Herne. Zum Jahreswechsel lässt die Herner WAZ Unternehmen und Verbände nach vorne schauen. Corona prägt zum zweiten mal die Konjunkturaussichten.
Der Jahreswechsel ist der Zeitpunkt für den traditionellen Konjunkturausblick der Herner WAZ mit lokalen Unternehmen und Verbänden. Bereits zum zweiten mal ist der Blick der Wirtschaft auf das kommende Jahr von der Corona-Pandemie geprägt.
Isap AG
Norbert Assen, Vorstand des IT-Unternehmens Isap AG (mit den Tochterfirmen Diprotec und Intalogy) blickt „verhalten optimistisch“ nach vor, allerdings hatte sich seine Laune beim Gespräch Anfang Dezember bereits wieder eingetrübt. Zwar sei Isap selbst nicht so gebeutelt von Corona, doch man merke, dass die Projekte bei den Kunden verhaltener angegangen würden. Die Digitalisierung bei den Maschinenbauern - die einen guten Teil von Isaps Kundenstamm ausmachen - sei nach wie vor ein riesiges Thema, doch viele Firmen würden zunächst abwarten, ob nicht noch ein Lockdown komme. Dennoch sei man schon für 2022 gut ausgelastet. Deshalb suche Isap auch Fachkräfte.
Ifürel
Beim Industriedienstleister Ifürel schätzt man die Aussichten „gut bis sehr gut“ ein. Wobei die Entscheidungen der Bundesregierung im Zuge der Corona-Pandemie das Geschäft massiv beeinflussen könnten. Allerdings gewöhne man sich langsam an den Dauer-Ausnahmezustand. Dass Ifürel mit Optimismus nach vorne schaue, hänge damit zusammen, dass „wir im handwerklichen Bereich tätig sind, und die Leistungen gebraucht werden“, so Geschäftsführer Henrich Kleyboldt. Die Produktionsstätten, in denen Ifürel tätig sei, gehörten zu den systemrelevanten Industrien. „Eine Raffinerie läuft durch, Medikamentenproduktionen auch“, so Kleyboldt.
Heitkamp-Unternehmensgruppe
Jörg Kranz, Geschäftsführer der Heitkamp-Unternehmensgruppe schaut deutlich optimistischer auf 2022 als er vor einem Jahr auf 2021 geschaut hatte. Damals hatte er befürchtet, dass die Bauleistung sinken werde, weil die neu geschaffene Autobahngesellschaft des Bundes sich erst in der neuen Struktur finden muss. Doch dies sei überwunden, so Kranz nun. Das Unternehmen habe einen hohen Auftragsbestand, der bis zu sieben Monate voraus reiche. Kranz hofft, dass Heitkamp mit dem selbst entwickelten Brücken-Schnellbausystem, mit dem drei Brücken in den Flutgebieten innerhalb von nur wenigen Monaten wieder aufgebaut wurden, weitere Aufträge erhält. Der Optimismus spiegelt sich auch in einer anderen Zahl wider: Heitkamp hat 26 Lehrlinge auf einen Schlag eingestellt. Und diese Quote soll weiter erhöht werden, so Kranz.
Hotel- und Gaststättenverband
Bei Markus Galland, in Herne Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands, ist die Stimmungslage dagegen eine ganz andere. „Viele Kollegen sehen schwarz“, sagt er im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Das gelte in erster Linie für die ersten drei Monate des neuen Jahres. Die seien auch unter normalen Umständen ruhig, doch mit Corona dürften noch weniger Gäste kommen. Und das nach einer ausgefallenen Weihnachtssaison. Manche Kollegen hätten Umsatzeinbußen von 30 bis 50 Prozent, im Extremfall seien es 100 Prozent. Immerhin sei das Liefergeschäft bereits wieder angelaufen. Besserung sieht Galland erst im Frühling.
Handwerk
Kreishandwerksmeister Hans-Joachim Drath sieht für das Handwerk gute Aussichten. Alle Gewerke, die mit dem Bau zu tun hätten, seien gut ausgelastet. Viele Menschen würden in Gebäude investieren, weil das Geld auf dem Sparkonto an Wert verlöre. Aber auch die Gewerke, die an den Menschen arbeiten, zum Beispiel Friseure oder Kosmetikerinnen, könnten optimistischer in die Zukunft schauen. Viele Menschen hätten angesichts der Dauerkrise durchaus das Bedürfnis Geld für das eigene Wohlbefinden auszugeben. Das Lebensmittelhandwerk arbeite sowieso seit Beginn der Pandemie quasi unter Volllast. Allerdings gebe es einen begrenzenden Faktor: die Materialknappheit. Sie zieht sich nach den Worten von Drath durch alle Bereiche, sei es die Haartönung oder Baumaterialien. Inzwischen würden Firmen bei Bauangeboten mit kurzfristigen Preisbindungen arbeiten. Heißt: Wird ein Auftrag erst in drei Monaten in die Tat umgesetzt, verhandeln die Handwerker die Materialpreise womöglich neu mit dem Auftraggeber.
Arbeitgeberverbände
Die Lieferkettenprobleme und die weiterhin nicht planbare Corona-Lage bereiten auch den Arbeitgeberverbänden Ruhr/Westfalen, zu den zahlreiche Herner Unternehmen zählen, Sorgen für das kommende Jahr. Die jüngste Konjunkturumfrage habe offenbart, dass die wirtschaftliche Erholung vorankomme nach dem beispiellosen Absturz 2020. Wann das Vorkrisenniveau erreicht werde, sei allerdings nicht abzusehen.
IHK Mittleres Ruhrgebiet
Bei der IHK Mittleres Ruhrgebiet sieht man für die nahe, aber auch die mittelfristige Zukunft einige Problemfelder:
So geht die Kammer davon aus, dass auch in 2022 die hohen Energie- und Rohstoffpreise die Wirtschaft in Herne drosseln werden. Schwierigkeiten würden sich für 2022 auch aus den globalen Lieferkettenproblemen ergeben, aber sicher auch aus den hohen Inzidenzzahlen. Die Kontrolle des Genesungs-, Impf-, oder Teststatus führe zusätzlich zu ungewöhnlichen Belastungen bei den Unternehmen.
Perspektivisch gehe vom nahen Renteneintritt der „Baby-Boomer“ ein großes Gefahrenpotenzial für die Herner, aber auch für die gesamte Wirtschaft aus. In den kommenden Jahren werde aufgrund der alternden Bevölkerung der Fachkräftebedarf noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Schon heute würden nicht mehr alle Ausbildungsstellen besetzt, an unbesetzte Stellen werde man sich in Zukunft gewöhnen müssen. Das habe auch die Jahresbilanz zum Ausbildungsmarkt in Herne gezeigt.
Die Corona-Krise habe die Preise für viele Produkte und Rohstoffe – allen voran Rohöl – und damit die Inflationsrate im letzten Jahr stark gedrückt. Nun wirke der hohe Ölpreis preistreibend. Auch die aktuellen Lieferkettenprobleme in der Industrie hätten in einigen Bereichen zu höheren Güterpreisen geführt. Zusätzlich treibe aktuell der Mehrwertsteuereffekt in Deutschland die Verbraucherpreise an. Mit der Entspannung bei den Energiepreisen nach den aktuellen Übertreibungen und dem Wegfall des Mehrwertsteuereffektes werde die Teuerungsrate schrittweise zurückgehen. Auch dürfte die Lieferproblematik in der Industrie an Schärfe verlieren, auch wenn sich der Stau nur schrittweise auflösen werde.