Herne. Herne ist immer noch eine Hochburg der SPD. Deshalb ist Alexander Vogt Favorit auf den Gewinn des Wahlkreises. Es wäre sein vierter in Folge.

Auf dem Wahlschein des Wahlkreises 110 - diese Nummerierung hat Herne - stehen die Namen von einer Kandidatin und sieben Kandidaten. Da Herne nach wie vor eine SPD-Hochburg ist, gilt Alexander Vogt als klarer Favorit für den direkten Einzug in den Landtag. Doch das allein ist nicht sein Ziel.

Als Ort für das obligatorische Foto hat Vogt die Kulisse der Flottmann-Hallen gewählt. Wegen der Verbindung von Industriekultur und Kunst - nicht, weil in den vergangenen Jahren dort regelmäßig die Wahlpartys der Sozialdemokraten stattfanden, wie er betont. Dann wäre die Flottmann-Hallen vielleicht auch nicht in Betracht gekommen, denn die Party bei der Landtagswahl 2017 fiel aus. Statt Jubel gab es lange Gesichter. Die rot-grüne Landesregierung wurde von den Wählern aus dem Amt gejagt.

Fünf harte Jahre in der Opposition, weil man weniger gestalten konnte

Das bedeutete fünf lange und harte Jahre auf der Oppositionsbank. „Es waren in dem Sinne fünf harte Jahre, weil wir weniger gestalten konnten“, so Vogt im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion, das vor Ostern stattfand. Nichtsdestotrotz sei die Oppositionszeit nicht weniger wichtig, weil man die Aufgabe habe, die Regierung zu kontrollieren und zu kritisieren. Und da gäbe es eine Reihe von Punkten, an denen es sinnvoll sei, Opposition zu üben...

Selbstverständlich lässt Vogt das sogenannte „Mallorca-Gate“ nicht unerwähnt. „So etwas kommt nur heraus, wenn Opposition, aber auch Journalisten kritische Nachfragen stellen.“ Die Tatsache, dass zuständige Ministerinnen nach der Flut im Urlaub gewesen seien, könne ein Punkt sein, an dem sich die Wähler fragen, ob die Regierung von Hendrik Wüst gewisse Sachen zu leicht nehme.

Ziele: Abschaffung von Kita-Beiträgen oder kostenlose ÖPNV-Tickets für Schüler

Die SPD in Herne sei nach den Schlappen bei der Landtagswahl 2017 und der Bundestagswahl ebenfalls 2017 wieder näher an die Wähler herangerückt. Sie sei raus zu den Menschen gegangen, habe in Kneipen oder Schrebergärten mit den Menschen gesprochen und vor allem: zugehört. Er spüre, dass die Themen, mit denen die SPD in den Landtagswahlkampf gegangen ist, den Menschen wichtig seien: das Thema Wohnen, die Preissteigerungen gerade im Bereich der Energie. „Wir haben mit der SPD auf Landesebene beschlossen, dass 100.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden sollen, um den Druck aus dem Wohnungsmarkt zu bekommen“, so Vogt.

Alexander Vogt beim Interview in der Herner WAZ-Redaktion.
Alexander Vogt beim Interview in der Herner WAZ-Redaktion. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Ein weiteres Ziel: die Abschaffung der Kita-Beiträge. Es werde als ungerecht empfunden, wenn in einer ärmeren Stadt wie Herne Kita-Beiträge gezahlt werden müssten, in einer reichen Stadt wie Düsseldorf aber nicht. Auch bei den Schulen gebe es Ungerechtigkeiten. Die meisten Ausfallzeiten gebe in benachteiligten Stadtteilen. Das liege daran, dass es den Schulen in diesen Stadtteilen besonders schwer falle, Stellen zu besetzen. Es müssten mehr Investitionen in Schulen in Brennpunkten fließen. Vogt: „Die 1000 Schulen in NRW, die in einer besonders schwierigen Situation sind, brauchen eine besondere Förderung.“ Zur Förderung im schulischen Bereich zähle auch das Ziel, dass alle Schülerinnen und Schüler ein kostenloses Ticket bekommen, um die Erfahrung mit dem ÖPNV zu machen. Und Auszubildende dürften nicht mehr für ein ÖPNV-Ticket bezahlen als Studierende.

