Herne. Was sagen Herner zum Entlastungspaket? Eine Politikerin, ein Rentner, eine Sozialberaterin, ein Unternehmer und Fahrgäste beziehen Stellung.

Die Bundesregierung hat am Wochenende ein drittes Entlastungspaket im Umfang von 65 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Darin enthalten sind eine Vielzahl an Einzelmaßnahmen. Das sind Reaktionen in Herne.

Das sagt die Bundestagsabgeordnete

„Ein gutes, ein großes, ein notwendiges Entlastungspaket“ - so fällt die Bewertung der Herner SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering aus. Dass die Ampel ein Paket geschnürt habe, sei nicht zuletzt ein Verdienst von Bundeskanzler Olaf Scholz gewesen. 65 Milliarden Euro seien „kein Pappenstiel“, aber der Staat müsse helfen, durch schwere Zeiten zu kommen. „Mir war wichtig, dass auch diejenigen einen Zuschuss erhalten, die bislang noch nicht dabei waren - wie Rentnerinnen und Rentner.“

Auf die Frage, was ihr persönlich in dem aktuellen Paket fehle, antwort Müntefering: „Wir reden nun von rund 100 Milliarden an Hilfen. Man muss realistisch sein, was möglich ist.“ Sie denke aber, dass künftig auch gerade im Ruhrgebiet darauf geachtet werden müsse, wie jene Kommunen durch die Krise kämen, die es strukturell schwerer hätten. Und: „Ich werde mich auch weiter dafür einsetzen, dass auch soziale Einrichtungen wie Awo oder Tafel Hilfen in Anspruch nehmen können.“ Vieles werde nun erst konkret ausgestaltet.

Die Herner Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering nennt das Entlastungspaket „gut, groß und notwendig“.
Die Herner Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering nennt das Entlastungspaket „gut, groß und notwendig“. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

An ihrer jüngst beim Herner SPD-Parteitag erhobenen Forderung nach Einführung einer Vermögenssteuer hält die Bundestagabgeordnete fest: „Ganz klar: Wir brauchen auch über diese Krise hinaus eine Vermögens-Luxussteuer für diejenigen, die exorbitant verdienen.“ Dass Manager sich Millionen Boni ausschütteten, „um sich die vierte Jacht zu kaufen und die Städte in diesen Zeiten fragen, wie sie die Schwimmbäder heizen sollen - das passt einfach nicht zusammen“, so Müntefering.

Die aktuellen Beschlüsse zeigten, dass es die Bereitschaft gebe, leistungslose Übergewinne abzuschöpfen, auch durch nationalstaatliche Gesetzgebung. „Das muss schnell und entschlossen umgesetzt werden - das war auch die einhellige Forderung der SPD-Bundestagsfraktion“, so Müntefering. Dass die FDP das so mitgehe, sei ein „bemerkenswertes Ergebnis“.

Das sagt die Arbeitslosenberaterin

Dagmar Spangenberg-Mades, Leiterin des Herner Zeppelinzentrums, hält 500 Euro Bürgergeld für unzureichend.
Dagmar Spangenberg-Mades, Leiterin des Herner Zeppelinzentrums, hält 500 Euro Bürgergeld für unzureichend. © FUNKE Foto Services | Ralph Bodemer

„Das hatte ich befürchtet“, kommentiert Dagmar Spangenberg-Mades von der Herner Arbeitslosenberatung Zeppelinzentrum die Festsetzung des Bürgergeldes auf 500 Euro im Monat. Hintergrund: Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen, dessen Regelsatz für Alleinstehende ohne Kinder zurzeit bei 449 Euro im Monat liegt.

500 Euro seien unzureichend, sagt Spangenberg-Mades. Es gebe jetzt schon Fälle, dass die im Regelsatz enthaltene Summe für Strom von rund 36 Euro längst nicht mehr ausreiche. „Ich habe Menschen in der Beratung, die bei einem angemessenen Stromverbrauch schon vor der Strompreiskrise bei 56 Euro lagen“, so Spangenberg-Mades im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Dass die Regelleistung unzureichend sei, habe der Lebensmittel-Warenkorb offenbart, den sie aus Anlass einer Aktion zusammengestellt habe.

