herne. . Ernst Schilla (SPD) spricht im Bezirk Sodingen Klartext. In den Fokus nimmt er die Stadt, andere Parteien, Genossen und auch schon mal Bürger.

Von einem „Matrosen Schilla“ berichtete die lokale Presse im November 1918, der der deutschen Revolution im Amt Sodingen durch seine politische Initiative zum Durchbruch verholfen haben soll. Knapp 100 Jahre später ist Sodingen von einem Putsch so weit entfernt wie die SPD von einer absoluten Mehrheit im Bund. Doch ein Nachfahre des „Matrosen Schilla“ trägt einen Hauch dieses Widerstandsgeistes immer mal wieder in den Bezirk - zum Leidwesen der Verwaltung, des politischen Partners und Gegners sowie bisweilen auch einiger Bürger.

In die Pflicht genommen

Am heutigen Mittwoch wird Ernst Schilla, ein Neffe des rebellischen Matrosen, die SPD-Bezirksfraktion in dieser Wahlperiode zum neunten Mal in einer Sitzung als Vorsitzender führen. „Ich habe mich nicht um dieses Amt gerissen“, sagt der 72-Jährige im Gespräch mit der WAZ. Doch als der 2014 zum SPD-Fraktions-Chef gewählte Michael Weberink vor zwei Jahren nach einem Karrieresprung im RAG-Konzern politisch kürzer treten musste, da ließ sich der bisherige Vize in die Pflicht nehmen.

„Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig“, sagt der Schriftsetzer, der einst bei der Herner Zeitung gelernt hatte. Was der Rentner darunter versteht, das bekamen die Stadtwerke und die Verwaltung vor einem Jahr in der Diskussion über das Sodinger Baugrundstück Baueracker zu spüren.

Seitenheib beim Thema Sauberkeit auf den OB

Ein externes Büro hatte im Auftrag des Investors Stadtwerke Herne ein komplexes 97-seitiges Fachgutachten über die Sanierung des belasteten Bodens vorgelegt. Nach akribischer Recherche und Analyse nahm Schilla die mit Zahlen und Berechnungen gespickte Untersuchung in der Sitzung regelrecht auseinander. Er legte dar, dass Anwohnern im schlimmsten Fall unzumutbare Belastungen durch den Abtransport des Bodens drohten. Die Stadtwerke setzten am Ende auf eine fürs Umfeld des Bauerackers weniger drastische Sanierungsvariante.

„Herne blitzblank“? Dreck und wilde Müllkippen im Bezirk Sodingen haben Ernst Schilla
„Herne blitzblank“? Dreck und wilde Müllkippen im Bezirk Sodingen haben Ernst Schilla © oh

Und auch bei einigen anderen Themen wurde der Sodinger der (eigentlich) ureigensten Aufgabe eines Mandatsträgers in Bezirk und Rat – Kontrolle der Verwaltung – gerecht. Selbst vor Seitenhieben auf „seinen Oberbürgermeister schreckte der seit 1994 der Bezirksvertretung angehörende Politiker nicht zurück. Müllkippen und mangelnde Sauberkeit im Bezirk kommentierte er mal mit der Aussage: „Es reicht eben nicht, wenn man Plakate mit der Aufschrift ,Herne blitzblank’ aufhängt.“

Klartext redete er auch nach dem verbalen Ausfall des damaligen CDU-Fraktions-Chefs Sven Pietas, nachdem dieser die SPD auf Facebook als „Drecksäcke“ bezeichnet hatte. Und es kommt sogar vor, dass er SPD-Stadtverordneten mitten in der Sitzung in die Parade fährt, wenn diese als Gäste ihr Rederecht nach Schillas Geschmack über Gebühr in Anspruch nehmen.

Politische Zukunft ist noch unklar

Bisweilen schießt der Bezirksverordnete aber schon mal übers Ziel hinaus. Zum Beispiel: wenn er eine junge Verwaltungsmitarbeiterin in der Sitzung unangemessen scharf attackiert. Und in der Zeit vor seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden kam es durchaus mal vor, dass er ihm missliebigen Bürgern in der Sitzung des Bezirks nicht das Wort erteilen lassen wollte.

Wer sich mit Ernst Schilla in Sodingens Mitte trifft, kommt durch Reaktionen aus der Bürgerschaft schnell zu dem Schluss: Der frühere Kicker des SV Sodingen – damals noch in der Defensive – spricht die Sprache der Bürger. Mit „da kommt der Bürgermeister von Sodingen“ wird er auch schon mal begrüßt. Das sei ihm aber eher peinlich, bekennt Schilla.

Wird er 2020 im Alter von dann 74 Jahren noch einmal bei der Kommunalwahl antreten? Ja, wenn sich bis dahin kein geeigneter SPD-Kandidat für Sodingen finden lasse, sagt Ernst Schilla zur WAZ. Für einige dürfte dies wie eine Drohung klingen.