Herne. Die Zahl der Anfragen bei der Herner Beratungsstelle der Verbraucherzentrale ist auf ein Rekordniveau gestiegen. Das sind die Ursachen.

„Wir kommen nicht mehr hinterher.“ Mit diesen Worten fasst Veronika Hensing, Leiterin der Herner Verbraucherzentrale, die Jahresbilanz 2021 der Beratungsstelle zusammen. Die Zahl der Anliegen ist noch einmal in die Höhe geschnellt – und die Aussichten für die Zukunft sind nach Hensings Einschätzung ernst. Das sind die Gründe.

Zunächst zu den Zahlen: Nach etwas mehr als 3000 Anfragen im Jahr 2020 blieb die Herner Beratungsstelle im vergangenen Jahr nur ganz knapp unter der Grenze von 4000. Dieser Anstieg sei nicht zuletzt auf die seit Herbst massiv gestiegenen Gas- und Strompreise zurückzuführen, die für einen Ansturm gesorgt hätten. Die Folge: Verbraucher müssen bis zu vier Wochen auf einen Beratungstermin warten. Silke Gerstler berät seit 1998 zu allen Facetten des Energierechts, doch so eine Situation habe sie noch nicht erlebt. Sie geht davon aus, dass die Folgen der Preisentwicklung bei der Energie die Verbraucherzentrale in den kommenden Jahren begleiten werden.

Herner Energieexpertin: Niemals am Telefon die Nummer des Stromzählers preisgeben

Gerstler hat beobachtet, dass sich verschiedene Anbieter jenseits aller gesetzlichen Grenzen bewegen, konkret nennt sie Primastrom und VOX-Energie. Und sie hat einen dringenden Tipp für Verbraucher: Wer von Firmen mit einem angeblich günstigen Angebot angerufen werde, solle niemals die Nummer seines Stromzählers herausgeben. Im Zuge der rasant gestiegenen Energiepreise gebe es immer mehr Anfragen von Menschen, die am Ende des Monats einen leeren Kühlschrank haben. Und da die Jahresabrechnungen für Strom und Gas nach und nach verschickt würden, richten sich Hensing und Gerstler auf eine ganze Anfragelawine ein – „die wir nicht bewältigen können“.

Doch auch jenseits der Energie muss sich das Team der Beratungsstelle mit vielfältigen Themen auseinandersetzen. So taucht unter den fünf Schwerpunkt-Themen erstmals der Bereich Freizeit auf. Dahinter verbergen sich Fragen zu Verträgen mit Fitnesscentern und zum Reiserecht – beides ausgelöst durch die Lockdowns während der Corona-Krise.

Veronika Hensing, Leiterin der Herner Verbraucherzentrale, hatte im vergangenen Jahr mit ihrem Team alle Hände voll zu tun.
Veronika Hensing, Leiterin der Herner Verbraucherzentrale, hatte im vergangenen Jahr mit ihrem Team alle Hände voll zu tun. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Auf Platz vier folgt der Bereich Finanzen. Das umfasse den Bereich von Inkasso-Forderungen, Ratenzahlungsvereinbarungen oder Kreditkartenabzocke. Nicht mehr ganz so viele Anfragen kamen zur Telekommunikation. Allerdings: Im vergangenen Jahr wurden in Herne zwei Vodafone-Shops wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten geschlossen, auch der ehemalige Unity-Media-Laden an der Bahnhofstraße ist mittlerweile dicht. Dort war Veronika Hensing bei einem verdeckten Test ein Handyvertrag für ihre siebenjährige Tochter angeboten worden.

Auf Platz zwei sind Dienstleistungsverträge gelandet. Dafür schildert Hensing einen aktuellen Anruf. Ein Herner habe gefragt, ob der Betrieb, der gerade die Fassade säubert, seriös sei. Der habe vor einigen Tagen gefragt, ob er die Fassade reinigen könne. Es gebe keinen Internet- oder Gewerbeeintrag, statt Rechnung soll es nur eine Quittung geben. Spitzenreiter bei den Anfragen waren Konsumgüter. Dahinter verbergen sich alle Probleme und Auseinandersetzungen im Zuge von Käufen, sei es im Geschäft oder im Internet.

Herner Beratungsstelle war in 75 Prozent der Rechtsvertretungen erfolgreich

Die fast 4000 Anfragen mündeten in 1138 Fällen in konkrete Rechtsberatungen und -vertretungen. In drei Vierteln der Fälle war die Herner Verbraucherzentrale erfolgreich und konnte so eine Gesamtsumme von 60.473 Euro für Verbraucher „zurückholen“.

Im zweiten Jahr für die Herner ansprechbar zu sein, sei eine Herausforderung gewesen. Im ersten Jahr seien vor allem digitale Kanäle und die Onlineangebote genutzt worden. Ab Oktober seien die Ratsuchenden wieder in den Räumen in der Freiligrathstraße empfangen worden. Dies sei angesichts der immer komplexeren Fragestellungen wichtig. Mit 1,5 Stellen sei die Nachfrage allerdings kaum zu stemmen, der Beratungsbedarf sei jedenfalls riesig.

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■ Für Ratsuchende ist die Verbraucherzentrale Herne, Freiligrathstraße 12, wie folgt erreichbar:

E-Mail: herne@verbraucherzentrale.nrw; Servicezeiten: Montag, 9-13 Uhr (nur telefonisch); Dienstag 9-13 Uhr und 14-17.30 Uhr (persönlich und telefonisch); Donnerstag 9-13 Uhr und 14-17.30 Uhr (persönlich und telefonisch); Freitag 9-13 Uhr (nur telefonisch).