Wenn man beim Strom knapsen müsse, sei die Frage, wo man an anderer Stelle einspare. Beim Bürgergeld sollte auf jede Fall ein 6 vorne stehen, fordert Spangenberg-Mades. Außerdem komme der Schritt zu spät, wenn das Bürgergeld erst im Januar starte. Positiv beurteilt sie den beabsichtigten Schutz vor Stromsperren. Auch die Erhöhung des Wohngelds sein ein Schritt in die richtige Richtung.

Das sagt der Unternehmer

Beim Herner Unternehmer Christian Stiebling stoßen die steuerfreien Lohnzuschüsse auf ungeteilte Zustimmung.
Beim Herner Unternehmer Christian Stiebling stoßen die steuerfreien Lohnzuschüsse auf ungeteilte Zustimmung. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Bei Christian Stiebling, Inhaber des gleichnamigen Herner Reifenhandels, stoßen die steuerfreien Lohnzuschüsse auf ungeteilte Zustimmung. Das Entlastungspaket sieht folgende Regelung vor: Wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten wegen der gegenwärtigen Inflation zusätzlich neben dem Gehalt eine Summe auszahlen, dann bleibt dieser Betrag bis 3000 Euro steuer- und abgabenfrei. Das Unternehmen hat rund 200 Mitarbeiter.

Stiebling hat dieses Instrument bereits als Coronaprämie genutzt und hatte im Frühjahr angesichts der damals stark gestiegenen Energiepreise vorgeschlagen, diese steuerfreie Möglichkeit zu wiederholen. Der Unternehmer will nun mit seiner Mitarbeitervertretung darüber sprechen, wann und in welcher Höhe der steuerfreie Lohnzuschuss ausgezahlt werden soll: „Wir müssen den Beschäftigten die Angst vor den aktuell nicht kalkulierbaren Energierechnungen und Preissteigerungen nehmen.“

Das sagt der Rentner

Kanzler Scholz kenne keine Rentner, die SPD schließe Gruppen bewusst aus, er sei sprachlos … über Monate hat der Sodinger Sozialdemokrat Ernst Schilla öffentlich auf Facebook kritisiert, dass er und alle anderen Rentnerinnen und Rentnern bei Entlastungspaketen leer ausgingen. Und nun? „Es ist gut, dass jetzt auch an die Rentner gedacht wird“, sagt der 76-Jährige über die von der Ampel beschlossene Einmalzahlung von 300 Euro. Reicht das aus? „Nein, das wird nicht reichen, aber alles wird der Staat nicht auffangen können“, so Schilla.

>>> DAS SAGEN NUTZER VON BUS UND BAHN

Als Nachfolger des 9-Euro-Tickets ist ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket im Gespräch. Der Preis könnte zwischen 49 und 69 liegen, so die Ampel. Die WAZ hat drei Herner Fahrgäste nach ihrer Meinung gefragt.

Julia (37): „Ich finde, es ist eine schöne Sache. Mir persönlich fehlt aber die Zeit dazu. Wenn man dann das Angebot wirklich bundesweit nutzen möchte, muss man auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung miteinbeziehen.“

Marek (29): „Das 9-Euro-Ticket war ein gutes Angebot für die Sommerzeit, gerade für Schülerinnen und Schüler. 49 Euro für einen bundesweiten Geltungsbereich finde ich auch gut. Ich frage mich nur, inwiefern das tragbar wäre. Die regulären Ticket-Abos, die im 80- bis 100-Euro-Bereich liegen, würden dann wieder wegfallen für einige Zeit.“

Romina Cara (34): „Ich finde die Idee eines 49-Euro-Tickets nicht schlecht. Man kann in seiner Freizeit das Ticket gut nutzen. Wenn es so weit kommt, würde ich mir das Ticket auch sofort holen.“