Herne. Eine geplante Anlaufstelle für die Wanner Drogenszene löst bei Anwohnern in Herne Sorgen und Wut aus. Vor allem um ihre Kinder haben sie Angst.

Die Anlaufstelle für die Wanne-Eickeler Drogenszene mitten in einem Wohngebiet in Herne sorgt weiterhin für viel Aufregung, Angst und Wut bei den Anwohnerinnen und Anwohnern der Freisenstraße. Dort soll – wie bereits berichtet – in der ehemaligen Gaststätte Warsteiner Stuben ein neuer Treffpunkt für suchtkranke Menschen entstehen.

Darüber informiert worden seien die Anwohnerinnen und Anwohner nicht, sie seien lediglich durch Medienberichte vor vollendete Tatsachen gestellt worden, kritisierte eine Anwohnerin bei einer Informationsveranstaltung mit den Trägern des Projekts am Dienstagabend in der Aula der Gesamtschule Wanne, die von der SPD organisiert wurde.

Schulleiterin des Gymnasiums Wanne: „Standort unglaublich schlecht gewählt“

Zum Hintergrund: Dass die Szene in der Ex-Kneipe unterkommen soll, hatte die Stadt Herne der Politik in diesem Monat vorgeschlagen. Seit vielen Jahren halten sich Suchtkranke, aber auch obdachlose und psychisch kranke Menschen in einem Unterstand im Postpark sowie auf dem benachbarten Buschmannshof auf. Das sorgte immer wieder für Kritik. Der Versuch, für sie eine feste Anlaufstelle zu finden, in denen sie auch betreut werden, war in den vergangenen Jahren gescheitert – bis jetzt. Zentrales Element der zunächst auf zwei Jahren angelegten Maßnahme in der ehemaligen Kneipe ist es nun laut Stadt, eine Tagesstruktur für die Besucherinnen und Besucher aufzubauen.

Stellten sich den Fragen und der Kritik der Anwohnerinnen und Anwohner: Kristin Pfotenhauer, Geschäftsführerin Kadesch GmbH, Frank Köhler, Geschäftsführer der Gesellschaft freie Sozialarbeit, Suchtmediziner Dr. Peter W. Nyhuis, Sozialdezernent Johannes Chudziak und Patrick Steinbach, Vorsitzender des Sozialausschusses (v.l.n.r.).
Stellten sich den Fragen und der Kritik der Anwohnerinnen und Anwohner: Kristin Pfotenhauer, Geschäftsführerin Kadesch GmbH, Frank Köhler, Geschäftsführer der Gesellschaft freie Sozialarbeit, Suchtmediziner Dr. Peter W. Nyhuis, Sozialdezernent Johannes Chudziak und Patrick Steinbach, Vorsitzender des Sozialausschusses (v.l.n.r.). © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Die Sache an sich würde er ja begrüßen, sagte ein aufgebrachter Anwohner, aber dass die Politik eine solche Entscheidung hinter verschlossenen Türen treffe, könne er nicht verstehen. Schließlich hätten vor allem die beiden ansässigen Schulen befragt werden müssen. Auch Heike Bennet, Schulleiterin des Gymnasiums Wanne, das unmittelbar an das Grundstück der Ex-Kneipe grenzt, war aufgebracht: „Wir hätten uns gefreut, wenn wir in die Entscheidungsfindung miteingebunden worden wären.“ Auch sie halte die Maßnahme für notwendig, „der Standort ist allerdings unglaublich schlecht gewählt“. Es sei wenig geschickt, dass die Schülerinnen und Schüler ihrer Schule nun auf ihrem Schulweg jeden Tag an dem Treffpunkt vorbei müssten.

„Wie soll ich das meinen Kindern erklären?“, fragte ein besorgter Vater. Und: „Ich besitze Häuser auf der Freisenstraße. Woher weiß ich denn, dass ich die auch in Zukunft noch vermieten kann, wenn solche Menschen in der Umgebung sind?“, fragte eine andere Frau.

SPD-Chef: „Das ist suboptimal gelaufen“

All die Sorgen könne er durchaus verstehen, sagte Udo Sobieski, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion, der den Abend moderierte. Allerdings, betonte er, könne man die Suchtkranken nicht irgendwo am Stadtrand unterbringen. „Diese Menschen brauchen eine Infrastruktur.“ Es seien bereits viele Versuche gescheitert, die Drogenszene in diesem Bereich aufzulösen. Deswegen habe man sich bewusst für einen Standort in der Nähe des Buschmannshof entschieden.

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Dass ein solcher Ort wichtig für suchtkranke Menschen ist, davon ist auch Angelina Pattakos überzeugt. Sie ist selbst suchtkrank, mittlerweile konsumiert sie nicht mehr. „Ich kenne viele der Menschen, die sich im Postpark aufhalten“, sagte sie. „Es ist wichtig, dass sie eine Anlaufstelle und eine Struktur bekommen.“ Viele von ihnen hielten sich sogar gerne an Regeln. Dass es zunächst angsteinflößend wirken könnte, könne sie verstehen. Aber: „Diese Menschen sind nicht aggressiv oder gefährlich“, so die 31-jährige Mutter.

Angelina Pattakos, selbst suchtkrank, kritisiert die Vorurteile den Suchtkranken gegenüber.
Angelina Pattakos, selbst suchtkrank, kritisiert die Vorurteile den Suchtkranken gegenüber. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Sucht sei kein Randproblem, weiß Kadesch-Geschäftsführerin Kristina Pfotenhauer. „Wir hoffen, durch die neue Anlaufstelle neue Strukturen für die Menschen zu schaffen und sie zurück in die Gesellschaft zu holen.“

Udo Sobieski kündigte an, dass ein Zwischengremium geschaffen werden soll, indem sich Politik, Stadt und Anwohner austauschen können, sobald der Treffpunkt eröffnet ist. Gleichzeitig räumte er jedoch ein, dass es im Vorfeld zu Kommunikationsfehlern gekommen sei. „Das ist suboptimal gelaufen.“

>>>WEITERE INFORMATIONEN: Zehn Drogentote

Eröffnet werden soll die Einrichtung im Juli, das Café soll zunächst zwischen 10 und 16 Uhr geöffnet sein. Drogen konsumieren dürfen die Suchtkranken dort nicht.

Ein fester Treff tue Not, „der Bedarf ist groß“, sagte Pfotenhauer. Alleine im vergangenen Jahr habe es in Herne zehn Drogentote gegeben, 2020 waren es elf. „Das ist besorgniserregend und dramatisch.“