Herne. Flüchtlingszahlen wie in den Jahren 2015 und 2016 erwartete Herne nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. So fällt die aktuelle Bilanz aus.

„Aufnahmekapazitäten erschöpft“ – so lautete im März genau einen Monat nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Schlagzeile der WAZ. Die Zahl der in Herne angemeldeten ukrainischen Kriegsflüchtlinge hatte sich damals innerhalb von sieben Tagen mehr als verdoppelt und war auf 400 gestiegen. Die damalige Prognose der Stadt - sie rechnete mit ähnlichen Dimensionen wie im Jahr 2016 – hat sich allerdings nicht erfüllt.

1108 ukrainische Geflüchtete sind in Herne gemeldet

„Die Zahl steigt nur sehr langsam an. Die Situation ist für uns derzeit gut händelbar“, sagt Sozialdezernent Johannes Chudziak auf Anfrage. 1108 Geflüchtete aus der Ukraine sind aktuell in Herne gemeldet. Zum Vergleich: Ende Mai waren offiziell 1050 Kriegsflüchtlinge registriert.

Das Land weise Herne zurzeit wöchentlich 10 bis 15 Geflüchtete zu. Gleichzeitig verließen einige Ukrainerinnen und Ukrainer Herne auch wieder. Einige kehrten in ihre Heimat zurück, andere zögen innerhalb Deutschlands um, berichtet der Dezernent. „Die Zahl der Zu- und Wegzüge hält sich in etwa die Waage.“ Er könne nicht ausschließen, dass einige Kriegsflüchtlinge Herne wieder verlassen hätte, ohne sich „ordnungsgemäß abzumelden“.

Sozialdezernent Johannes Chudziak (re.) - hier mit Oberbürgermeister Frank Dudda - ist in in Herne für die Unterbringung Geflüchteter zuständig.
Sozialdezernent Johannes Chudziak (re.) - hier mit Oberbürgermeister Frank Dudda - ist in in Herne für die Unterbringung Geflüchteter zuständig. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Mit 228 Menschen wohnt zurzeit nur ein kleiner Teil der gemeldeten Ukrainerinnen und Ukrainern (20,6 Prozent) in städtischen Unterkünften. In der ehemaligen Janoschschule an der Bismarckstraße in Baukau – sie wurde im März von der Stadt eigens für Kriegsflüchtlinge hergerichtet – leben 108 Menschen (Kapazität: 150). Die weiteren 120 wohnen in den regulären Herner Unterkünften für Geflüchtete und Obdachlose, davon allein 88 im ehemaligen Barbaraheim an der Ackerstraße in Wanne-Süd.

Zeltstadt des Landes in Herne steht komplett leer

„Unser Ziel ist es, dass die Menschen so schnell wie möglich aus Gemeinschaftsunterkünften in private Wohnungen ziehen“, so Chudziak. Das gelinge zurzeit recht gut, der Herner Wohnungsmarkt funktioniere hier offenbar nach wie vor.

Dass auch die Kapazitäten auf Landesebene derzeit bei Weitem nicht ausgeschöpft sind, wird in Herne täglich an der Dorstener Straße sichtbar. Das Land hat auf dem dortigen Areal neben der Monza-Kartbahn und in unmittelbarer Nähe der A 42-Anschlussstelle Herne-Crange nach Ausbruch des Krieges eine Großunterkunft für bis zu 1000 Geflüchtete errichtet – so wie sie sie es 2015 nach der Flucht zahlreicher Menschen aus Syrien schon einmal getan hatte.

Bis zu 1000 Menschen können in der vom Land eingerichteten Zeltstadt an der Dorstener Straße in Herne untergebracht werden.
Bis zu 1000 Menschen können in der vom Land eingerichteten Zeltstadt an der Dorstener Straße in Herne untergebracht werden. © loc

Aktuell ist die Zeltstadt verwaist, sieht man mal vom Wachdienst ab. Das Land habe die Fläche bis Juli 2023 angemietet, um sie als Unterkunft vorzuhalten, berichtet Chudziak. Nicht der einzige Leerstand in NRW-Einrichtungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge: „Von den Landeskapazitäten sind derzeit 49 Prozent belegt“, weiß der 44-Jährige. Wie berichtet, will die Stadt auf dem Grundstück eine neue Feuerwache für Wanne-Eickel bauen.

Hernes Sozialdezernent zieht eine positive Zwischenbilanz

Und wie fällt die bisherige Bilanz der Stadt aus? „Das Verfahren zur Unterbringung der Menschen läuft nach den etwas unstrukturierten Anfängen insgesamt sehr gut“, sagt Johannes Chudziak, der Herne nach neun Jahren voraussichtlich zum 1. Januar 2023 verlassen und zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe wechseln wird.

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Im Gegensatz zu anderen Städten hat Herne mit Rücksicht auf Sportvereine und den Schulsport ganz bewusst darauf verzichtet, Turnhallen für die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter zu nutzen. Die Nachbarstadt Gelsenkirchen zog beispielsweise zwei Sporthallen frei. Nach mehrmonatigem Leerstand wird nun eine der beiden Hallen als Sammelunterkunft aufgelöst und wieder für den Sport nutzbar gemacht.

>>> WEITERE INFORMATIONEN: 424 Geflüchtete sind minderjährig

Laut Stadt lebten derzeit 424 minderjährige ukrainische Geflüchtete in Herne - 108 sind im Vorschulalter sowie 316 bis 18 Jahre alt.

260 dieser 316 Mädchen und Jungen hätten bereits das Schulberatungsverfahren durchlaufen. Es sei davon auszugehen, so die Verwaltung, dass alle 316 nach dem Sommerferien Herner Schulen besuchen.