Bochum/Herne. Ein Herner (31) wird auf offener Straße niedergestochen. Der Angreifer soll ein Arbeitskollege gewesen sein. Vor Gericht geht es um Mordversuch.

Knapp sechs Monate nach einer beinahe tödlichen Messerattacke auf einen Herner (31) nahe einer Bushaltestelle in Sodingen hat am Mittwoch vor dem Bochumer Schwurgericht der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Angeklagt ist ein 49-jähriger Mechaniker aus Recklinghausen. Die Staatsanwaltschaft skizziert als Tatmotiv einen Mix aus Eifersucht, verschmähter Liebe und gekränktem Stolz. Die Anklage: versuchter Mord.

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Der Angeklagte soll am 3. Dezember 2021 gegen 23.10 Uhr an der Haltestelle „Ostbachtal“ an der Mont-Cenis-Straße auf das spätere Opfer, einen Arbeitskollegen, losgestürmt sein und diesem ein Küchenmesser (zwölf Zentimeter Klingenlänge) in den Bauch gerammt haben. Der Angegriffene hatte eine Arbeitskollegin auf ihrem Heimweg begleitet. Die Hernerin hatte den offenbar hoffnungslos in sie verliebten Angeklagten bereits Wochen zuvor zurückgewiesen und war laut Anklage seitdem massiv belästigt worden. Daher soll sie das spätere Opfer gebeten haben, sie auf dem Weg vom Arbeitsplatz in Gelsenkirchen nach Herne zu begleiteten.

Im Moment der Attacke soll der Angeklagte gerufen haben: „Ich bringe dich um.“ Wem von den beiden Arbeitskollegen in diesem Moment diese Drohung galt, lässt die Anklage offen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der mutmaßliche Messerstecher irrtümlich davon ausging, dass die beiden Arbeitskollegen inzwischen ein Paar sind und dass er deshalb bereits vormittags beschlossen hatte, entweder den Mann oder die Frau zu töten. „Er wollte seine angeblichen Besitzansprüche durchsetzen, da er sich in seiner Ehre verletzt sah“, heißt es in der Anklage wörtlich.

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Kurz vor dem Bauchstich soll sich der Arbeitskollege noch blitzschnell schützend vor die Hernerin gestellt haben. Danach soll der Angeklagte versucht haben, mit einem Radkreuzschlüssel auf den Kopf des 31-Jährigen einzuschlagen, was dieser jedoch offenbar durch einen Regenschirm abfangen konnte. Der mutmaßliche Täter soll danach zunächst mit seinem Auto geflüchtet sein, sich aber dann doch kurz darauf auf der Herner Polizeiwache gestellt haben. Der 49-Jährige sitzt seitdem in U-Haft.

Der schwer verletzte Herner war seinerzeit zunächst ins Marien Hospital gebracht, später weiter ins Bochumer Bergmannsheil Klinikum verlegt worden. Die Verletzungen waren akut lebensgefährlich. Anfangs bestand laut Anklage die ernsthafte Befürchtung, dass der 31-Jährige aufgrund seines hohen Blutverlusts versterben könnte.

Zum Prozessauftakt vor dem Schwurgericht hat sich der mutmaßliche Messerstecher auf Anraten seines Verteidigers Martin Gentz noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Stand jetzt ist mit einem Urteil voraussichtlich frühestens am 29. Juni zu rechnen.

„Niedrige Beweggründe“: Was zuvor geschah

  • Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte seit Mai 2021 gemeinsam mit dem späteren Opfer und der von diesem beschützten Frau bei einem pharmazeutischen Betrieb in Gelsenkirchen angestellt. Am Rande einer gemeinsamen Heimfahrt mit dem Pkw soll der 49-Jährige versucht haben, die Frau gegen ihren Willen zu küssen. Daraufhin soll diese ihn aber abblitzen lassen und den Kontakt vollständig abgebrochen haben.
  • Wenige Wochen vor der Bluttat soll der 49-Jährige die Frau bereits einmal am Herner Bahnhof abgepasst und sie als „Hure“ beschimpft haben. Außerdem soll er ihr telefonisch gedroht haben, sie abzustechen. Am Tattag (3. Dezember 2021) soll der Angeklagte der Frau und dem Arbeitskollegen aufgelauert haben und das Duo auch während der Busfahrt mit der Linie „324“ mit seinem Pkw verfolgt haben.
  • Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und versuchten Mord. Als Mordmerkmal sieht die Staatsanwaltschaft „niedrige Beweggründe“ verwirklicht.