilie wohnen, als auch für Mieterinnen und Mieter. Viele Fernwärme-Anbieter setzten zur Wärmeerzeugung auf Gas. Sie sähen sich von den stark gestiegenen Preisen ebenso betroffen. Sie forderten, dass sie die Umlage ebenfalls auf ihre Kundinnen und Kunden umlegen dürfen. Eine eindeutige Aussage des Gesetzgebers gebe es aber nicht.

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6. Muss ich die Gasumlage trotz einer Preisgarantie in meinem Vertrag trotzdem zahlen?

In einigen Punkten werde über das Gesetz und die richtigen Auslegung noch gestritten. Die Lage könne sich verändern, meint Gerstler. Juristisch unklar sei vor allem, ob Verträge mit Preisgarantie/Festpreisgarantie vor der Gasumlage schützen. Die Expertin sagt aber: „Wenn Sie einen Vertrag mit Preisgarantie haben und ihr Versorger die Umlage an Sie weiterreicht, dann zahlen sie diese erst einmal, falls Sie es finanziell können. Aber machen Sie ihrem Versorger schriftlich klar, dass Sie nur unter Vorbehalt zahlen. Damit ersparen Sie sich etwaige Probleme.“ Reguläre Preiserhöhungen seien unabhängig von der Umlage möglich. Es sei wahrscheinlich, dass sowohl reguläre Preiserhöhungen als auch die eventuell kommende Umlage zu zahlen seien.

7. Welche Möglichkeiten gibt es, um zu prüfen, ob meine neue Abschlagszahlung korrekt berechnet wurde?

Wer nicht wisse, wie viel Energie er verbrauche, könne bei der Jahresabrechnung eine böse Überraschung erleben. Zähler sollten regelmäßig abgelesen und notiert werden. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher bekämen von Versorgern sowie Vermieterinnen und Vermietern neue Energiepreise mitgeteilt. Mit dem Online-Rechner auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW könne man mit wenigen Daten den neuen Abschlag berechnen. Mit ihm könne auch geprüft werden, ob ein geforderter neuer Abschlag die korrekte Höhe hat. Link: www.verbraucherzentrale.nrw/wissen/energie/preise-tarife-anbieterwechsel/energiepreisrechner-das-ist-ihr-passender-abschlag-fuer-strom-oder-gas-75669

Die Menschen sollten ihre Zähler regelmäßig ablesen, schlägt die Verbraucherzentrale vor.
Die Menschen sollten ihre Zähler regelmäßig ablesen, schlägt die Verbraucherzentrale vor. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

8. Wie ist das für Mieter geregelt: Sind hier Erhöhungen von Abschlägen nur jährlich möglich oder auch sofort mit der Umlage?

Wollen Vermieterinnen und Vermieter die Kosten auf Mieterinnen und Mieter umlegen, könnten sie das tun. Die Verbraucherzentrale NRW geht davon aus, dass die Umlage, falls sie kommt, nur mit einer Heizkostenabrechnung geltend gemacht werden kann. Wegen der neuen Umlage könnten Vermieterinnen und Vermieter eine Zwischenrechnung schicken und die Abschläge anpassen. Sie müssten nicht bis zur nächsten regulären Jahresabrechnung warten. Gerstler rät, bis zur nächsten Abrechnung zu warten. Komme sie nicht zur Einführung der Umlage zum 1. Oktober 2022, dann müsse sich nur jeder bewusst sein, im Zweifel hohe Nachzahlungen leisten zu müssen. Das Geld dafür sollte vorsorglich angespart werden.

9. Wie behalte ich meinen Energieverbrauch unter Kontrolle?

Silke Gerstler rät, die Zählerstände mindestens einmal im Quartal zu überprüfen und diese zum Beispiel in einer Tabelle zu notieren: „Jeder solle sich darüber hinaus ganz konsequent überlegen, wo Energie eingespart werden kann.“ Es sei zudem wichtig, darauf zu achten, dass die Abschlagszahlungen auch zum Verbrauch passen und weder zu niedrig noch deutlich zu hoch bemessen sind: „Zu niedrige Abschlagszahlungen führen zu hohen Nachforderungen bei der Jahresrechnung.“ Bei zu hohen Abschlagszahlungen könne man sich zwar bei der Jahresrechnung auf eine Rückzahlung freuen. Doch fehle dann das Geld in den Vormonaten womöglich an anderer Stelle.

„Jeder solle sich darüber hinaus ganz konsequent überlegen, wo Energie eingespart werden kann“: Silke Gerstler, Umweltberaterin der Herner Verbraucherzentrale.
„Jeder solle sich darüber hinaus ganz konsequent überlegen, wo Energie eingespart werden kann“: Silke Gerstler, Umweltberaterin der Herner Verbraucherzentrale. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

10. Wie soll ich das am Ende alles bezahlen, und wie kann ich die hohen Kosten unter Kontrolle behalten?

Es gebe verschiedene Möglichkeiten, sagt Gerstler. Ein Haushaltsbuch zu führen, sei eine davon. Wer wissen wolle, ob er zu den Menschen gehöre, die Hilfe über das Entlastungspaket erhalten, könne sich dazu auf der Internetseite des Finanzministeriums auf www.bundesfinanzministerium.de informieren. Informationen zum Heizkostenzuschuss gebe es auf der Internetseite der Bundesregierung: www.bundesregierung.de. Wer eine hohe Nachzahlung nicht aus dem Einkommen zahlen könne, sollte sich an das örtliche Jobcenter oder an das Sozialamt wenden, wenn man nicht erwerbsfähig ist. Wer keine Sozialleistungen erhalte und die Nachzahlung beziehungsweise die Jahresrechnung nicht auf einmal begleichen könne, sollte versuchen, mit dem Energieversorger eine Ratenzahlung auszuhandeln. Vorsicht ist laut Gerstler beim Geldleihen geboten: Die Inanspruchnahme des Dispositionskredites – auch „Dispo“ genannt – auf dem Girokonto sei höchstens vorübergehend eine Option, um Engpässe auszugleichen.

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Die Verbraucherzentrale an der Freiligrathstraße 12 ist telefonisch unter 02323 9604250 zu erreichen. Die Öffnungs- und Beratungszeiten sind montags und freitags von 9 bis 13 und dienstags und donnerstags jeweils von 9 bis 13 Uhr sowie 14 bis 17.30 Uhr.

Auf der Internetseite www.verbraucherzentrale.nrw gibt es weitere Informationen zum Energiesparen