Mit 43 Jahren schon einer der erfahrenen Landtagsabgeordneten

Dass Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) mit ihrem Agieren in der Corona-Krise quasi eine Wahlhelferin für die Opposition sei, würde Vogt selbst wohl nie so ausdrücken. „Sie hat aber gezeigt, dass sie es in vielen Bereichen organisatorisch nicht hinbekommen hat“, so Vogt. Er erinnert an die inzwischen berüchtigten Freitagsmails. Das zeige, dass es nicht egal sei, wer so ein Ministerium leite. Das war es bei der Wahl 2017 schon nicht. Die rot-grüne Landesregierung wurde auch wegen der Schulpolitik der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann abgewählt.

Kann ein Oppositionspolitiker einer Regierung auch zustimmen? „Im kulturellen Bereich sind einige Sachen gut gelaufen“, sagt Vogt nach einigen Bedenksekunden. Auch Innenminister Reul habe einiges richtig gemacht, doch nach Vogts Geschmack ist bei Reul zu viel Show dabei.

Obwohl Vogt erst 43 Jahre alt ist, zählt er bei den Sozialdemokraten zu den erfahrenen Landtagsabgeordneten. Der Herner SPD-Unterbezirks-Vorsitzende nimmt die vierte Legislaturperiode in den Blick. Wobei die erste deutlich verkürzt war. 2010 zog Vogt erstmals in den Landtag, doch nach rund 20 Monaten Minderheitsregierung gab es Neuwahlen. Angesichts der langen Zugehörigkeit zur Landtagsfraktion liegt der Gedanke an einen Ministerposten - im Falle einer Regierungsbeteiligung - nicht fern. Doch zu Ambitionen äußert sich Vogt selbstverständlich nicht. Für welche Themenbereiche er in Zukunft zuständig sei, werde sich ab dem 16. Mai zeigen.

Auch wenn er 2017 an der 50-Prozent-Marke gekratzt hat: Siegesgewissheit weist er öffentlich von sich. „Man arbeitet natürlich dafür, dass man gewinnt, aber nicht nur in der Zeit des Wahlkampfs. Es wird ja auch über die Arbeit der fünf Jahre abgestimmt. Ich hoffe natürlich auf ein gutes Ergebnis.“ Deshalb gebe er seit Wochen Vollgas, schließlich sei mit dem starken Anstieg der Zahl der Briefwähler quasi jeden Tag Wahltag.

>>> RICHTIG ODER FALSCH

Die „Ampel“ ist auch eine gute Koalition für Nordrhein-Westfalen...

Richtig. Wenn das vom Ergebnis her möglich sein sollte, glaube ich, dass das eine Koalition sein könnte, die das Land vorbringen kann.

Olaf Scholz bringt als Kanzler der SPD Schwung für die Landtagswahl...

Richtig. Olaf Scholz macht einen guten und in der schwierigen Zeit besonnenen Job. Das hilft auch in NRW.

Thomas Kutschaty ist als Spitzenkandidat der SPD zu unbekannt...

Falsch. Wir sehen, dass er in den letzten Umfragen zu Hendrik Wüst aufgeschlossen hat, und das wird sich in den nächsten Wochen noch verbessern

>>> ZUR PERSON

1998 trat Alexander Vogt der SPD bei, noch im selben Jahr wurde er Juso-Chef. Von 2004 bis zu seinem Einzug in den Landtag im Jahr 2010 gehörte er dem Rat an.

■ 2012 wurde er als Direktkandidat erneut in den Landtag gewählt. Zurzeit ist er medienpolitischer Sprecher und gehört dem WDR-Rundfunkrat an. Seit 2012 ist er auch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Herne.

■ Nach dem Abitur 1999 an der Hiberniaschule und dem Zivildienst studierte er Journalismus an der FH Gelsenkirchen; anschließend gründete er eine Kommunikationsagentur. Vogt ist verheiratet und hat zwei Kinder.