Herne. Hernes Kreishandwerksmeister Hans-Joachim Draht schlägt Alarm: Immer weniger Jugendliche entschieden sich für eine Ausbildung im Handwerk.

Hernes Kreishandwerksmeister Hans-Joachim Drath schlägt Alarm: Immer weniger Jugendliche entschieden sich für eine Ausbildung im Handwerk. Bleibe es bei dieser Entwicklung, werde sich der bereits akute Fachkräftemangel im Handwerk in den kommenden Jahren noch verschärfen. Drath hat für den Mangel drastische Beispiele.

So habe im vergangenen Jahr im gesamten Bereich der Kreishandwerkerschaft - neben Herne zählt Castrop-Rauxel dazu - ein einziger junger Mann seine Ausbildung im Bauhandwerk begonnen. Was zu der Frage führe, wie in Zukunft Maurerarbeiten durchgeführt werden sollen. Draths zweites Beispiel: In der Klasse einer Gesamtschule in Castrop habe sich von 31 Schülerinnen und Schülern nur einer für ein Praktikum im Handwerk entschieden. Drath: „Hier müssen wir massiv gegensteuern. Wir müssen es schaffen, die Jugendlichen für das Handwerk zu begeistern.“

Drath: Handwerk schafft Zufriedenheit

Doch sei gar nicht so einfach. Denn die Stellung des Handwerks in der Gesellschaft insgesamt sei problematisch. Gerade vonseiten der Schulen und der Eltern werde nach dem Motto verfahren: Bloß nicht Handwerk, nur wenn ein Kind die schulische Laufbahn - sprich: das Abitur - nicht schaffe, könne es immer noch Handwerker werden. Dabei sprächen verschiedene Dinge für eine Laufbahn im Handwerk. Es handele es sich um Tätigkeiten, bei denen man abends zufrieden sei, weil man etwas mit den eigenen Händen geschafft habe und der Kunde auch zufrieden sei.

Maurer könnten in Zukunft verzweifelt gesucht werden - weil sich heute nur sehr wenige Jugendliche für diese Ausbildung entscheiden.
Maurer könnten in Zukunft verzweifelt gesucht werden - weil sich heute nur sehr wenige Jugendliche für diese Ausbildung entscheiden. © WP | Michael Kleinrensing

In der Gesellschaft sei bislang auch nicht angekommen, dass im Handwerk gut gezahlt werde. Gerade bei ausgebildeten Fachkräften müssten Betriebe deutlich mehr als den Mindestlohn zahlen. Und wenn jemand bereit sei, den Betrieb zu wechseln, müsste schon das ein oder andere Extra geboten werden. Bei den Jugendlichen sei die Bezahlung allerdings gar kein großes Thema. Wichtiger sei, dass sie das machen können, was sie wollen. Jugendliche könnten außerdem relativ früh ihr eigenes Geld verdienen und die Treppe weiter emporsteigen - mit der Meisterausbildung oder dualen Studiengängen. Drath: „Die Aufstiegschancen sind nirgendwo so gut wie im Handwerk.“ Hinzu komme: Die Gefahr der Arbeitslosigkeit sei im Handwerk quasi gleich null.

Die Gefahr steigt, dass immer mehr Betriebe verschwinden

Doch die Zahl der Ausbildungsverträge sinke. In allen Gewerken würde Azubis gesucht. Die Handwerkskammer Dortmund - zu der Herne gehört - hatte vor einigen Tagen mitgeteilt, das in Herne zurzeit 63 Lehrstellen angeboten werden, doch diese Zahl spiegele die Realität nicht wider, so Drath. Viele Betriebe meldeten ihre Stellen gar nicht, andere meldeten eine, könnte aber auch zwei oder drei Azubis einstellen. „Aber wer den Ersten schon nicht findet, findet den zweiten und dritten auch nicht.“

Und ohne Azubis verschärfe sich der Fachkräftemangel. Wer heute noch seinen „Meister“ mache, übernehme nicht unbedingt einen Betrieb, sondern wechsele häufig in die Industrie. Folge: Wenn ein Meister in Rente gehe, verschwänden Betriebe, weil niemand sie fortführen wolle. Laut Handwerkskammer gebe es in den nächsten Jahren „eine bedrohliche Zahl an Betrieben, die schließen“. Drath weiß aus eigener Erfahrung, was das bedeuten kann. Als sein Installateur in Rente gegangen sei, habe er Probleme gehabt, einen neuen Betrieb zu finden. Manche nähmen gar keine neuen Kunden mehr an. „Und dann hat man eine kaputte Heizung und findet keinen Installateur.“ Für Kunden würden sich die Wartezeiten drastisch ausweiten.

Lehrer sollen gezielt angesprochen und informiert werden

Und wie will das Handwerk gegensteuern? Vor Corona habe man gezielt in Herner Schulen um die Jugendlichen geworben, dies soll nun wieder aufgenommen werden. Was Drath fast noch wichtiger erscheint: auch die Lehrer zu informieren. In dieser Hinsicht sei eine gemeinsame Aktion mit der Agentur für Arbeit denkbar. Denn die Lehrer müssten teilweise die Hemmschwelle überwinden.

>>> AGENTUR FÜR ARBEIT: NOCH VIELE CHANCEN AUF EINE AUSBILDUNG

■ Laut Agentur für Arbeit sind in Herne die Chancen auf eine Ausbildung gut.

■ Unternehmen hätten 861 Ausbildungsstellen gemeldet, das sei ein Plus von 180 Stellen im Vergleich zum Vorjahr. 472 Stellen seien aktuell noch unbesetzt. Ende Juni seien 509 Bewerber noch unversorgt gewesen.