Herne. SPD und CDU in Herne fordern Compliance-Regeln für die Stadtverwaltung. Hintergrund ist der umstrittene Bau eines Hauses in einem Schutzgebiet.
Die rot-schwarze Koalition im Rat der Stadt Herne schlägt ein Compliance-Regelwerk für die Stadtverwaltung vor. Compliance-Regeln sind interne Richtlinien, an die sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten müssen. Hintergrund sind die Rodung und der Bau eines Wohnhauses in einem Landschaftsschutzgebiet in Herne-Süd. Das Genehmigungsverfahren sei bei der Stadtverwaltung „alles andere als optimal abgelaufen“, begründet SPD-Fraktionschef Udo Sobieski den gemeinsamen Vorstoß. Ähnlich äußert sich CDU-Fraktionschef Timon Radicke. Nötig seien deshalb für die Zukunft klare Spielregeln und mehr Transparenz. „Wir wollen einen Vertrauensverlust verhindern“, so Radicke.
Die Rats-Kooperationspartner SPD und CDU schlagen der Politik nun vor, dass sich ein externes Büro mit den aktuellen Regeln in der Stadtverwaltung auseinandersetzt, sie bewertet und, wenn nötig, Verbesserungsvorschläge macht, sagen Sobieski und Radicke im Interview mit der WAZ. Dazu soll die Stadt Geld in die Hand nehmen, das im kommenden Haushalt dafür freigegeben werden soll. In den städtischen Tochtergesellschaften gebe es bereits Compliance-Regelwerke, ebenso in anderen Kommunen. Ein Experte soll zeigen, ob es auch bei der Verwaltung in Herne Sinn macht.
„Stein des Anstoßes“, sagen die Fraktionschefs, seien die Vorgänge rund um die Planung eines Gebäudes an der Bergstraße in Herne-Süd. Auf einem Privatgrundstück – bislang im Landschaftsschutzgebiet – soll dort ein Haus mit acht Wohnungen gebaut werden. Das Areal sei eine klassische Baulücke, der damaligen Grundstücksbesitzerin sei es vor Jahrzehnten als Bauland vom damaligen Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) verkauft worden, begründete die Verwaltung ihr grünes Licht. Die Frau habe aber nie bauen dürfen, weil der KVR das Gelände nach dem Verkauf als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen hat. Das sei ein Unrecht gewesen, argumentiert die Verwaltung. Nachdem auch die Stadt jahrelang das Bauen dort abgelehnt hatte, nahm sie das Grundstück zuletzt aus dem Landschaftsschutz heraus und erteilte einem Investor, der das Gelände von den Erben der inzwischen verstorbenen Frau gekauft hat, eine Baugenehmigung.
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Bei Bürgerinnen und Bürgern, aber auch in der Politik sorgte diese Entscheidung für Stirnrunzeln bis blankes Entsetzen. Die Stadt könne nicht plötzlich einfach den Landschaftsschutz aushebeln, ohne die Politik einzubeziehen und ohne das kenntlich zu machen, zum Beispiel im Geoportal der Stadt, schimpfte etwa CDU-Ratsfrau Barbara Merten. Sie kritisierte außerdem die Rodung auf dem Gelände zur Brut- und Setzzeit und verwies auf eine Stellungnahme des Verwaltungsgerichts von vor drei Jahren, das der damaligen Grundstücksbesitzerin mitgeteilt hatte, dass eine Klage für die Erteilung einer Baugenehmigung dort aussichtslos wäre; das Gelände, so das Gericht, sei schützenswert. Außerdem kritisierte Merten das Vorgehen von Achim Wixforth, dem Leiter des städtischen Fachbereichs Umwelt und Stadtplanung.
Anwohnerinnen und Anwohner hätten sich zudem darüber beklagt, dass sie sich im Rahmen eines absolut berechtigten Austauschs vor Ort von städtischen Mitarbeitenden eingeschüchtert fühlten. Dies darf aus Sicht der Fraktionschefs von SPD und CDU natürlich auf gar keinen Fall sein. Sie kritisieren darüber hinaus das Genehmigungsverfahren. Die Kommunikation der Verwaltung sei „nicht gut“ gewesen, so Sobieski und Radicke und meinen damit unter anderem, dass weder die Politik noch die Bürgerinnen und Bürger darüber informiert wurden, dass an der Bergstraße der Landschaftsschutz geändert wurde und warum dort gerodet werden darf.
Externer soll Fragen beantworten
Mit Hilfe eines Compliance-Regelwerks soll nun Transparenz nach außen geschaffen werden, nicht zuletzt sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung dadurch gegen ungerechtfertigte Vorwürfe von außen geschützt werden. Klare Richtlinien täten Not. Muss die Politik informiert, ja eingebunden werden, wenn der Landschaftsschutz geändert wird? Oder wenn zur Brut- und Setzzeit gerodet wird? Wenn ja: wie und wann? Und: Sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung angeben, wenn Angehörige bei einem Unternehmen arbeiten, das mit der Stadt oder einer ihrer Töchter verbunden ist? Wo gibt es Grenzen in Beziehungen? Das seien nur einige Fragen, die ein Externer bei seiner Prüfung berücksichtigen soll.
Am Ende könnte, wenn nötig, ein Compliance-Regelwerk entstehen. Könnte auch deshalb, weil der Oberbürgermeister zuständig sei für die Abläufe in der Verwaltung. Diese zu beschneiden, sei nicht ihr Anliegen, so die Fraktionschefs. Er soll deshalb eingebunden werden und habe letztlich das Entscheidungsrecht.
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Die Stadt Herne hat vor knapp zehn Jahren einen „Public Corporate Governance Kodex“ für die Beteiligungsgesellschaften der Stadt Herne aufgestellt. Das Regelwerk stellt Standards auf und soll für mehr Transparenz sorgen.
Hintergrund war der Fall eines ehemaligen Geschäftsführers der städtischen Wohnungsgesellschaft. Dieser hatte ein Darlehen an eine Bauherrengemeinschaft abgesegnet, an der auch Teile seiner Familie beteiligt gewesen waren. Juristisch sei das nicht zu beanstanden, weil es dafür keinen Kodex gegeben hatte – so lautete das Ergebnis eines Gutachtens.