Herne. Der Fachkräftemangel macht sich auf dem Herner Ausbildungsmarkt deutlich bemerkbar: Die Chancen auf eine Lehrstelle sind so gut wie nie.

Im August und September beginnen traditionell viele junge Menschen - auch in Herne - mit ihrer Ausbildung. In früheren Jahren blieben in Herne viele Jugendliche unversorgt, weil nicht genug Lehrstellen angeboten wurden. Doch das Bild wandelt sich, wie Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion, erläutert.

„Sehr zufrieden“ zeigt sich der Agentur-Chef mit der Zahl der Stellenangebote. Stand August seien von Herner Unternehmen 903 Ausbildungsstellen gemeldet gewesen. „Das ist der höchste Stand, den die Agentur für Arbeit statistisch nachweisen kann.“ In früheren Jahren habe man immer versucht, Arbeitgeber zu überzeugen, Stellen bereitzustellen. „Das ist in diesem Jahr nicht unser Problem“, so Neukirchen-Füsers. Zurzeit gebe es mehr offene Ausbildungsstellen als suchende Bewerber. „Jeder Jugendliche, der jetzt noch sucht, könnte, wenn man allein die Zahlen betrachtet, auch etwas finden.“

Rechnerisch ist das Verhältnis von offenen Lehrstellen und Bewerbern ausgeglichen

Wenn man alle gemeldeten Stellen und alle Bewerberinnen und Bewerber betrachte, gebe es immer noch unversorgte Jugendliche. Allerdings gebe es mehrere hundert Jugendliche, die im Gesundheitsbereich schulische Ausbildungen absolvieren, die in der Statistik nicht auftauchen. Mit dieser Betrachtung ergebe sich ein 1:1-Verhältnis. Da das Ausbildungsjahr noch nicht abgeschlossen sei, wolle er noch keine Entwarnung geben, so Neukirchen-Füsers.

Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Herne und Bochum: „Wir haben in Herne so gute Ausbildungsmöglichkeiten wie noch nie.“
Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Herne und Bochum: „Wir haben in Herne so gute Ausbildungsmöglichkeiten wie noch nie.“ © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Die Lehrstellen, die jetzt noch angeboten würden, seien Klassiker. Der Einzelhandel suche in allen Bereichen, Büromanagement, auch medizinische Fachangestellte würden in allen Bereichen gesucht. Aber auch im Handwerk gebe es noch zahlreiche unbesetzte Ausbildungsplätze. Neukirchen-Füsers Botschaft an alle Jugendlichen, die noch auf der Suche sind: Es lohnt sich auf jeden Fall, Kontakt mit der Agentur aufzunehmen. „Wir haben in Herne so gute Ausbildungsmöglichkeiten wie noch nie.“

Und es sei absehbar, dass für Jugendliche die Chancen auf einen Ausbildungsplatz steigen. Auf Grund der Tatsache, dass in den nächsten zehn Jahren die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Berufsleben ausscheiden, werde es auf dem Herner Arbeitsmarkt eine dicke Delle geben. „Die werden wir so schnell mit jungen Leuten gar nicht auffüllen können“, so Neukirchen-Füsers. Denn unter jenen, die ausscheiden, seien Fachkräfte, Meister und Spezialisten.

Betriebe müssen sich attraktiv für den Nachwuchs machen

Für Betriebe bedeute dies in Zukunft: Sie müssten sich selbst attraktiv machen und sich quasi bei den jungen Menschen bewerben. „Jetzt können sich die jungen Leute ihre Ausbildungsstelle aussuchen.“ In Bochum gebe es seit Beginn des Ausbildungsjahres mehr Stellen als Bewerber. Diese Umkehrung werde zunehmen. Betriebe müssten froh sein, wenn sie überhaupt Bewerbungen erhalten. Und im nächsten Schritt müssten sie sehen, wie sie die Azubis erfolgreich durch die Ausbildung führen. Denn sie müssten auf Grund des demografischen Wandels stärker auf Bewerber aus der zweiten oder dritten Reihe schauen. Die Herausforderung werde Unternehmen, aber auch die Agentur für Arbeit in den nächsten Jahren beschäftigen.

In der Corona-Pandemie hatte der Agentur-Chef bei den Jugendlichen die Tendenz ausgemacht, dass sie lieber abwarten, bevor sie eine Lehre starten. Diese Tendenz sei immer noch zu spüren, auch wenn sie sich abgeschwächt habe. So gebe es im aktuellen Schulentlassjahrgang wieder viele Bewerber. Das liege daran, dass die Agentur im vergangenen Jahr an den Schulen unterwegs gewesen sei und Ausbildungs-Messen stattfinden würden. Doch es fehlten Bewerber aus dem letzten und vorletzten Jahr. Neukirchen-Füsers rätselt, wo diese Bewerber abgeblieben sind. Ein Teil habe möglicherweise eine Arbeit aufgenommen, andere befänden sich vielleicht im Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahr.

>>> KONTAKT FÜR BEWERBER UND UNTERNEHMEN

Für Jugendliche stehen Berufsberater der Agentur für Arbeit telefonisch unter 0800 4 5555 00 oder über die Anwahl des persönlichen Beraters zur Verfügung.

Betriebe, die auf der Suche nach einem oder mehreren Auszubildenden sind, können sich bei der Agentur für Arbeit unter 0800 4 5555 20 oder beim persönlichen Betreuer im Arbeitgeber-Service melden.