Herne. Handyshops bereiten nach wie vor viel Ärger. Stichproben offenbaren auch in Herne eine Nichtbeachtung von Gesetzen. Ein Fall ist besonders krass.
Die Geschäftspraktiken in Handyshops sorgen seit Jahren für Ärger bei Verbrauchern. In Herne wurde das Problem unter anderem dadurch offensichtlich, dass zwei Vodafone-Shops in Wanne-Mitte und Herne-Mitte seit Monaten geschlossen sind. Anlässlich des Weltverbrauchertags am 15. März haben die Beratungsstellen der NRW-Verbraucherzentrale nun Stichproben zu Vertragsabschlüssen in 198 Geschäften durchgeführt. Die Ergebnisse können als desaströs bezeichnet werden. Und Veronika Hensing, Leiterin der Herner Beratungsstelle, erlebte bei ihrem verdeckten Test den landesweit wohl skurrilsten Fall.
Zunächst zum Hintergrund der Stichproben: Am 1. Dezember vergangenen Jahres ist eine EU-Gesetzgebung in Kraft getreten, die Anbieter dazu verpflichtet, Kunden vor Vertragsabschluss eine schriftliche Vertragszusammenfassung auszuhändigen, damit diese wissen, worauf sie sich einlassen und damit sie Vergleichsmöglichkeiten haben. Die Vielzahl der Tarife und Tarifkombinationen in der Telekommunikationsbranche gleicht einem Dschungel, in dem Verbraucher schnell die Orientierung verlieren.
Nur ein Betreiber von 198 händigte die vorgeschriebene Vertragszusammenfassung aus
Bei den 198 Stichproben seien lediglich in sechs Fällen diese Zusammenfassungen ausgehändigt worden, so Hensing im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. In fünf Fällen nur auf explizite Nachfrage. Also ist nur ein einziger Shopbetreiber der gesetzlichen Pflicht ohne Aufforderung nachgekommen. Konsequenz, so Hensing: Die Verbraucherzentrale habe auf Grund der Besuche die Konzerne Vodafone, Telefonica (O2) und die Telekom abgemahnt.
Die Herner Beratungsstelle hat fünf Shops besucht - in keinem wurde die Zusammenfassung ausgehändigt. Und in einem erlebte Hensing selbst, in welch - rechtlich fragwürdige - Richtung eine Beratung gehen kann, das Gespräch sei „unterirdisch“ gewesen. Der Mitarbeiter habe sie nämlich gefragt, ob sie Kinder habe. Als Hensing dies bejahte, habe der Berater gefragt, ob sie die Krankenkassenkarte des Kindes dabei habe, denn dann könne sie einen sogenannten Young-People-Tarif bekommen. Als Hensing darauf hingewiesen habe, dass ihre Tochter erst sieben Jahre alt sei, habe man ihr zu verstehen gegeben, dass man das schon hinbekomme. Wenn Hensing eine Krankenkassenkarte ihrer Tochter dabei habe, könne er diese ja einscannen, so der Berater. Hensing: „Das war schon sehr speziell.“ Der Mitarbeiter habe dann noch einen Kollegen angerufen und nachgefragt. Nachdem die Antwort gelautet habe, dass sieben Jahre zu jung sei, habe der Mitarbeiter gesagt, dass er das anpassen könne. Hensing hatte das Gefühl, dass sie zur Mittäterin gemacht wird. Sie habe einen Vertragsabschluss abwenden können, indem sie gesagt habe, dass sie sich die Sache noch einmal überlegen müsse.
Spezialtarif auf einem Schmierzettel notiert
Hensing berichtet darüber hinaus, dass auch ihre Kollegin Bianca Pilath bei der Stichprobe in einem anderen Shop ebenfalls ein „spezielles Gespräch“ geführt habe. Der Mitarbeiter habe zunächst auf einem Firmenformular alle Vertragsbedingungen aufgelistet. Auf Nachfrage, ob es ein noch günstigeres Angebot gebe, habe Berater das Formular abgerissen und auf einem Schmierzettel einen Spezialtarif notiert. Da dürfte klar sein, dass so ein Schmierzettel in keiner offiziellen Vertragszusammenfassung auftaucht.
Hensing: „Man muss ganz klar festhalten, dass die EU-Gesetzgebung in Herne überhaupt keine Beachtung findet.“ Allerdings sei die Gesetzgebung auch zu lasch. Die Verbraucherzentrale plädiert für die Einführung eines Widerrufsrechts bei dieser Art Verträge, denn nach wie vor seien Verträge nicht wirklich vergleichbar. Hensing: „Wer in einen Handyshop geht, soll sich vorher genau klarmachen, was er will und was er braucht.“ Sie vermutet, dass es eine Strategie der Konzerne ist, die Vertragsangebote möglichst intransparent zu halten, damit man keinen echten Vergleich hat.
TIPPS DER VERBRAUCHERZENTRALE
Die Verbraucherzentrale hat einige Tipps rund um Telekommunikationsverträge zusammengestellt.
Wie viele Minuten telefoniere ich? Wie viel Datenvolumen verbrauche ich pro Monat? Vor einem Beratungsgespräch sollten sich Verbraucher fragen, welche Ansprüche sie an einen Tarif haben. Wer vorbereitet in ein Verkaufsgespräch geht, kann die Angebote besser einschätzen.
Wer sich für einen Tarif entschieden hat, sollte die Vertragsunterlagen genau prüfen. Bevor der Vertrag unterschrieben wird, müssen Händler eine Vertragszusammenfassung in Textform vorlegen. Kunden sollten prüfen, ob sich mündliche Zusagen des Verkäufers exakt im Vertrag wiederfinden.
Wer mit seinem Vertrag nicht zufrieden ist, hat seit Dezember 2021 verbesserte Kündigungsbedingungen. Neue Verträge dürfen zwar weiterhin für bis zu 24 Monate abgeschlossen werden. Nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit können sie jedoch jederzeit mit einer einmonatigen Frist gekündigt werden. Eine automatische Verlängerung eines Laufzeitvertrages um ein weiteres Jahr ist nicht mehr zulässig.